zum Hauptinhalt
Das erste Banner: Max Hoppe von Think Si3, Illustrator Fridtjof Kirste und Umweltstadträtin Maren Schellenberg (Grüne).

© Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf

Die Tiere lesen den Menschen die Leviten: Kampagne gegen die Vermüllung von Schlachtensee und Krumme Lanke gestartet

Aufklärung am Seeufer: „Wir haben die Schnauze voll von eurem Müll“. Ente, Reiher und Igel finden klare Worte für einen sorgsameren Umgang mit der Natur.

Als Leserin Dorothee Kelm-Biereder am Wochenende frühmorgens um den Schlachtensee joggen wollte, fand sie eine „Szene des Schreckens“ vor: Müll um die Mülleimer, Abfall im Wald, Dosen und Flaschen auf den Sand- und Grasflächen, Coffee-to-go-Becher am Seeufer. „Es handelt sich hier um ein Naherholungs- und Naturschutzgebiet“, schrieb sie dem Tagesspiegel-Newsletter Steglitz-Zehlendorf, „die Ratten werden fetter, die Enten fressen Abfälle und verzehren dabei Plastik“. Andere Tiere würden sich an den Glasscherben verletzen. Dem Ordnungsamt und der „Bezirksregierung“ wirft sie Untätigkeit gegenüber der „Party- und Drogenszene“ vor.

Die häufigere Reinigung der Ufer von Krumme Lanke und Schlachtensee durch die Berliner Stadtreinigung, mehr Mülleimer als früher und Parkläuferinnen und Parkläufer, die um die Badeseen ihre Runden drehen, können das Müll- und Zerstörungsverhalten der Erholungssuchenden anscheinend alleine nicht bändigen.

Seit dem Beginn der Pandemie sind die beiden Badeseen noch beliebter geworden: „2020 erschienen noch mehr Gäste als in den sonst schon überfüllten Sommermonaten der Vorjahre“, beobachteten die Parkläufer. Durch Corona sei mehr Abstand voneinander gesucht worden, eigentlich geschützte und abgezäunte Uferbereiche wurden zu Badeorten – Müll inklusive.

Es liegt an den Menschen – jetzt lesen Ihnen Tiere die Leviten.

„Hier sind WIR zu Hause. Zum Badestrand geht’s da hinten lang“, eine Ente mit Küken, ein Eichhörnchen und ein Blässhuhn weisen den Weg. Um den Schnabel der Ente hat sich eine Plastiktüte gewickelt, das Blässhuhn trägt unfreiwillig einen Kunststoffkragen, das Eichhörnchen knabbert an einem weggeworfenen Pappbecher.

"Die erste Kippe schmeckt komisch", finden diese Entenküken auf einem der Plakatmotive der Kampagne #miteinanderfüreinander.
"Die erste Kippe schmeckt komisch", finden diese Entenküken auf einem der Plakatmotive der Kampagne #miteinanderfüreinander.

© Fridtjof Kirste

Mit 30 großformatigen Bannern und Plakaten wird seit Donnerstagvormittag an den Ufern von Krumme Lanke und Schlachtensee für einen Pespektivwechsel geworben: „Wir haben die Schnauze voll von eurem Müll“, ist der Untertitel der Kampagne #miteinanderfüreinander.

Gestartet wurde sie vom Grünflächenamt und der Firma Think SI³, die diverse Berliner Grünanlagen im Auftrag des Senats mit Parkläufern beschickt. Die „Hausherren“ der Seen – Fuchs, Igel und Fischreiher gehören auch dazu – kommentieren mit Berliner Schnauze ernst und ironisch das menschliche (Fehl-)Verhalten. In Szene gesetzt wurden die Tiere vom Künstler und selbsternannten Müllustrator Fridtjof Kirste.

Start der Kampagne #miteinanderfüreinander

„Wir hoffen, dass den Menschen bewusst wird, dass alle gemeinsam für den Zustand in den Grünanlagen und an den Seen verantwortlich sind und jeder Einzelne hierbei etwas tun kann“, sagte Umwelt- und Baustadträtin Maren Schellenberg (Grüne) bei der Eröffnung der Open-Air-Aktion zum Ferienbeginn. Man wolle nicht mit dem Zeigefinger drohen, sondern die Menschen zum Nachdenken und zur Einsicht bewegen. Zielgruppe der Aktion sei ein junges Publikum im Alter von 15 bis 35 Jahren.

„Geht man am Wochenende morgens um den See, so fühlt man sich teilweise wie nach einem Rockkonzert, so vermüllt ist es dort“, bestätigt Max Hoppe, Projektleiter und Parkmanager der Think SI³, die Beobachtungen von Leserin Dorothee Kelm-Biereder.

