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Abweisend. Das Gebäude der ehemaligen Teske-Realschule befindet sich isoliert in einem Gewerbegebiet unweit des Sachsendamms am Tempelhofer Weg - umgeben von Autowerkstätten. 2015/16 waren hier Flüchtlinge untergebracht.

© Susanne Vieth-Entus

Bildungszentrum Berlin-Schöneberg: "Flüchtlingsschule" auf Abruf

Die zentralisierten Flüchtlingsklassen an der früheren Teske-Schule sind holprig gestartet – und gelten bereits als Auslaufmodell. Ein Ortstermin.

Wie ein verlassenes Raumschiff liegt die Teske-Schule am Tempelhofer Weg, aber im Innern tut sich was: Nagelneue Schränke standen zu Ferienbeginn im Foyer, die bald den Weg in die dritte Etage finden sollten – dorthin, wo sich das abspielt, was unter dem Begriff „Flüchtlingsschule“ seit Juli von sich reden macht.

Wer, sozusagen den Schränken voraus, die breiten Stufen des muffigen Treppenhauses hinaufgeht, sieht unterwegs nur ein paar Hinweise auf die Musik- und Volkshochschule, die im sogenannten Bildungszentrum ebenfalls Quartier bezogen haben. Im dritten Stock aber verliert sich die Schulspur: Neben den Türen hängen noch die Schilder aus der Zeit, als das Gebäude zwischenzeitlich eine Flüchtlingsunterkunft war.

„Kapazität: 10 Personen. Raumnutzung: Wohnraum. Raumgröße: 53,48 qm“ ist dort zu lesen, auch wenn aus dem „Wohnraum“ längst wieder ein Schulraum geworden ist.

Gegensätzliche Wahrnehmungen

Über das, was sich in diesen Räumen seit dem 4. Oktober abspielt, gibt es drei sehr unterschiedliche Versionen. In der einen Version ist die Rede von „Schwindel“, „sozialpädagogischem Wunschdenken“, von vielen Schwänzern, ebenso alten wie schmutzigen oder fehlenden Möbeln und davon dass die Verwaltung von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) „eine Erfolgsstory erfinden will“. Ein Lehrer sei bereits erkrankt, die versprochene Sozialarbeiterin erst mit zweiwöchiger Verspätung gelandet, was dem Start enorm geschadet habe.

Die entgegengesetzte Version stammt aus der Bildungsverwaltung und berichtet davon, dass die neue Sozialarbeiterin sich zwar „erst freimachen musste“. Die Lehrkräfte hätten das aber „wunderbar hinbekommen“. Außerdem gebe es ja Unterstützung durch die kooperierende Hugo-Gaudig-Schule – was ein Projektmitarbeiter bestätigt und gleichzeitig betont, dass die zentrale Förderung der 15- bis 16-jährigen Schüler, die kaum alphabetisiert seien und fit für eine Ausbildung gemacht werden sollten, genau der richtige Weg sei. Im Übrigen könnten einige Schüler schon so gut Deutsch, dass sie zum Februar in eine Regelschule wechseln könnten.

„Erschütternd lieblos und unerfreulich“

Die dritte Version stammt vom Verein „Schöneberg hilft“, der sich in der Teske-Schule schon engagierte, als das Gebäude noch Notunterkunft war, und sich von Anfang an kategorisch gegen die Separierung dieser schwierigen Klientel ausgesprochen hatte. Die Räumlichkeiten dort seien zwar renoviert, aber „erschütternd lieblos und unerfreulich“, beschreibt der grüne Bildungsexperte und Schöneberg-hilft-Sprecher Hans-Jürgen Kuhn die äußere Lage.

Es gebe auch keinerlei Essensangebote für die Jugendlichen und „nicht mal einen Getränkeautomaten“. Besonders verhängnisvoll sei es aber, dass die Lehrer anfangs ohne Sozialarbeiter auskommen mussten. Am vergangenen Mittwoch tagte erstmals eine „Steuerungsrunde“, bei der alle Bedenken und Versionen zur Sprache kommen sollten - allerdings vertraulich.

Auf Distanz zur "Flüchtlingsschule"

Bislang steht die Bildungsverwaltung mit ihrem Konzept auf verlorenem Posten: Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg war von Anfang an skeptisch, und die BVV fasste im Juli sogar einen Dringlichkeitsbeschluss gegen das Vorhaben. Zudem ist es im Bezirk bereits beschlossene Sache, dass das Gebäude am Tempelhofer Weg in etwa drei Jahren zur Grundschule umgebaut werden soll: Die Bevölkerung in der Region wächst, denn im Gebiet der „Schöneberger Linse“ wird stark gebaut. Somit werden Schulplätze gebraucht. Die grüne Bezirkspolitikerin Elisabeth Kidelen hofft sogar, dass die Teske-Flüchtlingsklassen „spätestens zum Sommer 2018 aufgelöst werden“. Auch "Schöneberg hilft" hat den Sommer 2018 im Blick und fordert einen "Belegungsstopp", damit die Schule langsam auslaufen kann und die bis dahin verbliebenen Schüler in die geplanten 16 dezentralen Lerngruppen überführt werden können.

Aber die Senatsverwaltung für Bildung hat nicht nur Gegenwehr aus dem Bezirk und von einer langen Reihe von Vereinen und freien Trägern. Erschwerend kommt für sie hinzu, dass die rot-rot-grüne Koalition „die Beschulung der Geflüchteten in der Teske-Schule überflüssig machen will“, wie die bildungspolitische SPD-Sprecherin im Abgeordnetenhaus, Maja Lasic, betont.

Der Schulausschuss tagt im Gebäude

Statt der zentralen Beschulung, die von der Bildungsverwaltung initiiert wurde, wollen die Bildungspolitiker der Koalition 16 dezentrale Lerngruppen für besonders förderbedürftige Schüler bilden und gehen damit ausdrücklich auf Distanz zum zentralen Ansatz der „Flüchtlingsschule“. Das Geld dazu haben sie bereits im Doppelhaushalt 2018/19 verankert.

Aber erst mal will der Bezirk die aktuelle Situation an der Teske einschätzen und die drei – oder mehr – kursierenden Versionen abklopfen. Deshalb hat sich der BVV-Bildungsausschuss entschieden, seine nächste Sitzung am 7. November in die Teske-Schule zu verlegen und dazu auch gleich den bezirklichen Integrationsausschuss einzuladen. Nicht nur die neuen Schränke dürften bis dahin den Weg in die dritte Etage gefunden haben: "Jetzt wird alles rasch hergerichtet, um den Ausschuss positiv zu beeindrucken", vermutet ein Verordneter.

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