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Seit September besetzt. Das Gebäude an der Großbeerenstraße stand lange weitgehend leer. Die Besetzer möchten dort ein Hausprojekt realisieren.

© Christoph Kluge

Bizarrer Streit: Nur fünf Personen gleichzeitig dürfen besetztes Haus betreten

Aktivisten halten eine Wohnung in Kreuzberg besetzt. Der Eigentümer hat nun einen Wachschutz engagiert, der nur fünf Menschen gleichzeitig in die Bleibe lässt.

"Zu wem möchten Sie?" Zwei kräftige Security-Männer in schwarzen Uniformen versperren den Eingang zum Haus an der Ecke von Großbeerenstraße und Obentrautstraße. Aus der Wohnung im ersten Stock hängt ein Transparent: "Wir bleiben alle." In dieser Wohnung leben seit September linke Politaktivisten.

Doch Mitte April bezog ein privater Sicherheitsdienst Stellung im Hauseingang. Seither dürfen nur noch fünf Personen gleichzeitig die Wohnung betreten. Wenn eine Person hineingehen möchte, muss zuerst eine andere die Wohnung verlassen.

Die Wachleute seien am 12. April gekommen, sagt ein Sprecher der Besetzer, der sich Max Polder nennt. Zuerst hätten sie niemanden ins Haus lassen wollen, die Bewohner durften nur noch heraus. Polder vermutet, dass der Eigentümer die Wohnung auf diese Weise leer bekommen wollte. Als "kalte Räumung" bezeichnet er diesen Trick. Doch einer der Aktivisten harrte im Innern aus. Am Ende einigten sich die Parteien auf die seltsame Fünf-Personen-Regelung.

Um dieses Haus dreht sich der Streit.
Um dieses Haus dreht sich der Streit.

© Christoph Kluge

Den Wachschutz bezeichnet Polder als "reine Schikane". Der Eigentümer solle "den Belagerungszustand aufgeben". Eine rechtliche Handhabe dagegen haben die Besetzer aber nicht – weil sie keinen Mietvertrag haben. Miete haben sie Besetzer nach eigenen Angaben bisher noch nie gezahlt. Die Aktivisten möchten ein Hausprojekt schaffen, in dem "so 12 bis 15 Leute" dauerhaft zusammenleben können. Außerdem solle es Raum für Flüchtlinge geben und einen Nachbarschaftstreff.

Aktuell stehen die meisten Wohnungen des Hauses leer. Im dritten Stock wohnt noch ein regulärer Mieter. Was er von den Türstehern hält, möchte er dem Tagesspiegel nicht sagen. In der Decke des Hausflurs klafft ein Loch. Dort ist der Putz abgefallen, gibt den Blick frei auf alte Balken. Die Treppe knarzt beim Laufen. Auch im Innern der besetzten Wohnung ist erkennbar: Das Haus muss dringend saniert werden. Es steht aber seit Jahren leer.

Grünen-Politikerinnen vermitteln

Die Besetzer leben hier seit September 2018, damals zogen sie zunächst in zwei Wohnungen ein. Eine davon verließen sie freiwillig wieder. Für die andere wurde bereits wenige Stunden nach der Besetzung ein vorläufiger Nutzungsvertrag mit der Wohnungsbaugesellschaft ausgehandelt.

Die Grünen-Politikerinnen Canan Bayram und Katrin Schmidberger vermittelten zwischen den Parteien, ein Nutzungsvertrag wurde ausgehandelt. Die Polizei räumte erst einmal nicht. Doch der Vertrag ist inzwischen ausgelaufen. Und der Eigentümer hat nach eigenen Angaben eine Baugenehmigung für die Sanierung.

Der Eigentümer des Hauses ist keine typische Immobilienfirma, sondern die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mit Hauptsitz in Köln. Hauptanteilseigner diees Unternehmens ist das Erzbistum Köln, also die katholische Kirche. Sein Unternehmen plane seit Jahren den Aufbau eines sozialen Projektes, sagt Markus Deml, der Berliner Filialleiter der Aachener SWG.

Neue Verhandlungsrunde am 9. Mai

In einem Flügel des Hauses werden "Schutzwohnungen für Frauen mit Gewalterfahrung" entstehen. Sein Unternehmen habe über mehrere Monate versucht, die Besetzer in die Projektplanung zu integrieren. Seiner persönlichen Meinung nach sei die Gegenseite einfach nicht kompromissbereit, sagt Deml. Die Besetzer hätten öffentliche Veranstaltungen in den Räumen abgehalten, der Wachschutz sei nun dazu da, dies wegen der Gefahren der laufenden Baumaßnahmen zu unterbinden. 

Noch kann eine polizeiliche Räumung verhindert werden. Aber nur, wenn sich die Parteien einigen. Am 9. Mai wird es eine weitere Verhandlungsrunde geben. Diesmal verhandeln die Besetzer direkt mit der Zentrale der Aaachener SWG in Köln. Die habe weitreichendere Entscheidungsbefugnisse als Deml, sagt die Vermittlerin Canan Bayram.

"Wir sind der Ansicht, dass eine einvernehmliche Lösung möglich ist". Eigentlich gäbe es "viele Schnittmengen" zwischen Eigentümer und Hausprojektgruppe, glaubt die Bundestagsabgeordnete. Bayram möchte das kirchennahe Unternehmen an seine soziale Verantwortung erinnern. Notfalls müsse sie sich Ansprechpartner noch weiter oben in der Hierarchie suchen: "Ich habe schon überlegt, dem Papst zu schreiben", sagt Bayram.

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