Der "Müllustrator" Fridtjof Kirste hat die Kritik der tierischen Seeanrainer in Szene gesetzt.
Der "Müllustrator" Fridtjof Kirste hat die Kritik der tierischen Seeanrainer in Szene gesetzt.

© Fridtjof Kirste

„Die geschützten Uferzonen werden nicht mehr respektiert und sie zu verteidigen kostet die Parkläuferinnen und Parkläufer große Mühe“, sagt er, „uns ist klar, dass es so nicht weiter geht“. Jetzt müssten innovative Wege gegangen werden, um die Besucherinnen und Besucher daran zu erinnern, „dass die Idylle, wegen der sie hierherkommen, nur erhalten bleibt, wenn sie selbst achtsam mit ihr umgehen“.

Auch in Supermärkten soll für weniger Müll geworben werden

An allen Zugängen zu den Seen weisen Plakate auf die Not der Tiere hin, an Badestellen und illegal zum Baden genutzten geschützten Uferbereichen sind große Banner angebracht. Die Kampagnenmacher rufen zudem die Supermärkte der Umgebung auf, ihre Kundinnen und Kunden an den Kassen mit Plakaten darauf hinzuweisen, den Verpackungsmüll nicht einfach am Seeufer zurückzulassen.

Insgesamt 30 Banner und Plakate werben an Badestellen und geschützten Uferstreifen für ein Umdenken der Besucher.
Insgesamt 30 Banner und Plakate werben an Badestellen und geschützten Uferstreifen für ein Umdenken der Besucher.

© Fridtjof Kirste

Bis Mitte Oktober sollen die dreißig Schilder und Banner hängen bleiben. Bei Bedarf könnte die Aktion auch auf die nördliche Waldseite der Seen ausgedehnt werden.

#miteinanderfüreinander – der Tenor der Kampagne ist in der Sache dramatisch und im Ton freundlich. Nach den Erfahrungen der Parkläufer ist eine wertschätzende Ansprache auf Augenhöhe des beste Mittel, um Einsicht zu erzeugen.

„Trotzreaktionen, rebellische Haltung oder einfach das Gefühl unbeobachtet zu sein, sind Gründe, warum Menschen sich achtlos verhalten“, heißt es im Konzeptpapier zur Kampagne. Da würden Verbote alleine wenig helfen.

Die Zeit wird zeigen, ob dieser Ansatz Erfolg hat. Für so manchen Spaziergänger ist die Uferrunde am Abend nicht mehr attraktiv: Es ist zu dreckig, zu laut, zu quirlig. Das Miteinander wieder obenan zu stellen, scheint eine gute Idee zu sein. Warum nicht mit einer tierischen Kampagne.

Sie wollen mehr aus Berlins Bezirken lesen? Die 12 Tagesspiegel-Bezirksnewsletter gibt es, Bezirk für Bezirk, kostenlos unter leute.tagesspiegel.de

Und hier noch mehr Themen im aktuellen Tagesspiegel-Newsletter für Steglitz-Zehlendorf:

  • Vermüllt nicht unser zu Hause: Tierische Kampagne gegen die Verdreckung von Schlachtensee und Krumme Lanke gestartet
  • Evakuierungspläne bei Hitze und Sandsäcke gegen Starkregen: Was Kitas und Senioreneinrichtungen gegen den Klimawandel tun können
  • „Hitze ist die tödlichste Naturgefahr in Deutschland“, sagt Umweltpsychologin Anna Heidenreich
  • Der Neubau der Moltkebrücke am S-Bahnhof Botanischer Garten kommt
  • Helios-Klinik "Emil von Behring": Ärztinnen und Ärzte streikten gegen Stellenabbau
  • Skaterpark sorgt für erhitzte Gemüter: Kinder, Jugendliche und Erwachsene planten den Sportplatz in Düppel neu
  • Volksbank will Neubau am Kreisel: sieben Stockwerke, „Laubengang“ und Café
  • Apropos Kreisel: Doch, dort wird gebaut
  • Willkommen "MS Condor": Zweite Wannseefähre nimmt Betrieb auf
  • U-Bahnhof Rathaus Steglitz: Neue Fliesen, keine Züge – erst ab August rollen sie wieder
  • Sommerpause? Von wegen: Das Schlosspark Theater spielt durch
  • Schul-Visionen: Die Anna-Essinger-Gemeinschaftsschule träumt von einem Campus in Düppel
  • Gastronomisch nichts Neues im Südwesten?

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false