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Der von 2013 bis 2020 errichtete Neubau des Berliner Schlosses. Er beherbergt das Humboldt Forum, in dem vor allem Artefakte der außereuropäischen Kultur gezeigt werden.

© Kitty Kleist-Heinrich

Das neue Museum im Berliner Schloss: Ex-Mitarbeiter werfen dem Humboldt Forum Rassismus vor

Das Humboldt Forum schult Service-Personal für den Vollbetrieb mit Publikum. Dabei sollen sich abenteuerliche Szenen abgespielt haben.

Berlins Stadtschloss ist fertig, seine hellen Fassaden strahlen in der Frühlingssonne. Glaubt man ehemaligen Mitarbeiter:innen des Humboldt Forums, das in diesem Bau eröffnen soll, geht es hinter den Mauern drunter und drüber. „Ich habe noch nie an einem Ort gearbeitet, an dem mir so viel Angst begegnet ist“, sagt Emma Dickinson (Name geändert). Knapp drei Monate lang arbeitete sie für die Humboldt Forum Service GmbH, der für den Besucherservice zuständigen Stiftungstochter.

Eigentlich sollte Dickinson im Museum für Fragen bereitstehen, Einlasskontrollen durchführen und Audioguides verteilen. Vor allem auf die Ausstellungsstücke sei sie sehr gespannt gewesen – auch deshalb, weil ihre Familie westafrikanische Wurzeln hat. Die Debatten zum Thema Restitution verfolge sie schon lange, sagt Dickinson.

Stattdessen habe sie in ihren knapp drei Monaten als Angestellte vor allem leere Räume kontrolliert: „Du stehst Ewigkeiten rum und sollst etwas bewachen, wo es nichts zu bewachen gibt.“ Während der bis zu sechs Stunden langen Schichten habe sie weder sitzen noch lesen dürfen. Mit sinnlosen Verboten seien die Mitarbeiter:innen schikaniert worden. „Teilweise wurde ich für Räume eingeteilt, aus denen ich nicht mehr herauskonnte“, sagt Dickinson. Den Posten habe man nur dann verlassen können, wenn die Schichtleitung zu vereinbarten Zeiten mit dem Schlüssel kam. Handys seien verboten gewesen, Funkgeräte habe man keine bekommen: „Bei Notfällen wären wir vollkommen ausgeliefert gewesen.“

Auch wenn das Humboldt Forum (lesen Sie hier alle Texte zu dem Projekt) den Status einer Baustelle offiziell hinter sich gelassen hat, finden in den Innenräumen nach wie vor Arbeiten statt. Lediglich ein paar Ausstellungsstücke wurden für den künftigen Besuch hergerichtet. Neben Handwerker:innen streifen vor allem Sicherheitskräfte durch die kahlen Flure des Museums.

Letztere sollte nun das Servicepersonal unterstützten, bis das Haus für Besucher:innen öffnet. „So konnten wir sicherstellen, dass wir trotz Pandemie nicht entlassen oder Kurzarbeit einführen müssen“, sagt Michael Mathis, Sprecher des Humboldt Forums. Zudem habe man den Mitarbeiter:innen die Gelegenheit geben können, das Haus kennenzulernen.

Arbeiten an der Ausstellung - das Fotos stammt aus dem August 2020.
Arbeiten an der Ausstellung - das Fotos stammt aus dem August 2020.

© Kitty Kleist-Heinrich

Inzwischen ist klar: Der 44.000 Quadratmeter große Komplex, ausgestattet mit 24 Aufzügen und sechs Rolltreppen, birgt seine Tücken. Als sich eine der Mitarbeiter:innen auf der Suche nach dem Ausgang verirrte, fiel hinter ihr eine Tür ins Schloss. Drei Stunden lang wartete sie ohne Handyempfang auf ihre Entdeckung. „Das hätte nicht passieren dürfen“, sagt man im Humboldt Forum auf Nachfragen des Tagesspiegels. Man habe sich entschuldigt und Lösungen geschaffen, das Problem zu beheben.

Anna Köhler (Name geändert) hat gekündigt, wie auch einige andere im Humboldt Forum, freiwillig. Sie sagt: Als es Anfang Januar, einem Höhepunkt der Pandemie, mit der Arbeit in der Museumsanlage losging, sei für so gut wie nichts gesorgt gewesen. „Von den vielen Toiletten im Haus hatten sie genau eine geöffnet – für 66 Leute“, sagt die 36-Jährige. Weder habe es Seife noch Desinfektionsmittel gegeben, dafür aber viel Dreck. Zudem seien ständig überflüssige Meetings in geschlossenen Räumen abgehalten worden, berichtet Köhler. Für die Arbeit in der Nähe von Bauarbeiten hätten Helme, Schutzbrillen oder zumindest Ohrstöpsel gefehlt. FFP2-Masken habe sie selbst besorgen müssen.

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„Es gab in der Tat für einige wenige Tage ein Toilettenproblem“, heißt es dazu vom Humboldt Forum. Aufgrund eines neuen Reinigungsdienstleisters habe man vorübergehend die Reinigung der Toiletten nicht durchführen können, sagt Mathis. Generell aber gelte: „Wir haben zu jeder Zeit die Corona- und Hygienevorschriften umgesetzt“ – auch während der absolut notwendigen Versammlungen.

