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Tod in Manila. Ein Rizal-Denkmal in der philippinischen Hauptstadt. F.: Imago/Xinhua

© IMAGO

Berlin: Das Haus des Helden

Eine neue Bibliothek erinnert an den philippinischen Nationaldichter Rizal und sein Wirken in Berlin

Kugeln durchschlagen den Körper, tödlich getroffen sinkt der Dichter zu Boden. Doch das Exekutionskommando der Spanier mag den Kopf der antikolonialen Bewegung ausgelöscht haben, der Gedanke der Freiheit ist nicht auszumerzen: Zwei Jahre nach jenem 30. Dezember 1896, an dem der Arzt, Autor und Patriot José Rizal in Manila hingerichtet wurde, müssen die Spanier die Philippinen verlassen.

Die Exekution ist der dramatische Höhepunkt eines kleinen Comicstrips, der dieser zentralen Stunde der philippinischen Geschichte gewidmet ist und in der neuen Rizal-Bibliothek zu sehen ist. Am Montagabend wurde sie von der Botschafterin des südostasiatischen Inselstaates, Delia Domingo Albert, in der Uhlandstraße 97 eröffnet. Dort, im sechsten Stock eines Bürohauses, befindet sich der Sitz der Botschaft, die nun über eine Sammlung von Büchern, Zeitungsausschnitten, Gemälden, Fotos und anderen Memorabilien zu José Rizal verfügt. Es ist eine bescheidene, aber ausbaufähige Kollektion, und dass sie gerade in Berlin aufgebaut wird liegt auch daran, dass die Stadt im Leben des auf den Philippinen fast kultisch verehrten Rizal eine besondere Rolle einnahm: Hier lebte er vom 1. November 1896 bis zum 11. Mai 1897, erst im Central-Hotel, Friedrichstraße 143–149, dann privat in der Jägerstraße 71, Ecke Glinkastraße in Mitte. Er bildete sich weiter, war mit Rudolf Virchow befreundet, hatte die Stadt so ins Herz geschlossen, dass er dem einstigen Museum für Völkerkunde später aus London eine Kiste mit ethnografischen Raritäten seines Landes schickte. Sie sind größtenteils in Dahlem noch erhalten. Vor allem aber vollendete Rizal in der Jägerstraße seinen von „Onkel Toms Hütte“ inspirierten, teilweise autobiografischen Roman „Noli me tangere“, der als Nationalepos der Philippinen gilt und zuerst in Berlin gedruckt wurde: Ende März 1887 lieferte die Berliner Buchdruckerei Actiengesellschaft die bestellten 2000 Exemplare des auf Spanisch verfassten Romans aus.

Das Haus gibt es noch immer. 1978 wurde dort eine Gedenktafel angebracht, die Rizal im Stil der Zeit als „Held des Befreiungskampfes des philippinischen Volkes“ pries, später ergänzt um ein Bronzerelief. Beide wurden nach der Wende entfernt, der Kopf blieb verschwunden, die Tafel aber hat ihren Weg in die Sammlung der Botschaft gefunden. Auf deren Veranlassung hin wurde 2005 eine neue Tafel angebracht, die den Freiheitshelden zutreffend als Vertreter eines gewaltlosen Widerstandes gegen die Spanier würdigt.

Zur Sammlung der Botschaft gehört ein Gemälde, das den Kopf des Nationalhelden vor seinem einstigen Wohnhaus in der Jägerstraße zeigt. Es ist quasi die Illustration des Traums der Botschafterin, den sie schon einige Jahre vergeblich verfolgt. Die Wilmersdorfer Büroetage mag ihren Zweck erfüllen, repräsentativ ist sie nicht, vom mangelnden historischem Ambiente ganz zu schweigen. Auch das Haus in der Jägerstraße ist nicht kein architektonisches Schmuckstück, als Ort, an dem sich deutsche und philippinische Geschichte trafen, aber von unschätzbarem Wert. Für Delia Domingo Albert wäre es das ideale Botschaftsgebäude, auch die Regierung in Manila ist einverstanden und am Geld würde es nicht scheitern. Leider sind die Eigentumsverhältnisse der Immobilie Gegenstand eines sich hinschleppenden Rechtsstreits zwischen einem Ehepaar und der bundeseigenen, einst als Treuhandtochter gegründeten TLG Immobilien GmbH. An einen Kauf ist vorerst nicht zu denken. Egal, die Botschafterin gibt nicht auf. Andreas Conrad

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