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BVG-Chefin im Interview: „Wir haben manchmal zu viele Fahrgäste“

Sigrid Nikutta ist die Chefin der BVG. Hier spricht sie über Schwarzfahrer, neue U-Bahnstrecken und überfüllte Linien. Und über ein Angebot an die 13.000 Mitarbeiter.

Frau Nikutta, sind Sie schon mal schwarz mit Bahnen oder Bussen gefahren?

Nein, noch nie. Nicht Mal als Studentin. Ich war auch damals schon der Meinung, dass es selbstverständlich ist, für eine Leistung, die man in Anspruch nimmt, auch zu zahlen. Alles andere ist nicht nur unmoralisch, sondern ist, wie bei Schwarzfahren eben auch, eine Straftat.

Wie hoch ist denn derzeit der Anteil der Schwarzfahrer?

Ach wissen Sie, detaillierte Angaben auf die Kommastelle genau zu machen, ist schwierig. Wer viel kontrolliert, erwischt auch viele Schwarzfahrer. Und wer nichts unternimmt, hat offiziell auch keine Schwarzfahrer. Wir nehmen an, dass es bei uns so um die vier Prozent sind. Und dagegen gehen wir vor. Wir erhöhen unsere Kontrolldichte ganz deutlich – auch zu Uhrzeiten, zu denen es eher nicht vermutet wird. Neben den Dienstleistern, die hier für die BVG tätig sind, haben wir gerade im Oktober nochmal 20 zusätzliche Kontrolleure intern eingestellt. Die nun auch wieder in Zivil kontrollieren.

Sie selbst hatten ja veranlasst, dass die Kontrolleure in Dienstkleidung erscheinen. War dies ein Fehler?

Das war der Versuch, den Fahrgästen zu zeigen, dass wir präsent sind. Das funktioniert auch sehr gut. Leider haben einige Schwarzfahrer das deutliche Erkennen der Kontrolleure aber auch genutzt, rechtzeitig das Weite zu suchen. Deshalb kontrollieren wir zum Teil wieder in Zivil.

Das könnten Sie sich alles sparen, wenn die Fahrten gratis wären, wie es jetzt erneut die Grünen gefordert haben.

Bleibt die Frage, wer dann zahlt. Öffentlicher Nahverkehr ist eine Leistung, an der hier in Berlin viele tausend Menschen arbeiten. Er benötigt eine gut funktionierende Infrastruktur, die saniert, modernisiert und den Bedürfnissen der Stadt angepasst werden muss und er benötigt Fahrzeuge. Von all denen, die Gratisfahrten fordern, wurde noch kein dauerhaftes Konzept vorgelegt, wie dies finanziert werden soll und vor allem durch wen.

1989 gab es unter einem rot-grünen Senat den Versuch, durch eine drastische Preissenkung mehr Fahrgäste zu gewinnen. Dann kam ganz schnell der Mauerfall und das Experiment konnte nicht zu Ende gebracht werden. Würden Sie es heute wiederholen?

Auch hier läuft es wieder auf die Frage heraus: Wer zahlt dann? Der Weg zu einer umweltfreundlichen und sauberen Stadt geht nur über guten Nahverkehr. In Berlin sind wir zu Recht Stolz auf unseren guten Nahverkehr. Den Vorteil sollten wir beibehalten und ausbauen.

Dann bleibt es also bei regelmäßigen Tarifsteigerungen – auch im nächsten Jahr?

Ich bin ein Fan von Transparenz und Offenheit – daher halte ich die Kopplung der Preise an einen Index, wie zum Beispiel den Lebenshaltungsindex, für fair.

"Bei Schneefall bricht hier ein mittleres Verkehrschaos aus"

Im bevorstehendem Winter zittern Fahrgäste vor einem erneuten Zusammenbruch des Betriebs bei der S-Bahn. Haben Sie schon ein Ersatzkonzept erarbeitet, wie dann die BVG einspringen könnte?

Ich bin überzeugt, dass die Kollegen der S-Bahn die Lage im Griff haben. Zittern vor dem Winter müssten ja auch die Autofahrer. Wir wissen doch, dass beim ersten Schneefall ein mittleres Verkehrschaos auf den Straßen ausbrechen wird. Und dann kommen auch unsere Busse und manchmal auch die Straßenbahnen nicht weiter.

Und damit muss man sich als Fahrgast einfach abfinden?

Wir bereiten uns, so weit es möglich ist, auf den Winter vor. Und im Großen und Ganzen klappt es. Andere große deutsche Städte haben da schon mehr mit dem Winter zu kämpfen, da haben wir es hier in Berlin doch noch ganz gut. Wir haben, was zum Beispiel den kurzen Abstand zwischen den Fahrten und die Verlässlichkeit, dass die Bahnen und Bussen auch fahren, angeht, eine führende Rolle in Deutschland.

