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Im winterlichen Spreewalddorf Lehde (Brandenburg) gelangen Besucher mit einem Kahn zum Freilandmuseum.

© Patrick Pleul

Böllerfrei in Brandenburg: An diesem Ort herrscht an Silvester Ruhe

Bürgerkriegsähnliche Zustände zum Jahreswechsel? Ein Ort im Spreewald zeigt, dass es auch anders geht.

Von Sandra Dassler

Noch hat das einzige Hotel im Spreewalddörfchen Lehde, offiziell ein Ortsteil von Lübbenau, geschlossen. Ob das allerdings auch im nächsten Jahr so bleibt, ist fraglich. Die Nachfrage für Unterkünfte von Ende Dezember bis Anfang Januar wird nämlich immer größer, denn Lehde hat etwas, was sonst kein Ort in Berlin und Brandenburg aufweisen kann: Absolutes Böllerverbot!

„Meine Gäste kommen schon seit Jahren vor allem deshalb über Silvester“, sagt eine Vermieterin von Ferienwohnungen: „Viele sind aus Berlin oder Dresden und sie genießen die Ruhe hier.“

Eine andere Vermieterin musste in den vergangenen Wochen vielen Interessierten absagen. „Wir haben in diesem Jahr zu Silvester eine große Familienfeier in unserer Pension“, sagt sie: „Natürlich alles ohne Böller oder Raketen.“

Jeder hält sich an das Verbot

Was in anderen Städten wie Berlin unmöglich scheint und heiß diskutiert wird, sei in Lehde längst Normalität, erzählt sie. Jeder halte sich an das Verbot, schließlich seien viele Häuser im Dorf noch mit Reetdach ausgestattet.

Aber ist das denn in anderen Spreewalddörfern wie zum Beispiel dem benachbarten Leipe nicht ebenso?

Mag sein, sagt die Wirtin: „Aber dort kommt die Feuerwehr auf der Straße an jedes Gehöft heran. Hier sind viele Häuser nur über das Wasser zu erreichen, was Löscharbeiten enorm erschwert.“

Das sei nur auf den ersten Blick ein Widerspruch, denn zwar könne man das vorhandene Wasser zum Löschen nutzen, aber erst einmal müsste ein Feuerwehrkahn mit einer Motorspritze vor Ort gebracht werden. Außerdem ist Lehde vorbelastet, sozusagen ein gebranntes Dorf. In der Silvesternacht 1973/74 brach im Museum – ausgelöst von einem Feuerwerkskörper – ein Brand aus.

Böllerverbot als Touristenmagnet

Das habe sich im kollektiven Gedächtnis der knapp 150 Einwohner verankert, sagt die Wirtin: „Es gibt keine Diskussionen über das Verbot, auch die Jugendlichen gehen klaglos die eineinhalb Kilometer bis zum Lübbenauer Schloss, wo sie dann ballern können.“

Inzwischen ist man offenbar auch in den Touristenbüros der Region hellhörig geworden. Seit Jahren suche man nach Möglichkeiten, den Spreewald auch im Winter für Besucher attraktiv zu machen, heißt es. Wenn sich das Böllerverbot als Touristenmagnet erweise, solle man auch in anderen Spreewaldstädten und Gemeinden darüber nachdenken. Natürlich müssten dann auch die Hotels geöffnet sein. Lastminute-Buchungen für Lehde sind jedoch nahezu aussichtslos.

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