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Was wird aus den denkmalgeschützten Gebäuden? Und wie kann ein kulturelles Angebot für den Bezirk gerettet werden? Die meisten Bezirkspolitiker haben darauf keine Antwort.

© Anett Kirchner

Nachnutzung Dahlemer Museen in Steglitz-Zehlendorf: Was die Bezirkspolitik sich so vorstellt...

In diesen Tagen wird viel über das Schloss und das Humboldt-Forum diskutiert, aber wie die Nachnutzung der Dahlemer Museen aussieht, weiß noch immer niemand. Die Bezirkspolitik in Steglitz-Zehlendorf sagt: Wir sind ja nicht zuständig.

Gespräche führen, Konzepte entwickeln, Lösungen suchen – Worte, die nach „anpacken“ klingen, nach „etwas in die Hand nehmen“. Das war vor etwa zwei Jahren das Ergebnis der Recherche des Tagesspiegels zur künftigen Nutzung der Gebäude am Museumsstandort Dahlem. Denn ein Großteil der Sammlungen wird 2018/2019 ins Humboldt-Forum nach Berlin-Mitte umziehen. Bezirkspolitiker teilen indes parteiübergreifend die Sorge, dass Steglitz-Zehlendorf kulturell ausbluten könnte. Was vor zwei Jahren noch in weiter Ferne schien, wird nun langsam dringlich. Die ersten Sammlungen sind geschlossen, Exponate werden für den Umzug vorbereitet. Wir haben deshalb nachgehakt, was aus den Gesprächen zu Konzepten und Lösungen geworden ist.

„Ich kenne keine aktuellen Pläne für eine Nachnutzung“, sagt die für Kultur zuständige Bezirksstadträtin und Bürgermeisterkandidatin der CDU, Cerstin Richter-Kotowski. Die letzten Gespräche lägen eineinhalb Jahre zurück. Der Bezirk habe sich jedoch immer - und werde das auch weiter tun - für eine kulturelle Nachnutzung ausgesprochen. Die Möglichkeiten zum Handeln seien für den Bezirk in dieser Sache ohnehin begrenzt. Denn die drei Museen zwischen Lansstraße und Arnimallee in Dahlem gehören zu den Staatlichen Museen zu Berlin, die wiederum Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) sind. Eigentümer der Liegenschaften ist demnach der Bund.

Trotzdem wünscht sich zum Beispiel der Bezirksverordnete Martin Kromm, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, mehr Einsatz vom Bezirksamt. „Insbesondere Frau Richter-Kotowski könnte hier mehr Engagement beweisen“, sagt er und verweist auf einen BVV-Beschluss vom März 2013, in dem das Bezirksamt bereits ersucht wurde, entsprechende Gespräche mit der SPK zu führen, um eine Nachnutzung der Gebäude als Lagerstätte zu verhindern. Kromm findet: "Das Thema kann nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden, denn durch die Schließung verliert der Bezirk schon jetzt einen seiner kulturellen Leuchttürme."

Für die Nachnutzung könne er sich ein ähnliches Konzept wie das Mitmachmuseum CosmoCaixa in Barcelona vorstellen. Dabei bestünde die Möglichkeit, die benachbarte Freie Universität Berlin (FU) in die Planung und Konzeption einzubinden. Problem sei jedoch der bauliche Zustand von Teilen der Gebäude. „Es gibt einen enormen Investitionsrückstau, der sich nach Schätzungen zwischen 100 und 300 Millionen Euro bewegt.“

Die FU ist indes an einer Nachnutzung der Gebäude schon seit Längerem interessiert. Bereits vor zwei Jahren erklärte FU-Präsident Peter-André Alt Tagesspiegel-Zehlendorf, dass ein Konzept entwickelt werde – damals noch nicht spruchreif. Diese Pläne stagnierten jedoch im Moment. „Wir haben erfahren, dass die Räume in den Dahlemer Museen vorerst als Depot verwendet werden“, erläutert der FU-Pressesprecher Goran Krstin. Daher sei nicht absehbar, ob und ab wann die Räumlichkeiten verfügbar wären.

Dass die SPK die Nutzung der Räume mit einer Fläche von  insgesamt etwa 50.000 Quadratmetern in der Tat nicht sofort aufgeben wird, bestätigt Christina Haak, die stellvertretende Generaldirektorin der Staatlichen Museen zu Berlin. Zum einen dauerten die vorbereitenden Maßnahmen für den Umzug mehrere Jahre. Etwa 17.500 Objekte müssten restauratorisch und konservatorisch behandelt werden. Zum anderen blieben Werkstätten und Depots in wesentlichen Teilen zunächst in Dahlem.

