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Stufe für Stufe. So soll die Treppe am Großen Cottbuser Spreewehr aussehen.

© Simulation: Promo

Artenschutz in Brandenburg: Cottbus baut eine Treppe für Fische

Die kreisfreie Stadt will Fischen die Wanderung erleichtern. Manche kritisieren das Vorhaben.

Von Sandra Dassler

„Sie sind nicht die Erste, die fragt“, sagt Jan Gloßmann, Sprecher der Stadt Cottbus: „Aber wir haben mit dem sogenannten Treppenwitz wirklich nichts zu tun. Unsere Forderung, dass die Anlage nicht die Landschaft und die Sicht an der denkmalgeschützten Spreewehrmühle verschandeln darf, wurde berücksichtigt.“ Natürlich gebe es Dinge, die manchem wichtiger erscheinen als Fische, fügt er hinzu: „Aber in diesem Fall sind die Fördermittel zweckgebunden. Man kann damit eben keine Kitas bauen.“

Genau das fordern die Kritiker am Bau einer Fischtreppe am Großen Cottbuser Spreewehr mit der historischen Gaststätte Spreewehrmühle. Dort herrscht ein reges Kommen und Gehen, Paddeln und Radeln. Nur die Fische kommen hier schon lange nicht mehr durch. Und weil das nicht nur in Cottbus und nicht nur an der Spree, sondern an den meisten europäischen Flüssen der Fall ist, sind viele Fischarten dezimiert worden oder gar ganz verschwunden. Genauer gesagt: jene Arten, die wandern müssen, um überleben zu können. So zieht der Lachs zum Laichen vom Meer zurück in die oberen Flussgebiete, weil seine Brut einen bestimmten Sauerstoffgehalt und eine ausreichende Fließgeschwindigkeit benötigt. Der Aal wiederum muss vom Süßwasser ins Salzwasser schwimmen, um Nachwuchs zu bekommen.

Die EU will Flüsse wieder durchlässiger machen

Doch Meer und obere Flussgebiete nahe der Quellen sind seit langer Zeit für die Fische nicht mehr oder nur mit großen Schwierigkeiten zu erreichen. Der Mensch hat die natürlichen Flussläufe oft zu Wasserstraßen mit Staustufen, Wehren, Schleusen und Wasserkraftwerken umgewandelt. Deshalb hat sich die Europäische Union zum Ziel gesetzt, die Flüsse wieder durchlässiger zu machen und das als ein unabdingbares Kriterium in die sogenannte Wasserrahmenrichtlinie aufgenommen. Deutschland ist verpflichtet, die Richtlinie umzusetzen, sagt der Abteilungsleiter für Wasser- und Bodenschutz im brandenburgischen Umweltministerium, Kurt Augustin.

Dafür gibt es auch Fördergelder. So sind für den Bau der Fischtreppe am Großen Spreewehr in Cottbus 3,2 Millionen Euro eingeplant. 75 Prozent davon kommen von der EU, die restlichen 25 Prozent zahlt zu 60 Prozent der Bund und zu 40 Prozent das Land.

Die Treppe soll in der Landschaft kaum auffallen

Bis zu 1,60 lange Welse sollen die neue Fischtreppe – eine alte funktioniert seit vielen Jahren nicht mehr – nach Fertigstellung im Jahr 2020 passieren können. Sie werden dabei einen Höhenunterschied von 2,80 Metern überwinden, nicht auf einmal, sondern immer nur in Stufen von zehn Zentimetern. Das ermöglichen 27 Becken, die – damit auch große Fische einen gehörigen Anlauf nehmen können – 4,80 Meter lang und 3,60 Meter breit sein werden. Insgesamt ist die Fischtreppe dann 150 Meter lang, wird aber in der Landschaft kaum sichtbar sein. Genau das war die Forderung der Stadt Cottbus, was die Kosten ein wenig erhöhte. Vor allem heimische Firmen profitieren von dem jetzt gestarteten Bauvorhaben.

Kritik kommt von Radlern, Paddlern und aus der Politik

Dennoch gab und gibt es dagegen eine Menge Widerstand. Paddler und Radfahrer befürchten Einschränkungen während der Bauarbeiten. Kommunal- und Landespolitiker bezweifeln den Sinn des Vorhabens. Vor allem, weil die Fische dann zwar das Große Spreewehr überwinden könnten, aber nur wenige Kilometer flussaufwärts auf die nächsten kleineren Wehre und Hindernisse stoßen würden.

Spätestens an der großen Talsperre Spremberg kurz vor der Grenze zu Sachsen ist für die Fische Schluss. „Die Staumauer bildet ein unüberwindbares Hindernis“, sagt der Cottbuser CDU-Stadtverordnete Wolfgang Bialas: „Dafür, dass die Fische nur ein paar Kilometer weiter schwimmen können, so viel Geld auszugeben, ist Verschwendung.“ Sein Parteifreund. der Landtagsabgeordnete Michael Schierack, wird sogar mit den Worten zitiert, es handele sich bei dem Vorhaben um einen Treppenwitz.

Über weitere Projekte wird schon nachgedacht

Grüne Politiker und Umweltaktivisten können darüber nicht lachen. Sie verweisen darauf, dass nach und nach alle Flüsse in Deutschland wieder für Fische durchlässig werden sollen, auch wenn es anderswo ähnliche Bedenken gibt wie in Cottbus. Irgendwann müsse man ja mal anfangen, argumentieren sie.

Kurt Augustin aus dem Umweltministerium sagt, dass es für die Fische schon einen Vorteil bringt, „nur“ das eine Wehr zu überwinden: „Sie können sich dann wieder mit anderen Artgenossen vermischen.“ Außerdem gebe es für die flussaufwärts gelegenen kleineren Wehre auch schon Planungen, und selbst für den Spremberger Stausee denke man über ein sogenanntes Umlaufgerinne beziehungsweise sogar einen Fischlift nach. Hinter einer Scheibe könne man dann die wandernden Fische beobachten, was durchaus touristische Anziehungskraft hätte.

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