Trotzdem melden andere Städte einen zum Teil deutlich höheren Zuwachs bei den Fahrgastzahlen. Sind die Berliner hier kritischer?

Wir haben bereits einen sehr hohen Anteil von Nutzern. 27 Prozent des Verkehrs erfolgen mit Bahnen und Bussen. Damit liegen wir an der Spitze. Bei solchen Werten sind dann die prozentualen Steigerungen logischerweise geringer. Aber auch wir werden in diesem Jahr den Fahrgastrekord des Vorjahres mit 937 Millionen erneut deutlich übertreffen. Derzeit gehen wir von rund 950 Millionen Fahrgästen aus.

Müssen Sie das Angebot dann gar nicht mehr verbessern?

Doch. Wir haben in der Innenstadt ein sehr dichtes Netz. Dennoch haben wir auf manchen Linien zu manchen Zeiten so viele Fahrgäste, dass wir nachsteuern wollen. Aber die Stadt wächst auch in den Außenbezirken. Und auch darauf müssen wir reagieren.

Auch mit dem Bau von neuen U-Bahn-Strecken?

Wünschenswert ist vieles. Aber wir müssen sehen, was auch finanzierbar ist. Beim Bau einer U-Bahn muss man mit Kosten zwischen 150 Millionen Euro und 200 Millionen Euro pro Kilometer rechnen und dann kommen noch die Bahnhöfe dazu. Beim Bau einer Straßenbahn-Strecke kann man jeweils eine Null wegstreichen. Ein Bus braucht keine eigene Infrastruktur – belastet aber den Verkehr in der Stadt.

Und warum wird es am Ende auch meist viel teurer als veranschlagt – wie jetzt bei der U 5 zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor?

Moment. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir die alte Kostenschätzung stets aktualisieren werden, wenn der Bau begonnen hat. Und schon im Sommer haben wir darüber geredet, dass wir von rund 100 Millionen Euro mehr ausgehen. Jetzt haben wir einen Mehrbedarf von 92 Millionen Euro errechnet – am Ende des Projekts. Stand heute liegen wir extrem gut im Kostenplan.

Warum hat man aber nicht schon vor dem Baubeginn neu gerechnet, sondern ist mit den alten Zahlen gestartet?

Der Bau war lang umstritten. Und als es dann losging, haben wir sofort mit der Ausschreibung begonnen und dann genau so schnell die Zahlen aktualisiert.

Aktuell hat die Koalition der BVG vier Millionen Euro zusätzlich spendiert, die aber in den Ausbau des Angebots fließen sollen.

Das werden sie auch. Bedenken muss man dabei, dass die vier Millionen in 2014 und 7,5 Millionen in 2015 nur punktuell wirken können – das werden sie dann aber. Die Gespräche mit dem Besteller sind hier sehr konstruktiv.

Lassen Sie dann wenigstens wieder Sonderbusse aus dem Spandauer Bereich zu Fußballspielen von Hertha BSC fahren, die Sie in diesem Jahr gestrichen haben?

Ich hatte es eben schon gesagt, wir beobachten die Nachfrageentwicklung auf jeder Linie sehr genau. Wir haben in dem Bereich vier Buslinien. An Veranstaltungstagen richten wir einen zusätzlichen Halt in der Flatowallee ein. Nach unseren Zahlen, Daten, Fakten und Erfahrungen ist dieses Angebot derzeit ausreichend. Wenn sich daran etwas ändern sollte, reagieren wir natürlich.

Apropos Geld. Schaffen Sie es tatsächlich, 2016 ein ausgeglichenes Betriebsergebnis, die berühmte Schwarze Null, vorzulegen?

Ja, wir sind auf dem besten Weg. Im operativen Betriebsergebnis, also dem was wir die BVG in diesem Jahr leistet, werden wir schon in diesem Jahr die schwarze Null haben. Dann kommen aber noch die Kreditzinsen und die langfristigen Kosten dazu – so dass unser Jahresergebnis voraussichtlich einen Verlust von 36 Millionen Euro aufweisen wird – 17 Millionen besser als erwartet. Und das verdanken wir auch unseren 13000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die einen wirklich guten Job machen. Und deshalb freue ich mich ganz besonders, dass es uns gelungen ist, unsere Beschäftigten unmittelbar am wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens zu beteiligen. Wenn wir unser wirtschaftliches Ziel erreichen, bieten wir als Grundlage für Tarifverhandlungen mindestens 2,5 Prozent mehr Geld an. Und unsere Mitarbeiter haben eine Beschäftigungsgarantie bis zum Jahr 2025. Sind Sie dann auch bereit für Olympische Spiele in Berlin im Jahr 2024? Noch ist ja nichts entschieden. Aber die BVG hat auch schon ganz andere Aufgaben erfolgreich geschafft. Auch das würden wir packen.

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