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Brandenburg: Kein Herz für Verliebte

Zwei wollten heiraten. Sie hätten Geld und Gäste in die Region gebracht und scheiterten am Amt

Neuruppin. Monate lang sah es so aus, als hätten Ute M. und Oliver S. genau den richtigen Ort für ihre Heirat gefunden. Sie träumten immer von einer Hochzeit in Weiß, und dafür hatten sie sich die kleine Kirche in Netzeband in der Nähe von Neuruppin ausgesucht. Eine entweihte Kirche zudem, kein sakraler Raum mehr, in dem noch Gottesdienste stattfinden, sondern der offen ist für andere Veranstaltungen. Genau das richtige für das Paar, denn der 34-jährige Oliver S. ist konfessionslos.

Die beiden wandten sich an das zuständige Standesamt in Temnitz. Von dort ging der Fall weiter an das Ordnungsamt des Landkreises. Irgendwann landete das Anliegen der beiden Hochzeitswilligen im Potsdamer Innenministerium. Am Ende schaltete sich sogar Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm ein.

Im Januar hatte Oliver S. das erste Mal im Standesamt angerufen. Und anfangs fand man die Idee, in der kleinen Kirche zu heiraten, auch gar nicht schlecht. Doch seitdem hören Ute M. und Oliver S. immer nur weitere Ablehnungen, warum man in dieser Kirche nicht heiraten kann.

In Berlin gelten Trauungen außerhalb der Kirche als eine Selbstverständlichkeit. Das Standesamt in Mitte wirbt sogar mit einer Top-Ten-Liste der beliebtesten Orte: Der Französische Dom ist darunter, das Palais am Festungsgraben. Auch viele brandenburgische Gemeinden werben für Trauungen, denn das bringt zusätzlich Geld.

Nur im Amt Temnitz, zu dem die kleine Kirche gehört, fand man immer neue Gründe, die Hochzeit abzulehnen. 50 Gäste wollten Oliver S. und Ute M. mitbringen, sie sollten im Ort übernachten. Im strukturschwachen Landkreis Ostprignitz- Ruppin scheint das aber kein Grund zur Freude zu sein. Diese ungeahnte Einnahme bereitete später sogar dem Innenministerium Kopfzerbrechen. Das würde, so die Ministeriumsmitarbeiterin Gabriele Liebscher, den Wettbewerb in der Region verzerren, da andere Gemeinden eine solche Traumöglichkeit nicht hätten. Von der Ministeriumsmitarbeiterin bekamen die beiden dann auch noch eine Rechtsbelehrung über die „Sicherheit von Standesbeamten“. Oliver S. sagt, solche „Gesetze hätten Berechtigung, wenn man in einem Tigerkäfig oder einem Swimmingpool heiraten will“. Doch die Kirche in Netzeband ist komplett saniert.

Wohl nicht zuletzt deshalb sah sich Minister Schönbohm veranlasst, sich einzuschalten. Er rief das Paar zu Hause an und hinterließ auf deren Anrufbeantworter das Versprechen, sich um das Anliegen zu kümmern. Inzwischen jedoch rudert dessen Sprecher, Heiko Homburg, zurück: Es habe sich herausgestellt, dass Bundesgesetze für Trauräume gewisse Auflagen vorsehen. Aber ist das tatsächlich der entscheidende Grund? Die Temnitzer Standesbeamtin Sieglinde Voss führte die Kosten an, die entstehen, wenn die kleine Kirche zu einem Trauraum hergerichtet würde. Sie fand, es müsste gestrichen und neuer Teppich verlegt werden. Da schlug das Paar vor: „Geben Sie uns doch einfach eine Ausnahmegenehmigung, dann entfallen die Auflagen.“ Diese Ausnahme wollte die Beamtin Sieglinde Voss nicht gelten lassen: „Wenn wir eine Ausnahme machen, kommen gleich die nächsten.“

Die Standesbeamtin Sieglinde Voss fand die Kirche aber auch ungeeignet, weil die Fenster nicht geputzt seien. Eine Trauung solle doch ein „unvergessliches Erlebnis“ sein, appellierte sie an Ute M. und Oliver S.. Und diese Stimmung könne sie nur in ihrem Trauraum bieten. Dass sich das Paar dieses unvergessliche Erlebnis in der Kirche erträumte, spielte für Sieglinde Voss offenbar keine Rolle.

Ute M. und Oliver S. werden nun in Rheinsberg heiraten. Nachdem die lokale Presse die Geschichte aufgegriffen hat, hat der Leiter des Standesamtes, Mathias Wittmoser, angekündigt, sich die Sache mit der Kirche nochmal zu überlegen.

Das Paar aus Schöneberg wird davon aber nichts mehr haben, soviel kann Wittmoser jetzt schon sagen. Aber nicht etwa zeitliche Gründe führt er an: „Die hätten wenigstens mal herkommen und sich unser Trauzimmer ansehen sollen.“

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