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Berlin: Christian im Rausch getötet

Zum Prozessauftakt um den Mord an dem Jungen gesteht der 16-jährige Ken M. die Tat – und macht den Alkohol mitverantwortlich

Auf der Fensterbank vor dem Saal 739 des Landgerichts haben Freunde und Verwandte ein Foto des siebenjährigen Christian aufgestellt. Neben dem Bild des Opfers brennt eine weiße Kerze. Die Eltern des Jungen sitzen auf der Zuhörerbank im Gerichtssaal – schweigend und von Trauer gekennzeichnet. Wegen des Mordes an Christian muss sich seit gestern der 16-jährige Ken M. (Name geändert), ein Jugendlicher aus der Zehlendorfer Nachbarschaft des Opfer, verantworten.

Das öffentliche Interesse an dem Verfahren ist groß. Doch wegen des jugendlichen Alters des Angeklagten wird hinter verschlossenen Türen verhandelt. „Mein Mandant ist weitgehend geständig, aber nicht in allen Einzelheiten“, sagt Verteidiger Matthias Zieger. Er hat für Ken M. eine Erklärung verlesen. Darin soll der Jugendliche den Einfluss von Alkohol und Drogen zur Tatzeit geltend gemacht haben.

Für Christians Eltern beginnt der Prozess mit einer Enttäuschung. Ihrem Wunsch, der Verhandlung einen eigenen Rechtsbeistand beiwohnen zu lassen, lehnt das Gericht erneut ab. Der vor der Tür wartende Anwalt Roland Weber bemüht sich um Zurückhaltung, spricht von einem „enttäuschenden Verhalten“ der Richter. Gegen die Entscheidung will er Beschwerde beim Kammergericht einlegen. „Die Eltern möchten wissen, was passiert ist“, aber hätten sie nicht persönlich am Prozess teilnehmen wollen. „Jetzt sind sie gezwungen, sich die grausamen Details anzuhören“, kritisiert Weber.

Ken M. soll den siebenjährigen Christian am 27. August 2005 in Zehlendorf in ein Versteck gelockt und dort erst mit der Faust geschlagen haben. Dann habe er ihn durch Schläge mit einem Ast sowie massiven Tritten gegen Kopf und Hals getötet. Die Staatsanwaltschaft geht von zwei Motiven aus: „angestauter Frust“ und „sexuelle Befriedigung“. Seiner tödlichen Wut soll ein nächtlicher Streit mit seiner damaligen Freundin vorausgegangen sein.

Christian war am Vormittag zum Spielen von zu Hause weggegangen. Als er etwa zwei Stunden später nicht zurückkam, machte sich sein Vater auf die Suche. Er fand den jüngsten seiner drei Söhne in einem Gebüsch am Rande einer verwilderten Baumschule am Lupsteiner Weg. Der getötete Christian lag nackt unter einer Plane. Wenige Tage später wurde Ken M., der bei seinen Großeltern in der Nachbarschaft wohnte, festgenommen.

Ken M. gilt als Intensivtäter. Seine kriminelle Karriere begann 2001. Da war er elf Jahre alt. Oft hat er zugeschlagen. Als der Mord geschah, stand er unter Bewährung. Im jetzigen Prozess muss er sich auch wegen Misshandlung eines Bundeswehrsoldaten, sexueller Nötigung einer Zwölfjährigen und Sachbeschädigung in der Untersuchungshaft verantworten.

418 junge Intensivtäter stehen mittlerweile auf der Liste der Staatsanwaltschaft – Tendenz steigend. Ken M. ist der einzige, der zum Mörder geworden sein soll, ein Einzelfall, hieß es bei der Justiz. Nach dem Mord hatte die Justizsenatorin eine engere Zusammenarbeit mit den Jugendämtern angekündigt, eine Kommission aus Justiz, Jugendämtern und Jugendrichter soll sich seitdem mehrfach mit dem Fall Ken M. beschäftigt haben. Früher hinsehen, ist eines der Ergebnisse. Die vor gut zwei Jahren gegründete Intensivtäterabteilung „betreut“ deshalb auch Kinder.

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