zum Hauptinhalt
Studenten beraten an der Code-University am Görlitzer Park in Alt-Treptow. 

© Carina König/Code University

Code-University: Mehr Start-up-Gründungen als Abschlüsse

Eine private Fachhochschule in Berlin versteht sich als Gründeruniversität. Seither hat sie 30 Start-ups hervorgebracht. Eines davon wurde schon verkauft. Einen Teil des Gewinns geben die Studierenden zurück.

Der Mangel an IT-Fachkräften ist ein Dauerproblem. Im Vorjahr ist die Zahl offener Stellen für IT-Expertinnen und -Experten laut dem Branchenverband Bitkom sogar noch weiter auf 96 000 gestiegen. Zwar verlassen kontinuierlich jedes Jahr mehr Studierende mit einem Abschluss in Informatik die Hochschulen, doch die gut 15 000 Absolventen können die Lücke nur bedingt füllen.

Und es gibt für Unternehmen auf Programmierersuche noch ein weiteres Problem. „Wenn man einen guten Abschluss in Informatik hat, bedeutet das recht selten, dass man auch ein guter Softwareentwickler ist“, sagt Thomas Bachem, der einst das Videoportal Sevenload mitgegründet und später an Burda verkauft hat. Gemischte Erfahrungen hat auch E-Commerce-Pionier Stephan Schambach gemacht, wenn er Informatik-Absolventen eingestellt hat. „Die Studenten lernen viel Mathematik und kaum zu coden, vor allem aber nicht, wie man im Team arbeitet“, sagt Schambach, Gründer von Firmen wie Intershop, NewStore und Demandware. Letztere verkaufte er für 2,8 Milliarden Dollar an Salesforce.

Um die Ausbildung praxisorientierter zu gestalten, gründete Bachem die Code- University of Appplied Sciences. 2017 nahm die Privathochschule in Berlin-Alt-Treptow am Görlitzer Park den Betrieb auf. Sie bietet drei Bachelor-Studiengänge: Softwareentwicklung, Interaktionsdesign und Produktmanagement. Die Studierenden lernen jedoch Grundlagen in allen Bereichen und arbeiten auch oft interdisziplinär in Teams zusammen. Zudem fördert die Uni auch das Unternehmertum und lockt Menschen, die gern selbst Firmen gründen möchten.

Schon mehr als 30 Start-ups gegründet

Inzwischen haben die ersten der mittlerweile rund 600 Studentinnen und Studenten ihr Studium beendet. „Es wurden allerdings sogar noch mehr Start-ups von den Studierenden gegründet, als wir Abschlüsse vergeben haben“, sagt Bachem. Mehr als 30 Jungunternehmen hat die Fachhochschule bisher hervorgebracht. So zum Beispiel Superchat, eine Plattform, die verschiedene Kommunikationskanäle für Unternehmen bündelt oder das auf die Studienfinanzierung in den USA fokussierte Fintech Blair. Laut Bachem haben alle Start-ups der Code-Studenten zusammen mehr als 20 Millionen Euro Wagniskapital erhalten und wurden dabei von den Investoren mit mehr als 100 Millionen Euro bewertet.

Mit Certus One wurde die erste Firma der Code University sogar schon wieder verkauft. Das Blockchain-Start-up wurde von Jump Trading gekauft, einem Spezialisten für Hochfrequenzhandel aus Chicago. Die relativ verschlossene Firma ist im Vorjahr mit dem Ableger Jump Crypto auch in den boomenden Handel mit Kryptowährungen eingestiegen und sicherte sich dafür auch das Know-How und die Entwicklungen der Certus-One-Gründer Hendrik Hofstadt und Valentin von Albrecht.

„Wir haben uns an der Code kennen gelernt und dann zusammengetan“, sagt Hofstadt. Beim Aufbau des Start-ups sei die Code-University in verschiedener Weise hilfreich gewesen. „Wir konnten auch die Räume nutzen, beispielsweise für Meetings“, sagt der 23-Jährige. Eigentlich hätte sein Abschluss jetzt auch schon angestanden, doch er war zu sehr auf das Unternehmen fokussiert. Die Bachelor-Arbeit fehlt daher noch.