Die CDU-Fraktion befürchtet, der Ort könne einschlafen

„Wir planen ein neues großes Depot mit Werkstätten in Berlin-Friedrichshagen, aber wann der Bau beginnt, steht bislang nicht fest“, schildert Haak. Langfristiges Ziel sei es, den Standort Dahlem aufzugeben.

Die CDU-Fraktion der BVV befürchtet, dass der Ort dann „einschlafen“ könnte. „Wir sind gegen eine Zentralisierung von Kultur“, sagt Sabine Lehmann-Brauns, stellvertretende Vorsitzende im Kultur-Ausschuss. Es widerspreche dem urbanen Metropolengedanken, wenn es nur ein Zentrum für Kultur in einer Stadt wie Berlin gebe. In den Randlagen entstünden Schlafstätten. Als Idee für die Nachnutzung der Gebäude schlägt sie vor, Künstlern hier die Möglichkeit zu geben, Ateliers einzurichten. Oder man könne aus den zum Teil wertvollen Exponaten, die in den Archiven schlummern, eine neue Ausstellung konzipieren.

Zu dieser Idee sagt Haak jedoch: „Es ist nicht in unserem Interesse, ein Sekundär-Museum an diesem Standort zu halten; auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht.“ Einige Bezirkspolitiker hätten die Sorge, dass hier im Fall eines Verkaufs der Liegenschaft die Gebäude abgerissen würden und dann schicke Townhouses oder eine Schönheitsklinik entstünden. Das sei aber nicht so einfach. Die Gebäude stünden unter Denkmalschutz und der Bebauungsplan sehe ganz klar eine kulturelle Nutzung für den Standort vor.

Die Bezirksverordneten der Grünen-Fraktion in Steglitz-Zehlendorf wünschen sich vor allem „Mut für Neues“. Ihr Vorschlag wäre eine Artothek, in der zeitgenössische Kunst geliehen oder gekauft werde; beispielsweise aus Nachlässen verstorbener Künstler. Zudem könnten sie sich Synergien zwischen Künstlerateliers, einem Zukunftsmuseum und studentischer Clubkultur vorstellen. „Wir sehen den Wegzug der Museen auch als Chance, die freie Kulturszene zu stärken“, sagt ihr kulturpolitischer Sprecher Carsten Berger.

Eine "offene" Depotlösung, also mit Publikumsverkehr und eigenen Events, will die Stiftung Preußischer Kulturbesitz offenbar nicht: zu teuer.
Eine "offene" Depotlösung, also mit Publikumsverkehr und eigenen Events, will die Stiftung Preußischer Kulturbesitz offenbar nicht: zu teuer.

© Anett Kirchner

Paul Neumann, stellvertretender Vorsitzender der Piraten-Fraktion der BVV, spricht sich indessen für den Einzug der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) in die Gebäude der Dahlemer Museen aus. Für die ZLB und ihre Bücher könne das Haus genügend Platz bieten. Es sei mit der U-Bahn U3 gut angebunden. Zudem biete der Standort mit der Domäne Dahlem Naherholung und es gebe ein Kongresszentrum, Gastronomie sowie die zu Zweidrittel geisteswissenschaftlich geprägte FU in der Nähe. „Statt eines kostspieligen Neubaus im Stadtzentrum, der Bauland für Wohnungen wegnehmen würde“, ergänzt Neumann, „könnte mit dem Geld eine Immobilie hier im Bezirk saniert und modernisiert werden.“

Eine Änderung der Nutzung ist - teuer!

Lars Bahners, Sprecher der Senatskanzlei für Kulturelle Angelegenheiten, erklärt jedoch, dass die Liegenschaft nicht in die Standortuntersuchung für die ZLB aufgenommen worden sei. Zum einen, weil die Gebäude nicht im Eigentum des Landes Berlin stünden. Zum anderen, weil die Dahlemer Museen – aufgrund der weiteren Nutzung als Depot – zum benötigten Zeitpunkt nicht komplett frei gezogen seien. „Hinzu kommt, dass die Gebäude unter Denkmalschutz stehen, eine Änderung der Nutzung insofern höhere Kosten verursachen würde“, sagt Bahners. Hohe Priorität bei der Standortsuche für die ZLB habe außerdem eine gewisse Zentralität innerhalb des S-Bahn-Ringes und eine gute Anbindung über mehrere U- und S-Bahnlinien.

Die Autorin ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Tagesspiegel-Zehlendorf. Folgen Sie Anett Kirchner auf Twitter und auch der Redaktion Zehlendorf .

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