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Berlin: Das ist ein Schildbürgerstreich (Kommentar)

Ein Museum, das noch keines ist und dennoch zum Publikumsmagneten geworden ist - dieses Kunststück hat die leere Hülle des jüdischen Museums geschafft. In zehn Monaten haben nahezu 100 000 Besucher das Bauwerk besucht, das wie ein zerbrochener Davidstern wirkt.

Ein Museum, das noch keines ist und dennoch zum Publikumsmagneten geworden ist - dieses Kunststück hat die leere Hülle des jüdischen Museums geschafft. In zehn Monaten haben nahezu 100 000 Besucher das Bauwerk besucht, das wie ein zerbrochener Davidstern wirkt. Das wird manche bestärken, die die Gedankenarchitektur des Liebeskind-Baues preisen und seine Eignung als Museum rundweg bezweifeln. Das riesige Interesse für das verwinkelte Gebäude aber lässt es umso grotesker erscheinen, dass die Eröffnung sich weiter verzögern wird. Erst sollte das größte jüdische Museum Europas im Oktober kommenden Jahr eröffnet werden, jetzt wird von 2001 geredet. Ein konkretes Eröffnungsdatum aber ist immer noch nicht abzusehen. Statt dessen droht erst einmal eine Steigerung der Kosten, ohne dass klar wäre, woher das Geld dafür kommen soll. Zunächst soll eine leistungsfähigere Klimaanlage eingebaut werden, die den erwarteten 500 000 Besuchern im Jahr gewachsen ist. Kräftig investiert werden muss wohl auch in die Lichtanlage und die Austellungstechnik, heißt es.

Das hört sich angesichts eines Bauwerks, das von vornherein als Museum konzipiert wurde, wie ein Schildbürgerstreich an - und das ist es auch. Damit setzt sich freilich nur jene Wurstelei fort, die seit der Grundsteinlegung das Haus mit den Lochblenden und der Blechfassade begleitet. Schon beim ersten Spatenstich für den 120 Millionen Mark teuren Bau war klar, dass es angesichts der Hauptstadtentwicklung nicht bei dem ursprünglich geplanten Status einer unselbstständigen Abteilung des Stadtmuseums bleiben konnte. Dennoch zog sich die Auseinandersetzung um die Zuordnung jahrelang auf einer beschämend provinziellen Ebene hin, bis der frühere US-Finanzminister Michael Blumenthal den Knoten zerschlagen konnte.

Jetzt wird offenbar, dass dies nur die halbe Lösung war. Der Senat hat die Risikofinanzierung zu verantworten, bei der die Baukosten heruntergerechnet wurden, bis nur die bloße Hülle übrig blieb. Es wurde kein Geld für eine ausreichend dimensionierte Museumstechnik eingeplant, und auch die Mittel für die Ausstellungsobjekte für das nun anvisierte aufwendige "Hightech- und Multimedia-Museum" sind nicht gesichert. Wenn nun hinter vorgehaltener Hand der Museumsdirektor Blumenthal für angeblich überzogene Nachrüstungforderungen verantwortlich gemacht wird, soll dies offenbar von Versäumnissen der Berliner Politik ablenken.

Der Senat darf sich beim feinfühligen Diplomaten Blumenthal bedanken, dass es nicht längst zum öffentlichen Eklat gekommen ist. Ende Januar 2000 soll der Grundstein für das Holocaust-Museum gelegt werden. Dann wird auch die Bedeutung des jüdischen Museums in der Stadt beleuchtet werden, in der die Nazis den Massenmord planten. Ein Bekenntnis zum Museum setzt voraus, sich von der unwürdigen Posse einer Häppchenfinanzierung zu verabschieden. Eine Mogelpackung namens Jüdisches Museum kann Berlin sich nicht leisten.

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