Dabei versucht die Uni die unternehmerischen Aktivitäten ihrer Studenten nach Kräften zu fördern. „Man kann sich auch Dinge aus der Praxis anrechnen lassen“, sagt von Albrecht. Er hatte eigentlich an der TU München angefangen, Informatik zu studieren. Doch der Fokus auf das Unternehmertum gefiel ihm besser und so wechselte er nach Berlin. Woanders hätte er ohne die Freiheiten wahrscheinlich erst zwei, drei Jahre später eine Firma gegründet. Dafür aber womöglich das Studium beendet, das ist für ihn trotz der Freiheiten jetzt kein Thema. „Ich strebe keinen Abschluss mehr an“, sagt von Albrecht.

Bekannte Unternehmer unterstützen die Fachhochschule

Er wolle aber trotzdem gern weiter Teil der Community sein. Daher stecken die beiden Gründer einen Teil des Erlöses aus dem Verkauf des Start-ups nun auch wieder in die Uni. „Uns hat sie sehr geholfen und mit dem Investment wollen wir helfen, dass für die nächste Generation weiterzuentwickeln“, sagt von Albrecht.

Auch Softwareunternehmer Schambach und Dirk Graber, Chef des Brillenhändlers Mr. Spex, stecken Geld in die Code-University und werden Gesellschafter in der Trägergesellschaft der Hochschule. Seit der Gründung wird sie von bekannten Digitalunternehmerinnen und Unternehmern wie Rolf Schrömgens (Trivago), Verena Pausder (Fox & Sheep), Rafael Laguna (Open-Xchange, jetzt SprinD) oder Christian Vollmann (Nebenan.de) unterstützt.

Studium kostet 33.000 Euro

Insgesamt erhält diese nun noch einmal einen einstelligen Millionenbetrag. Den benötigt die Universität auch, denn obwohl das inhaltliche Konzept aufgeht, gibt es im Budget eine Lücke. „Es ist schwer, eine private Hochschule finanziell tragend zu gestalten, jedenfalls wenn man auch eine bestimmte Qualität liefern will“, sagt Bachem. Dabei kostet ein Bachelor-Studium derzeit fast 33.000 Euro – unabhängig von der Dauer des Studiums. Doch einen Teil der Einnahmen erhält die Code-University erst in einigen Jahren. Denn es gibt auch die Option, die Gebühren nachträglich zu zahlen. Dann werden über acht Jahre 13,5 Prozent des Vor-Steuer-Einkommens fällig, sofern dies über 27.000 Euro liegt. Auch nach oben gibt es dabei eine Deckelung. Perspektivisch schwebt Bachem für die Hochschule eine Stiftungskonstruktion vor, auch Alumni könnten sich daran beteiligen. Und andererseits überlegt er auch, wie die Hochschule systematischer am unternehmerischen Erfolg der Studenten partizipieren kann. „Ein Ziel für die Zukunft ist ein eigener Fonds, um sich an den Start-ups zu beteiligen“, sagt Bachem.

Dabei ist ihm allerdings auch klar, dass die derzeitige Situation für Start-ups auch nicht von Dauer sein muss. Allein im ersten Halbjahr 2021 hatten Berliner Jungunternehmen 4,1 Milliarden Euro von Investoren erhalten, mehr als dreimal soviel wie im Vorjahreszeitraum. „Es ist verrückt, was es derzeit an Finanzierungsrunden gibt“, sagt Bachem, der inzwischen seit mehr als 15 Jahren in der Start-up-Szene aktiv ist. „Nehmt, was ihr könnt, die Zeiten sind alles andere als normal“, rät er daher seinen Studierenden. Dabei komme sich der 36-jährige vor, wie ein Opa, der vom Krieg erzählt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false