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Eilt nicht. Frank Henkel will nicht zocken.

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CDU-Chef von Berlin: Nach Rückzug von Klaus Wowereit: Frank Henkel wartet ab

Manche meinen, nach Klaus Wowereits Rücktritt sei jetzt die große Chance für den CDU-Frontmann Frank Henkel gekommen. Doch der verfolgt lieber die Taktik des entspannten Abwartens. Und schaut zwei Jahre voraus.

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Bald, sehr bald, könnte seine große Stunde kommen: Frank Henkel, Innensenator, Bürgermeister von Berlin und CDU-Landesvorsitzender, könnte mit Wucht den Anspruch anmelden, Regierender Bürgermeister zu werden, legitimiert durch eine Neuwahl des Abgeordnetenhauses. Andere drängen darauf: Die Grünen wollen Neuwahlen. Die Linken wollen sie auch. Die Piraten würden sich nicht sperren. Am Ende einer Ära sollten die Wähler die Möglichkeit haben, für sich Bilanz zu ziehen und einem Neuen das Vertrauen auszusprechen. So jedenfalls argumentieren Grüne und Linke, und es wirkt ein wenig wie das Herbeireden einer Gefühls-Demokratie: als hätten die Berliner 2011 nicht ein Abgeordnetenhaus gewählt, sondern einen Bürgermeister in Direktwahl.

Nur Henkel will nicht.

Ließe sich die CDU auf Neuwahlen ein, hätte es der Frontmann der CDU innerhalb von etwas mehr als drei Jahren, in den Jahren von 2011 bis 2014, geschafft, vom Oppositionsführer zum Regierenden geworden sein, vom Therapeuten und Sanierer der Berliner CDU zum wichtigsten und stärksten Politiker der Stadt. Und hätte nebenbei noch bewiesen, dass nicht stimmt, was manche Beobachter glauben: dass Henkel, wie gewisse Boxer, ein Glaskinn hat, das ihn Schläge meiden und Niederlagen fürchten lässt.

Das Neuwahl-Kalkül geht für die CDU-Strategen nicht auf

Das glauben manche, weil Henkel stets zauderte, offenen Streit mit Klaus Wowereit zu riskieren, auch wenn er Gründe dafür hatte. Sei es, dass ihn der Regierende hängen ließ, als Henkel im Senat Einverständnis mit einer Räumung des von Flüchtlingen besetzten Oranienplatzes erreichen wollte, sei es, dass Wowereit den Koalitionspartner nur mit Verspätung über BER-Aufsichtsratsangelegenheiten informierte: Henkel nahm es hin, woraus manche Beobachter auf mangelnden politischen Mut schlossen.

Mag sein, dass der CDU-Mann weniger Freude am politischen Zocken als der Noch-Regierende hat – vielleicht aber kann er besser rechnen. Das Neuwahl-Kalkül geht für die CDU-Strategen nicht auf. Es hat gute Gründe, dass nicht einer in der Berliner CDU, dass kein Kreischef, kein Abgeordneter, Henkels Taktik des entspannten Abwartens infrage stellt.

Wenn sie in der CDU darüber spekulieren, wie Neuwahlen ausgehen könnten, trauen sie sich zwar inzwischen zu, „stärkste Partei“ zu werden. Sie erwarten auch, dass die SPD in ihrem Hader mit sich selbst noch schwächer würde, als sie ist. Doch selbst wenn die CDU von den Anfang August prognostizierten 28 Prozent mit Vormann Henkel auf optimistische 35 käme und selbst wenn die SPD ohne Wowereit von jetzt 21Prozent auf 20 oder gar 19 Prozent fiele, bliebe Berlin die Stadt mit einer so gut wie sicheren linken Mehrheit: die Linke mit jetzt 15 Prozent, die Grünen mit 21, plus 20 Prozent für die SPD – das macht zusammen rund 55 Prozent gegen die CDU. Oder wie ein CDU-Mann sagt: Man würde bei Neuwahlen womöglich „in Schönheit sterben“, seine Partei wäre nach drei Jahren des Mitregierens wieder in der Opposition.

Warum die CDU das Experiment Schwarz-Grün nicht wagt

Sicher könnten Henkel und seine Mitstrategen forscher kalkulieren: nicht ausgeschlossen, dass die Grünen mehrheitlich zu gewinnen wären und dass es reichen würde für irgendein schwarz-grünes Projekt. Bloß wäre das nichts anderes als ein koalitionäres Versprechen mit etwas Anfangseuphorie und viel fundamentalem Streit. Die Grünen und Verlängerung der A100? Die CDU und eine Flüchtlingspolitik à la Kreuzberg? Das sind bloß die krassesten Gegensätze.

Anders gesagt: Wer mit anderen regieren muss, weil er allein nicht stark genug ist, muss möglichst viel Streit vermeiden. Das fiele einer SPD/Grünen/Linken-Kombination leichter als einer CDU-Grünen-Experimentier-Koalition.

Generell glauben sie in der CDU, dass das Interesse an politischem Streit in Berlin eher klein ist. Gewagte strategische Manöver, Profilierung durch Politzockerei sei nicht das, was die Leute wollten, so die Überzeugung der CDU-Vorstände. Die Bürger wollten ordentlich regiert werden, sie wollten, dass die Stadt funktioniert – das sei die Erwartung des Publikums. Und die will man nun erfüllen, Henkel allen voran: Er hat als Innensenator noch zwei Jahre, dann geht es, wenn sein Kalkül aufgeht, in die nächste Wahl, und zwar mit einem CDU-Spitzenkandidaten, der fünf Jahre wacker gearbeitet und in dieser Zeit hoffentlich größeres Ansehen gewonnen hat als der Wowereit-Nachfolger im Roten Rathaus, wer immer es sei. Genau so dürften auch die in der Führung der Berliner CDU denken, die sich vielleicht noch besser finden als Henkel. Je mehr Senats- und Regierungserfahrung, desto besser.

Angela Merkel unterstützt die Linie von Frank Henkel

Die große Vorsitzende und ihr Generalsekretär stimmen zu. Angela Merkel und Peter Tauber haben mit Henkel gesprochen und seine Linie gutgeheißen: die CDU und ihren Innensenator als Stabilitätsanker anpreisen, Punkte für den Wahlkampf in zwei Jahren sammeln. Tauber verkündete hinterher das, was die Linie Henkels ist, eins zu eins: „Die CDU hat keinen Koalitionsvertrag mit Klaus Wowereit, sondern mit der SPD.“ Im Präsidium und im Vorstand der Bundespartei erhob sich kein Widerspruch, auch wenn einzelne Vorständler finden, dass die CDU die Gelegenheit, das Ruder zu übernehmen, nicht verstreichen lassen sollte.

Aber abgesehen davon, dass Merkel wie Henkel keine Typen für eine Husarenaktion sind – tatsächlich sprechen aus CDU-Sicht objektive Gründe dagegen. Es gibt keinen Grund, das Bündnis zu sprengen; reines Machtkalkül kommt selbst im ruppigen Berliner Politikbetrieb bei bürgerlichen Wählern nicht so gut an. Darauf lässt sich auch so recht kein Wahlkampf bauen. Auch gibt es ein paar Unbekannte in der Gleichung: Die Piraten könnten bei Neuwahlen untergehen, die „Alternative für Deutschland“ könnte sich derzeit Chancen ausrechnen und der CDU Probleme machen. Kurz: Die Risiken schienen aus Merkels Perspektive den Versuch nicht wert zu sein.

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