Ehemalige Angestellte sprechen von mangelnder Feedback-Kultur

Für FFP2-Masken habe man gesorgt, beteuert der Pressesprecher, seit Ende Januar ermögliche man zudem einen kostenlosen Schnelltest pro Woche. Um möglichen Gefahren am Arbeitsplatz vorzubeugen, habe man „entsprechende Schulungen und Sicherheitseinweisungen gegeben und auch Schutzkleidung wie Warnwesten zur Verfügung gestellt.“

Die ehemalige Mitarbeiterin Köhler ist dennoch enttäuscht. Sie sagt, der Arbeitgeber habe zu lange für die nötigen Änderungen gebraucht. Statt Kritik anzunehmen, seien ungerechtfertigte Entlassungen ausgesprochen worden, von Feedbackkultur keine Spur: „Ausgerechnet diejenigen, die während der Schulung am motiviertesten waren, sind plötzlich verschwunden.“

Drei Raubkunst-Bronzen ("Benin-Bronzen"), ab dem 16. Jahrhundert gefertigt im Königreich Benin (heutiges Nigeria). Sie sollten im Humboldt-Forum ausgestellt werden. Das sorgte für eine Debatte über Deutschlands Kolonialgeschichte.
Drei Raubkunst-Bronzen ("Benin-Bronzen"), ab dem 16. Jahrhundert gefertigt im Königreich Benin (heutiges Nigeria). Sie sollten im Humboldt-Forum ausgestellt werden. Das sorgte für eine Debatte über Deutschlands Kolonialgeschichte.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Auch Amaru Rota (Name geändert) wurde entlassen. Seit zehn Jahren wohnt der 43-Jährige in Berlin, seiner neuen Wahlheimat. Er sagt: „Durch die Arbeit im Humboldt Forum wollte ich etwas in der Stadt mitgestalten.“ Nach und nach sei ihm jedoch klar geworden, dass man die Angestellten dort als „Menschen zweiter Klasse“ behandele. Immer wieder nahm Rota wegen seiner schwarzen Hautfarbe „Mikroaggressionen“ am Arbeitsplatz wahr. „Vielleicht haben sie nicht gemerkt, dass sie rassistisch waren“, sagt er, „aber für das Thema sensibilisiert waren weder die Vorgesetzten noch die Kolleg:innen.“

Längliche Erklärung für das Reinigen der Uniformen

Bemerkenswert viel Energie sei etwa darauf verwendet worden, den Angestellten zu erklären, wie man seine Uniform zu reinigen habe. Minutenlang habe man über persönliche Hygiene und vermeintlich unterschiedliche Arten, Wäsche zu waschen, referiert. „Es war peinlich”, sagt Rota. „Gewisse Personengruppen hätten spürbar im Fokus gestanden.

Bei Kritik hätten Vorgesetzte daran erinnert, wie dankbar die Angestellten für ihren Job sein müssten. Die Angst davor, entlassen zu werden, sei allgegenwärtig gewesen. Rota ist sich sicher: „Das hat auch untereinander für Misstrauen gesorgt.“ Während die Bauleute sich nicht vom Serviceteam hätten zurechtweisen lassen wollen, wäre man selbst wiederum vom Sicherheitspersonal nicht für voll genommen worden.

Rota wurde entlassen, als er mit einem Sicherheitsmitarbeiter aneinandergeriet. Dieser habe ihn wegen seiner Hautfarbe strenger kontrolliert als die anderen: „Ich weiß, dass niemand sonst nach dem Ausweis gefragt wurde.“ Vor lauter Frust habe er den Sicherheitsmann beschimpft. „Meine Reaktion war schlecht, keine Frage“, sagt Rota. Nach seiner Version der Geschichte sei er allerdings nie gefragt worden. Stattdessen habe man ihm erklärt, es könne sich gar nicht um Rassismus handeln. Eine offizielle Begründung für seine Kündigung habe er nie erhalten.

Mitarbeiter (möglicherweise einer Fremdfirma) bei einer Pause. Das Bild aus dem August 2020 wurde für eine Langzeitdokumentation des Tagesspiegels Baus von Schloss und Humboldt Forum gemacht.
Mitarbeiter (möglicherweise einer Fremdfirma) bei einer Pause. Das Bild aus dem August 2020 wurde für eine Langzeitdokumentation des Tagesspiegels Baus von Schloss und Humboldt Forum gemacht.

© Kitty Kleist-Heinrich

Weder Dickinson noch Rota haben laut eigener Aussage eine offizielle Begründung für ihre Entlassungen erhalten. Beide wollen aber ein Muster erkennen: Es hätten zuerst diejenigen gehen müssen, die sich äußerlich mit am stärksten vom Rest unterscheiden. „Alle haben Fehler gemacht, getroffen hat es aber uns“, meint Dickinson.

Das Humboldt-Forum bedauert "die Gefühle" der ehemaligen Mitarbeiter

Das Humboldt Forum teilt mit, es bedauere, dass sich Menschen seitens der Tochtergesellschaft diskriminiert gefühlt hätten. „Wir nehmen diese Vorwürfe sehr ernst und haben intern eine entsprechende Untersuchung angestoßen“, sagt Michael Mathis. Den Vorwurf der rassistisch motivierten Entlassungen könne man jedoch nicht nachvollziehen.

Insgesamt wurde sieben von 75 Mitarbeiter:innen des Service-Teams in der Probezeit gekündigt. Unter ihnen seien lediglich zwei Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, heißt es von Seiten der Pressestelle: „Dies sind zugleich die beiden Mitarbeiter:innen, denen wir gekündigt haben, weil sie andere Personen rassistisch diskriminiert oder ihnen Gewalt angedroht haben.“ Für beide Vorfälle habe mehrere Zeug:innen gegeben. „Wir kündigen niemandem leichtfertig, aber in solchen Fällen ist eine Weiterarbeit im Team nicht möglich“, sagt Mathis.

Amaru Rota vermutet ein Ablenkungsmanöver. Statt Verantwortung zu übernehmen, schiebe man die Schuld auf Zankereien zwischen Ausländern. „Das zeigt einmal mehr den Unterschied zwischen dem, was präsentiert wird, und dem, was wirklich vor sich geht.“

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