zum Hauptinhalt
Das Bild zeigt die abgenommene Glocke und einige Kinder vor der Philipp-Melanchthon-Kapelle und stammt etwa aus dem Jahr 1942.

© Evangelisches Landeskirchliches Archiv in Berlin

Reichsadler mit Hakenkreuz in Berliner Kirche: Glocke mit NS-Symbolik nach 86 Jahren abgehängt

Seit 1935 rief eine Glocke mit Hakenkreuz und Reichsadler im Neuköllner Ortsteil Rudow zum Gottesdienst. Jetzt soll sie ins Museum umziehen.

86 Jahre lang hing in der Philipp-Melanchthon-Kapelle am Rudower Orchideenweg eine Kirchturmglocke mit eingeprägtem Hakenkreuz und Reichsadler. Nun wurde die Glocke entfernt und soll künftig im Geschichtsspeicher des Museums Neukölln in Britz zu sehen sein – allerdings nur unter „pädagogischer Begleitung“, wie es in einer Mitteilung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Oberlausitz (EKBO) heißt. 

Am 4. Juni soll der Umzug stattfinden. „Gegenstände wie diese Glocke erzählen von der entsetzlichen Verstrickung der Kirche in das Unrecht des Naziregimes“, teilte Bischof Christian Stäblein dazu mit. 

Die Beauftragte der EKBO für den Kampf gegen Antisemitismus, Marion Gardei, bezeichnete den Aufarbeitungsprozess rund um die Glocke als „lang und schwierig“. Sei sei froh, dass die Glocke endlich abgenommen wird und sehe den Prozess als „gelungenen Akt evangelischer Erinnerungsarbeit“.

Offenbar hatte schon länger niemand die Glocke von nahem betrachtet, denn laut der EKBO war lange unbekannt, dass sie mit Nazi-Symbolen versehen war. So soll der Gemeindepfarrer erst Ende 2017 davon erfahren haben. Die zweite Kirchturmglocke ist demnach nicht betroffen. Damals setzte der Gemeindekirchenrat einen Ausschuss ein, um die Geschichte der Glocke aufzuarbeiten. Beauftragt wurde die Kunsthistorikerin Beate Rossié.

Demnach wurde die Philip-Melanchthon-Kapelle in den 1930er Jahren gebaut, da die Gemeinde in Rudow gewachsen war. 1935, also zwei Jahre nach der Machtergreifung von Adolf Hitler, wurde die Kapelle mit zwei Glocken geweiht. Auf einer dieser beiden Glocken ist der besagte Reichsadler zu sehen, der einen Kranz mit einem Hakenkreuz in seinen Krallen hält. 

[Dieser Text stammt aus dem Newsletter für Neukölln. Den kompletten Newsletter gibt es jetzt kostenlos hier: leute.tagesspiegel.de]

Die Glocke überdauerte den Zweiten Weltkrieg und hing bis vor kurzem in der Kapelle, während die damals zweite, größere Glocke bereits während des Krieges abgenommen wurde. Diese wurde 1960 durch eine neue Glocke – natürlich ohne Reichsadler – ersetzt. Ob auf der damals entfernten Glocke ebenfalls Nazi-Symbolik abgebildet war, ist offenbar nicht überliefert. Es liegt allerdings nahe, dass das der Fall war.

Die Hakenkreuz-Glocke soll am 4. Juni um 19 Uhr ins Museum Neukölln überführt werden. Der Umzug wird von einer digitalen Veranstaltung begleitet. Neben einem Film über die Geschichte, die Abnahme und den Umzug der Glocke gibt es auch eine Diskussionsrunde mit Bischof Stäblein, der Antisemitismus-Beauftragten Gardei, der Historikerin Rossié, der Pfarrerin Nora Rämer und dem Museumsleiter Udo Gößwald. Den Link finden Sie hier.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false