zum Hauptinhalt
Während Claudia Sünder im Urlaub weilt, wird in Berlin gegen ihren Kritiker ermittelt.

© Paul Zinken/dpa

Vorwürfe gegen Claudia Sünder: Senatssprecherin äußert sich zu ihrer Vita

Ein Berliner Autor wirft der Senatssprecherin Unkorrektheiten in ihrer Biographie vor. Mit dem Tagesspiegel spricht sie über ihre Laufbahn.

Frau Sünder, haben Sie wissentlich in Ihrer Biografie getäuscht?

Nein, warum sollte ich? Es gibt absolut nichts in meiner Biografie, wofür ich mich zu schämen bräuchte.

Der Autor Hans-Joachim Lehmann hat über Sie ein Dossier verfasst. Nun gab es eine Hausdurchsuchung bei ihm. Soll einer Ihrer Kritiker eingeschüchtert werden?

Die Staatsanwaltschaft hat im Rahmen ihrer professionellen Arbeit eine Hausdurchsuchung für angezeigt gehalten. Darauf habe ich keinen Einfluss und es steht mir auch nicht zu, das zu bewerten.

Lehmann fragt, wie Sie als 19-Jährige aus Boltenhagen nach Ost-Berlin kamen und gleich Redakteurin bei der gelenkten DDR-Presse wurden. Andere brauchten dafür mindestens ein Journalistik-Studium.

Ich habe nie behauptet, gleich Redakteurin gewesen zu sein. Mein Ziel war ein Journalistik-Studium. Dafür war es in der DDR zwingend erforderlich, zunächst ein einjähriges Volontariat in einem Verlag oder einer Zeitung zu absolvieren. Ich habe mein Volontariat beim „Pressedienst Berlin“ absolviert. Es umfasste unterschiedliche Kurse und Einsätze – von Stenografie über Maschineschreiben, dem Einsatz in einer Druckerei am Bleisatz bis zum Nachrichtendienst. Als dann nach erfolgreichem Ende meines Volontariats die Entscheidung des Betriebs über eine sogenannte „Delegation“ zum Studium anstand, wurde mir mitgeteilt, ich sei „politisch nicht zuverlässig genug“ dafür. Diese Äußerung vergesse ich nie.

Trotzdem blieben Sie DDR-Journalistin?

Man bot mir statt des Studiums eine redaktionelle Tätigkeit an und kündigte an, mich nächstmöglich für ein Fernstudium anzumelden. So erhielt ich einen Arbeitsvertrag im „Pressedienst Berlin“. Noch vor Beginn eines Fernstudiums fiel die Mauer, und ich begann ein Studium an der Freien Universität im Westen Berlins.

Über den „Pressedienst Berlin“ ist so gut wie nichts bekannt. Nach Ihrer Darstellung hat er im Verlag der „National-Zeitung“ die Seiten für Regionalzeitungen gestaltet. Die „National-Zeitung“ gehörte zur Blockpartei NDPD. Was taten Sie dort?

Richtig und nachlesbar ist, dass alle Parteien in der DDR ihre Publikationen und Zeitungen herausbrachten. So auch die NDPD als eine der Blockparteien. Es gab das Zentralorgan, die „National-Zeitung“, und es gab fünf Bezirksausgaben, die Norddeutschen, Mitteldeutschen, Thüringischen, Sächsischen und Brandenburgischen Neuesten Nachrichten. Der Mantel der Regionalausgaben wurde vor Ort gestaltet, aber thematische Innenseiten wie Kultur oder Wissenschaft erstellte der Pressedienst zentral in Berlin. Nach dem Volontariat und mit dem folgenden Arbeitsvertrag erhielt ich die Verantwortung für die Seite „Familie/Freizeit/Soziales“. Meine erste selbst gestaltete Seite besitze ich noch. Sie ist mehr als 25 Jahre alt und vergilbt, aber sie bedeutet mir etwas.

Gehörte der „Pressedienst Berlin“ zur amtlichen DDR-Nachrichtenagentur ADN?

Nein. Er gehörte zum „Verlag National-Zeitung“, dem NDPD-Dach für die „National-Zeitung“ und den Pressedienst mit damaligem Sitz in der Prenzlauer Allee.

