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Berlin: Brisante PISA-Befunde alarmieren Berliner Pädagogen

Schon wenige ausländische Kinder in der Klasse senken das Leistungsniveau. Kritik an unzureichenden Lehrmethoden und unflexiblen Lehrern

Mit Bestürzung wurde gestern in Berlin das neueste Pisa-Ergebnis quittiert, wonach bereits eine Ausländerrate von nur 20 Prozent das Leistungsniveau der ganzen Klassebeeinträchtigt. Zwar haben Berliner Daten mangels ausreichender Beteiligung der Gesamt- und Hauptschüler bei diesem Pisa-Befund keine Rolle gespielt. Dennoch betrifft er die Stadt wegen der hohen Ausländerrate in besonderem Maße: Die Ausländerbeauftragte Barbara John befürchtet nun, dass bildungsbewusste Eltern künftig noch stärker versuchen, Schulen mit hoher Ausländerrate zu umgehen. Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, müsse schnellstens bewiesen werden, dass nicht die Ausländerrate an sich das Problem ist, sondern die mangelnde Fähigkeit der Lehrer, mit den unterschiedlichen Schülerniveaus umzugehen.

Genau dies ist auch die Einschätzung der Pisa-Forscher. Klipp und klar heißt es in dem Bericht, dass deutsche Lehrer offenbar nicht mit heterogenen Schülergruppen zurechtkommen. Anders ausgedrückt: Sie unterrichten frontal, ohne auf die Leistungsunterschiede genügend einzugehen.

Dieses Problem sieht auch Erhard Laube. Der langjährige GEW-Chef leitet eine Schöneberger Grundschule mit hoher Ausländerrate und findet, dass die Lehrer „zunächst mal die Schuld bei sich selbst suchen sollten“. Sie müssten sich fragen, was sie anders machen könnten, anstatt immer nur auf die Elternhäuser zu verweisen. Laube fordert Unterrichtsformen, die jedes Kind individuell seinen Fähigkeiten fördern. Und er verweist auf gute Erfahrungen mit differenzierten Unterrichtsmethoden in Schweden und Finnland, aber ebenso in Bayern, wo Modellschulen erfolgreichen Unterricht mit hoher Ausländerrate praktizieren.

Auch Barbara John forderte gestern, mittels Modellschulen schnellstens nachzuweisen, dass die Leistungen bei hoher Ausländerrate nicht automatisch sinken. Wenn es nicht gelinge, die Eltern davon zu überzeugen, werde sich die „Spirale noch weiter nach unten drehen“, indem bestimmte Schulen noch mehr gemieden würden.

Dutzende Berliner Schulen kämpfen seit Jahren mit dem Problem, dass deutsche Eltern und auch bildungsbewusste ausländische aus ihrem Einzugsbereich abwandern, um eine Schule mit geringerer Ausländerquote zu suchen. Bisher galt als inoffizielle Richtschnur, dass in einer Schule mindestens 50 Prozent der Kinder gut Deutsch sprechen müssen, damit die übrigen Schüler sprachlich integriert werden können. Niemand kam auf die Idee, schon bei 80 Prozent die Alarmglocken zu läuten. Dies ist seit gestern anders, und die Folgen sind noch nicht absehbar.

Zunächst einmal wurde gestern versucht, die alarmierende Nachricht überhaupt einzuordnen. FU-Erziehungswissenschaftler Dieter Lenzen wies etwa darauf hin, dass es nicht damit getan ist, den Lehrern bessere Methoden beizubringen. Wichtig sei es, Schulen überhaupt erstmal „auf Leistung zu programmieren“. Barbara John forderte, dass in den Schulen die Basisfähigkeiten wie Lesen, Rechnen, Schreiben stärker in den Vordergrund gerückt werden müssten: „Toleranz lernen reicht nicht“, meint die Ausländerbeauftragte, die ab Juni für den Bildungssenator den Bereich „Deutsch als Zweitsprache“ koordinieren wird. Ab August übernimmt Berlin den bayerischen Rahmenplan für dieses Fach.

In Berlin gibt es rund 30 Schulen mit einem Migrantenanteil von über 80 Prozent und knapp 100 mit über 60 Prozent. In Wedding und Kreuzberg ist bereits jeder zweite Schüler Ausländer. Berlinweit liegt ihr Anteil bei über 20 Prozent – Tendenz steigend.

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