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Mehr regionales Gemüse aus biologischem Anbau soll in Berlins öffentlichen Kantinen serviert werden.

© Kitty Kleist-Heinrich

"House of Food": Bio für alle Berliner Kantinen?

Weniger Fleisch, mehr regionales Gemüse: Berlin will die Ernährung in Schulen, Kitas und Unis ändern. Dafür soll es eine Fortbildungseinrichtung geben.

Die öffentlichen Kantinen in Berlin sollen gesünder werden. Die rot-rot-grüne Koalition hat das auch in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Der Anteil an Bio-Essen in Kindertagesstätten, Schulen, Kantinen, Justizvollzugsanstalten, Mensen und beim Catering in öffentlichen Einrichtungen soll bis 2021 deutlich erhöht werden. Dazu soll ein „House of Food“ entstehen, eine Fortbildungseinrichtung für Küchenpersonal.

„Die Beschäftigten sollen beigebracht bekommen, wie sie frisch, regional und saisonal kochen“, schreibt die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz auf Nachfrage. Ziel sei eine grundlegende Veränderung in der Gemeinschaftsverpflegung sowie eine „dauerhafte Umstellung der Ernährung“.

Im „House of Food“ solle kein Essen verkauft werden, sagt die Senatsverwaltung weiter. Die Köchinnen und Köche sollen vor allem im Bereich der Lebensmittelverschwendung geschult werden. Zusätzlich könnte es „Vor-Ort-Analysen“ geben, wie in den städtischen Kantinen gekocht wird. Der Bio-Anteil der verwendeten Zutaten soll auf 60 Prozent gesteigert und verstärkt nachhaltige Produkte aus dem regionalen Anbau berücksichtigt werden.

Markthalle Neun warb um "House of Food"

Wo das „House of Food - Berliner Zentrum für gute Ernährung“ entstehen soll, ist noch nicht klar. Anfang März wurde ein "Interessenbekundungsverfahren" europaweit veröffentlicht. Interessierte Projektträger müssen ihre Anträge für die Projektförderung bis Ende März einreichen. Für den Aufbau des Zentrums für gute Ernährung hat die Senatsverwaltung für 2019 400.000 Euro eingeplant. Für das Jahr 2020 werden 1,2 Millionen Euro und für 2021 1,6 Millionen beantragt.

Der Doppelhaushalt 2020/2021 wird im Dezember 2019 im Abgeordnetenhaus beraten und beschlossen.

Zuletzt hatten die Betreiber der Markthalle Neun öffentlich damit geworben, das „House of Food“ nach Kreuzberg holen zu wollen. Derzeit prüfe man die baulichen Vorrausetzungen für die Unterbringung eines solchen Zentrums, hieß es auf Nachfrage. Gleichzeitig kündigte die Halle dem Aldi-Markt – dieser soll durch einen DM ersetzt werden.

Das führte zu starken Protesten durch Anwohner, die den Aldi gerne erhalten würden. Das "House of Food" könnte in der Halle unabhängig vom Einzug von DM entstehen, so die Hallen-Betreiber.

Die Senatsverwaltung will auch ein Logo für das neue Zentrum entwickelt lassen. Über die Größe des Zentrums wollte sie keine Angaben machen.

Vorbild ist das „House of Food“ in Kopenhagen. Dort wurde die Umsetzung 2009 an eine Stiftung übergeben. Dieser sei es im Laufe der vergangenen Jahre gelungen, den Anteil biologisch zubereiteter Mahlzeiten auf etwa 90 Prozent zu erhöhen, ohne dass sich die Kosten für die Nutzer der Kantinen erhöht haben. So heißt es in einer Studie des „Labor für Stadtentwicklung und Ernährung“ in Dortmund, die der Senat in Auftrag gegeben hat – erschienen 2018.

In Berlin liegt der Bio-Anteil in öffentlich bewirtschafteten Kantinen demnach derzeit bei 15 Prozent. Das gibt auch die Musterausschreibung der Bezirksämter als Mindestanteil vor – diese sind für die Organisation und Ausschreibung der Schulverpflegung zuständig.

15 Prozent Bio-Anteil in öffentlichen Kantinen

Laut dem Geschäftsbericht des Studierendenwerks Berlin nahmen 2016 täglich durchschnittlich 35.410 Studierende das Angebot der Mensen wahr. Insgesamt verkauft wurden im selben Jahr 5.235.668 Essen – davon 758.672 Bio-Gerichte.

Der Anteil der Bio-Essen bezogen auf die Gästezahl ist in den Uni-Mensen in Berlin teilweise rückläufig. In der Mensa der Technischen Universität an der Hardenbergstraße beispielsweise wurde 2012 noch zu 20 Prozent Bio-Essen gekauft – 2016 fast fünf Prozent weniger. Im Durchschnitt fiel der Bio-Konsum in den sechs untersuchten Berliner Mensen laut der Studie aus Dortmund von 18 auf 14,81 Prozent.

Den Köchen in Kopenhagen wird beigebracht, wie sie weniger Fleisch verwenden und das ganze Tier nutzen, nicht nur die Edelteile. Statt Fleisch soll „mehr Gemüse in der ganzen Vielfalt des saisonalen Angebots“ verwendet werden. Dazu „weniger Süßes, dafür mehr saisonale Früchte“. Durch „alte Haushaltstugenden“ soll Müll reduziert werden.

Im Kopenhagener "House of Food" arbeiten Köche, Ernährungsexperten, Lehrer, Projektmanager, Ethnologen sowie Designer. Zu Beginn eines Projekts werden die Mitarbeiter einer Küche zu einem „impulsgebenden Vortrag“ auf einen ökologischen Betrieb eingeladen. Dieser Projektauftakt soll den Mitarbeitern klarmachen, warum der Wandel wichtig ist und gleichzeitig Widerstände gegen den Wandel abbauen.

Dänemark hat laut der Studie dafür 40 Millionen Euro über 10 Jahre ausgegeben. „Für den Erfolg des Wandels sind klare und durch die Politik unterstütze Ziele wichtig“, heißt es in der Studie aus Dortmund. Vorbild ist demnach neben Dänemark auch die Stadt München. Dort fanden bereits Modellprojekte in Kitas statt.

Das Zentrum für gute Gemeinschaftsverpflegung habe zum Ziel, den Bio-Anteil in der Berliner Gemeinschaftsverpflegung deutlich zu steigern - ohne langfristig Mehrkosten im Roh-Wareneinsatz zu erzeugen, schreibt Philipp Stierand, der Autor der Studie, abschließend. „Dieser Transformationsprozess wird nicht schnell ablaufen und einen langen Atem brauchen.“

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