In einer Ihrer Vitas schreiben Sie, Sie seien eher oppositionell geprägt gewesen. Welchen Preis mussten Sie zahlen, um die Stelle beim Pressedienst zu bekommen?

Ich würde nie behaupten, in der ersten Reihe der Opposition gestanden zu haben. So mutig war ich nicht. Als die Mauer fiel, war ich 19. Bis dahin hatte man aus meinem Familien- und Bekanntenkreis Menschen wegen versuchter Republikflucht inhaftiert, meine Post in meiner vierjährigen Internatszeit geöffnet, mir das Direktstudium verweigert. Das ist wenig im Vergleich zu dem, was mutigere Menschen erduldeten. Aber es hat gereicht, um sich Gedanken zu machen – über Freiheit, über Wahrheit und Politik.

Noch einmal: Welchen Preis mussten Sie für Ihren journalistischen Start zahlen?

Ich hätte lieber über mein Studium frei entschieden, als von der Entscheidung anderer abhängig zu sein, ob ich hierfür „politisch zuverlässig“ sei. Und so war mir der Start ja auch deutlich erschwert. Falls Ihre Frage auf eine etwaige Stasi-Verpflichtung zielt: nein. Für das Volontariat habe ich mich allein mit meinem zum Glück guten Abitur beworben. Vielleicht spielte auch eine Rolle, dass ich eine Schule mit erweitertem neusprachlichem Unterricht besucht hatte. Auch hier taugt meine Vita nicht zur Legendenbildung.

Waren Sie Mitglied einer Partei oder staatlichen Organisation in der DDR?

So eine Frage ist, ähnlich wie die nach einer Schwangerschaft, in keinem Bewerbungsgespräch zulässig. Allerdings bin ich auch hier sehr mit mir im Reinen: Wie Tausende anderer Kinder in der DDR war ich Mitglied in der Pionier- und FDJ-Organisation. 1996 wurde ich dann Mitglied der SPD – dieser Zustand hält an.

Nach dem Umbruch haben Sie, laut Ihren Lebensläufen, die „Könnecke Immobilien GmbH“ geleitet. Lehmann zweifelt auch hier. Haben Sie Ihren Lebenslauf geschönt?

Da ist nichts zu beschönigen. Nach dem Tod meiner Schwester und meines Vaters zog ich für kurze Zeit zurück an die Ostsee, mein Studium litt etwas, aber Familie war wichtiger. Und untätig wollte ich nicht sein. Die „Könnecke Immobilien- und Verwaltungsgesellschaft mbH“ mit Sitz in Glinde unterhielt eine Filiale im Ostseebad Boltenhagen, die vorrangig über 200 Ferienwohnungen mit 1000 Betten verwaltete und vermietete. Diese Geschäftsprozesse hatte ich vor Ort in Boltenhagen zu verantworten. Außer mir arbeiteten in der Filiale nur noch drei Office-Mitarbeiterinnen, zwei Hausmeister und je nach Saison drei oder mehr Reinigungskräfte sowie in Hauptzeiten weitere Aushilfskräfte. Die Arbeitspläne und Einsätze der Mitarbeiter wurden von mir erstellt, mir oblag die Kontrolle und die Verantwortung und ich war gegenüber allen Mitarbeitern weisungsbefugt.

Das Pamphlet über Sie beschäftigt seit Wochen Anwälte der Senatskanzlei und von Ihnen. Wie erleben Sie diese Zeit?

Ich neige nicht zum Jammern, aber es lässt mich nicht kalt. Wie kann jemand, der mich nicht kennt und nie mit mir gesprochen hat, in dieser Weise über mein Leben öffentlich urteilen? Und warum tut er es? Weshalb kann dieser Herr L. durch sein Pamphlet bewirken, dass ich mich für mein Leben verantworten muss? Warum ist seine Glaubwürdigkeit automatisch höher als meine? Das ist mein Leben – da bin ich emotional. Die Rechtslage sagt, er darf mich diskreditieren, weil ich als Senatssprecherin eine öffentliche Person bin. Das trifft mich auch.

Claudia Sünder, 48, ist seit Anfang 2017 Sprecherin des Senats. Sie geht gegen ein Dossier des Autors Hans-Joachim Lehmann zu ihrer Biografie vor. Derzeit weilt sie im Urlaub in Afrika.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false