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Stadtrat Oliver Schworck und Bildungssenatorin Sandra Scheeres lassen sich von Rektorin Nana Salzmann ihr Konzept erklären.

© Monika Skolimowska/dpa

Berliner Spreewald-Schule: „Das mit der Gewalt stimmt nicht“

Im vergangenen Jahr wurde der Wachschutz an die Grundschule gerufen. Und nun? Alles paletti. An Gewaltvorfälle scheint sich niemand mehr so recht zu erinnern.

Ja, es gab Gänsehautmomente an diesem Morgen in der einst negativ konnotierten „Wachschutz-Schule“ am Schöneberger Sozialpalast. Der schönste vielleicht: Als die Sechstklässler sangen „Wir gehen den Weg Seite an Seite ein Leben lang für immer“. Wer dabei noch in die konzentrierten und rührend offenen Gesichter der Kinder sah, konnte eigentlich nur eines: Sich freuen über eine Schule in einem schwierigen Kiez, die eine derartige Atmosphäre zustande bringt.

Es gab aber auch Momente zum Stutzen. Als etwa die neue Schulleiterin Nana Salzmann auf die Frage nach Gewaltvorfällen sagte, sie könne das nicht beurteilen: „Ich habe es so nicht vorgefunden.“

Aber genau dafür war der Termin gedacht, zu dem die Bildungsverwaltung in die Spreewald-Schule eingeladen hatte: Zeigen, dass man die Vergangenheit überwunden und sich „auf den Weg gemacht hat“, wie es zur Einstimmung hieß. Und zeigen wollte das gern Bildungssenatorin Sandra Scheeres höchstpersönlich, nachdem es im vergangenen Jahr immer die Aufgabe ihres Staatssekretärs Mark Rackles (beide SPD) gewesen war, die Krisen zu verwalten, von denen es hier genügend gab. Nun aber scheint alles paletti. Und wie ging das?

Bevor es ans Erklären geht, gibt es erstmal einen Rundgang zum neuen „Tonstudio“: Scheeres darf es einweihen. Drinnen präsentieren Enis, 11, Mehmet, 10, und Muhammed, 11, ihren neuen Rap, der von ihrer Liebe zum Fußball handelt und davon, dass es „viel zu tun gibt“. Noch so ein guter Moment, denn es ist nicht nur so, dass die Schüler sich voll ins Zeug legen, sondern man merkt auch ihren Erziehern ihr Engagement an. Das kleine Tonstudio im zweiten Stock konnte mit Geldern aus dem Bonusprogramm finanziert werden.

Dann aber wird’s ernst. Wie ist denn nun die Wandlung zu erklären, die da gerade vorgeführt wird, soll die Schulleiterin erzählen.

Hausverbot für Eltern, die sich nicht an die Regeln halten

Salzmann verteilt an die geladenen Medienvertreter eine „Vereinbarung zur Konfliktlösung“. Dort ist zu lesen, dass Eltern sich verpflichten sollen, ihre Konflikte „nicht selbst in oder vor der Schule zu klären“. Wer sich nicht daran hält, muss „im äußersten Fall“ mit einem Hausverbot rechnen, steht in dem in vier Sprachen übersetzten Vordruck, den die Eltern unterschreiben sollen.

Außerdem berichtet Salzmann, dass sie morgens früh die Schüler an der Tür mit einem „Guten Morgen“ begrüßt  – diese Art Ansprache werde wertgeschätzt. Und sie erzählt auch vom Konfliktlotsenteam und dem Theaterschwerpunkt, wobei beides nicht neu ist: Der Theaterschwerpunkt gehört seit langem zur Spreewald-Schule und die Konfliktlotsen wurden – ebenso wie der Klassenrat – von Salzmanns Vorgängerin Doris Unzeitig auf den Weg gebracht. Es muss also etwas anderes sein, was hier wirkt. Aber was?

Salzmann sagt, dass sie ja von einer Nachbarschule komme – gleicher Kiez, gleiche Klientel. Da war sie Konrektorin. Sie wusste von Anfang an, was sie erwartet, wusste, wie die Eltern und Schüler hier angesprochen werden wollen. Unzeitig hingegen kam vom österreichischen Land, hatte komplett andere Erfahrungen. Die „Chemie“ habe nicht gestimmt, lautet eine weitere Vermutung. Ist es das? Was berichtet denn nun die neue Elternvertretung?

„Ich weiß nicht, warum die ehemalige Schulleiterin von Gewalt gesprochen hat“, sagt Aslan Sali, der Vorsitzende der Gesamtelternkonferenz. „Das mit der Gewalt stimmt nicht.“ Aber die langjährige Gesamtelternvertreterin Hadia Mir, hatte doch stets Salzmanns Vorgängerin Doris Unzeitig dabei unterstützt, wegen der Gewaltvorfälle den Wachschutz zu fordern. „Ich habe Frau Mir nie gesehen“, lautet die knappe Antwort Salis.

Hadia Mir fällt aus allen Wolken, als sie mittags erfährt, was ihr Nachfolger berichtet hat. Sie erinnert daran, dass sich noch 2018 „permanent Eltern im Schulhaus vor den Klassen beschimpft“ hätten. Sie seien „auf Lehrer und Schüler losgegangen“. Ein Vater habe wegen eines angeblich Mobbingvorfalls „einen Schüler verprügelt“. Nachdem sie vier Jahre lang Elternvertreterin war, verstehe sie nicht, „wie neue Eltern solche Behauptungen aufstellen können“. Vor allem aber ärgert sie, dass nun schnell vergessen zu werden scheine, wie die Diskussion über die Gewalt an der Schule angefangen hatte.

Öffentliches Drängen hatte Erfolg

Tatsächlich hatten Vertreter der Schule die Probleme erst dann bekannt gemacht, als Unzeitig vergeblich erfolglos versucht hatte, Unterstützung bei der Sicherung der Schule und des Geländes zu bekommen: Die Schließanlage funktionierte nicht und das ebenso weitläufige wie überwucherte Grundstück war und ist unübersichtlich: Schulfremde campieren dort. Hinzu kamen die Übergriffe der Eltern. Daher wollte sie – nach Neuköllner Vorbild – einen Wachschutz. Aber das Bezirksamt weigerte sich. Unzeitig fühlte sich damit ebenso alleingelassen wie mit dem baufälligen Hort: Die Schüler müssen seit einem Jahr in einem Durchgang essen.

Am Ende hatte ihr – öffentliches – Drängen Erfolg: Der Wachschutz kam, und der Hort soll ab Sommer wieder nutzbar sein, verkündet Bildungsstadtrat Oliver Schworck (SPD). Es wurden auch Büsche gerodet, und als nächstes soll ein 1,80 Meter hoher Zaun kommen. Dann werde man sehen, ob der Wachschutz noch nötig sei, stellt Schworck in Aussicht.

Die grüne Schulausschussvorsitzende im Bezirk, Martina Zander-Rade, hatte sich mitunter für Unzeitig eingesetzt, wenn sie sich wieder einmal von der Verwaltung im Stich gelassen fühlte. Am Mittwoch sagte sie, dass die Schule jetzt „von vielen Dingen profitiert, die Frau Unzeitig initiiert hat“.

Wer wissen will, wie sich die nach Österreich zurückgekehrte Unzeitig an Berlins Bildungsbehörden erinnert, kann das in deren Buch „Eine Lehrerin sieht rot“, nachlesen, das im Juni erscheinen soll

"Mini-Machos, Gewalt und Politikversagen in der Schule", lautet der Untertitel des geplanten Buches der ehemaligen Spreewald-Schulleiterin Doris Unzeitig.

© promo

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