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Die Notunterkunft im Ex-Rathaus Wilmersdorf galt als Vorzeigeprojekt – nun häufen sich Probleme.

© Kay Nietfeld/dpa

Flüchtlingsheim im Rathaus Wilmersdorf: Samariterbund lässt Vorwürfe gegen Notunterkunft prüfen

Zweifelhafte Abrechnungen, Konflikte mit Flüchtlingen und Hilfsinitiativen: Die Unterkunft im früheren Rathaus Wilmersdorf ist in die Kritik geraten. Der ASB verspricht Aufklärung.

Der Einbau von Küchen zur Selbstversorgung in den Unterkünften würde sich nach zwei bis drei Monaten amortisieren - und den Menschen ihre Würde zurückgeben. Allein der Bundesgesetzgeber, private Betreiber und leider auch manche Gemeinnützige scheinen hier eher auf Profite, als auf die Autonomie und Würde der Geflüchteten zu setzen.

schreibt NutzerIn stadt

In der vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Berlin betriebenen Notunterkunft für Flüchtlinge im früheren Rathaus Wilmersdorf läuft derzeit vieles nicht rund. Am Dienstag beauftragte der ASB einen externen Wirtschaftsprüfer, um Vorwürfen nachzugehen, es habe Unregelmäßigkeiten bei der Kostenabrechnung gegeben. Auch Konflikte mit ehrenamtlichen Helfern und Beschwerden von Flüchtlingen über die Lebensmittelversorgung trüben das Bild. Ende April kam es offenbar sogar zu gewalttätigen Protesten.

Die Notunterkunft war im August 2015 eröffnet und von ehrenamtlichen Helfern aufgebaut worden. Auch Bundespräsident Joachim Gauck besuchte die Einrichtung, die sich zum Vorzeigeprojekt entwickelte. Kurz darauf wählte das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) den ASB als Betreiber aus.

Überhöhte Rechnungen?

Der Vorwurf falscher Kostenabrechnungen stammt von der „B.Z.“. Die Zeitung schrieb unter Berufung auf interne Unterlagen, der ASB habe mit Spendengeld „Hygieneartikel und andere Verbrauchsgüter“ gekauft, obwohl die Kosten bereits zum Tagessatz gehörten, den das Lageso zahlt. Laut dem Bericht soll der ASB im Dezember auch Kosten für alle 1150 Plätze abgerechnet haben, obwohl die Betten nicht ausgebucht gewesen seien. Außerdem schrieb das Blatt, für die Verpflegung habe der ASB täglich zehn Euro pro Person in Rechnung gestellt, aber nur je neun Euro ausgegeben.

„Schnelle und transparente Aufklärung“

Nun teilte der Aufsichtsrat der ASB Nothilfe Berlin mit, ein Wirtschaftsprüfer solle die Anschuldigungen „schnell und transparent aufklären“. Man werde auch mit dem Lageso kooperieren. Der ASB wolle interne Prozesse genau prüfen und diese, falls nötig, verbessern.

Streit ums Essen soll zu Prügelei geführt haben

Um einen anderen Zwischenfall geht es am Donnerstag in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf: Die SPD fordert, das Bezirksamt solle zusammen mit Landesbehörden eine „Protestaktion“ der Bewohner am 29. April untersuchen.

Dazu gibt es bisher nur indirekte Schilderungen von Bezirkspolitikern, die Kontakt zu Flüchtlingshelfern haben. Demnach eskalierte der Unmut über einen neuen Cateringdienst, der nach Ansicht einiger Flüchtlinge zu wenig und schlechtes Essen serviert. Zudem hatte die Heimleitung angeblich eine Erlaubnis widerrufen, Wasserkocher in Zimmern zu betreiben. Bis zu 30 Flüchtlinge sollen versucht haben, ein ASB-Büro im Gebäude zu stürmen. Es kam wohl zu einer Prügelei mit Sicherheitsleuten, bis die Polizei eintraf.

Ärzte-Initiative sieht sich „nicht erwünscht“

Außerdem sind ehrenamtliche Helfer enttäuscht vom Heimbetreiber. Von Beginn an hatten Ärzte und Pflegekräfte aus der Initiative „Medizin hilft Flüchtlingen“ die Flüchtlinge gratis behandelt. Im Dezember wurde das Engagement in Absprache mit dem ASB weitgehend beendet, weil neu angestellte Ärzte einen Großteil der Arbeit übernahmen.

Laut einer Sprecherin der Initiative wurde medizinisches Inventar im Wert von etwa 20 000 Euro zusammen mit vielen Medikamenten übergeben.

Als Gegenleistung soll der damalige Heimleiter der Initiative schriftlich ein Lager für Sachspenden zugesichert haben. Dieses war auch dafür gedacht, Standorte der Mediziner in anderen Flüchtlingsheimen zu beliefern. Doch dann trat ein neuer Heimleiter sein Amt an. Im April habe dieser plötzlich die Räumung verlangt, heißt es. Die Initiative sei erkennbar „nicht erwünscht“, schrieb ein Koordinator soeben an rund 90 Helfer. Nun ziehe man sich ganz aus dem Ex-Rathaus zurück.

Über alle diese Streitpunkte will Bezirks-Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) am Freitag persönlich mit dem neuen Heimleiter reden.

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