zum Hauptinhalt

Berlin: Brüsseler Spritze

1,2 Milliarden Euro bekommt Berlin von der EU. Aber der Weg zur Förderung ist für kleine Firmen weit

Die Berliner Wirtschaft kann sich auf Geldgeschenke freuen: Zwischen 2006 und 2013 überweist die Europäische Union rund 1,2 Milliarden Euro an das Land. Diese Strukturfondsmittel sollen die Wettbewerbsfähigkeit der Region steigern, Forschung und Innovationen fördern und Arbeitsplätze schaffen. Neben wissenschaftlichen Einrichtungen sollen davon vor allem kleine und mittlere Unternehmen profitieren. Aber der Weg zum Geld aus Brüssel ist weit. Das zeigte sich am vergangenen Dienstagabend auf einer Informationsveranstaltung für Berliner Unternehmer.

Die TÜV Rheinland Consulting GmbH entwickelte ein Gründerinnenzentrum mit Beratungsdienstleistungen für Unternehmerinnen in Berlin-Marzahn, für das knapp 480 000 Euro veranschlagt wurden. „Von unserem ersten Antragsentwurf bis zur endgültigen Antragsfassung verging ein gutes Jahr“, berichtet Carmen Giese vom TÜV Rheinland. Das Konzept wurde letztlich bewilligt, knapp die Hälfte der Kosten wurde von Brüssel übernommen. Aber die Planungsphase verschlang viele Arbeitstage. Da derartige Fristen kein Einzelfall sind, warnt Förderungs-Beraterin Anke Wiegand von der Berlin Partner GmbH: „Es lohnt sich nicht, für jedes kleine Projekt Mittel zu beantragen, da der Aufwand oft zu groß ist. Oft scheitern Anträge daran, dass sie nicht präzise genug formuliert werden.“

Da die EU mit den Geldern vor allem innovative Vorhaben unterstützen will, sind forschungsintensive Unternehmen und wissenschaftliche Institute die wichtigsten Nutznießer der Förderung. Beispiel Bessy: Für die „Berliner Elektronenspeicherring-Gesellschaft für Synchrotronstrahlung“, die in Adlershof physikalische Spitzenforschung betreibt, sind die Fördergelder ein wichtiger Bestandteil des Jahresetats: Rund sieben der 24 Millionen Euro stammen aus Brüssel, sagt Wolfgang Eberhardt, wissenschaftlicher Geschäftsführer von Bessy. „Die Mittel unterstützen die Entwicklung neuer Strahlungsquellen wie zum Beispiel sogenannte Freie Elektronen Laser.“

Bessy hat 220 Mitarbeiter, einige haben langjährige Erfahrung mit den Brüsseler Strukturen. Kleinen Berliner Betrieben fehlen diese Kontakte meist. Viele Unternehmer lassen sich schon vom Abkürzungsdickicht der Europäischen Förderprogramme abschrecken. Es gibt eine Vielzahl von Programmen, die wichtigsten beiden heißen EFRE und ESF. Der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) soll vorrangig produktive Investitionen und den Ausbau der Infrastruktur fördern. Der Europäische Sozialfonds (ESF) soll Arbeitslosigkeit bekämpfen und die Integration Benachteiligter in den Arbeitsmarkt unterstützen.

Die rund 875 Millionen Euro EFRE-Mittel machen den weitaus größten Teil der 1,2 Milliarden Euro aus Brüssel aus. Das Geld verteilt sich auf verschiedene Schwerpunkte, Berliner Unternehmen können vor allem von dem Topf „Förderung der betrieblichen Wettbewerbsfähigkeit“ profitieren, für den in den nächsten sieben Jahre rund 270 Millionen Euro bereit stehen (siehe Grafik). Ein Teil des Geldes wird für die Förderung privater Investitionen ausgegeben. Allerdings ist ein geringerer Anteil für die gewerbliche Wirtschaft vorgesehen, als in der vorherigen Förderperiode. „Unternehmen haben in der Vergangenheit weniger Geld abgerufen als erwartet“, sagt Peter Walch von der Senatsverwaltung für Wirtschaft. Statt der Hälfte der Mittel ist nur noch ein Drittel für die gewerbliche Wirtschaft vorgesehen. Die restlichen Gelder werden in die Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur gesteckt. Dass die Verteilung der Gelder mit großem bürokratischem Aufwand verbunden ist, zeigt der Etatposten „Technische Hilfe“ in Höhe von rund 35 Millionen Euro. Dahinter verbergen sich die Verwaltungskosten, die der Senat für die Vergabe veranschlagt, etwa Personalkosten.

Dennoch sollten sich auch kleine Unternehmen nicht abschrecken lassen, Gelder zu beantragen, sagt Dirk Heinrichs von der Investitionsbank Berlin. „Ein Unternehmer, der zum Beispiel eine neue Produktionshalle bauen will, braucht nur zu uns zu kommen. Wir sagen ihm, welche Förderprogramme für ihn infrage kommen“, sagt der Banker. „Er muss nicht erst alle EU-Abkürzungen auswendig lernen.“

Auch Peter Walch ermuntert Berliner Unternehmer, Fördergelder zu beantragen. Wenn eine Firma zu klein sei, um einen Mitarbeiter für die Antragsbearbeitung abzustellen, könne sie sich mit anderen Firmen zusammentun, um ein Projekt zu verwirklichen. „Bei europäischen Ausschreibungen ist das ja schon gang und gäbe.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false