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Berlin: Das spielende Klassenzimmer

In der Sophie-Scholl-Gesamtschule proben Jugendliche ein Stück über Berlin. Sie treten damit in Japan auf

Die beiden jungen Leute auf den Stühlen wippen mit dem Oberkörper vor und zurück: Klar, das Theaterstück spielt in der U-Bahn. Raphael tritt auf die Bühne. „Guten Tag, ich verkaufe die Obdachlosenzeitung“, sagt der 14-Jährige. Genervte Mienen bei den Mimen. Dann kommt Jessica als Kontrolleurin ins Spiel: „Die Fahrscheine bitte“, sagt die 16-Jährige. Da hat Fahrgast Christin eine Idee. Den Jungen links neben sich findet sie sowieso interessant. Also lenkt sie die Kontrolleurin ab – und steckt ihrem Schwarm heimlich ihr Ticket zu. Applaus. Berlin – dargestellt von Schülern in der Aula der Sophie-Scholl-Gesamtschule in Schöneberg.

Über 20 Jugendliche treffen sich regelmäßig, um ihr Theaterstück zu entwickeln. Einige fahren vom Leonard-Bernstein-Gymnasium aus Hellersdorf in die Elßholzstraße, andere kommen vom Camille-Claudel-Gymnasium aus Prenzlauer Berg, vom Canisius-Kolleg in Tiergarten. Sie alle haben eines gemein: Sie lernen Japanisch in der Schule, und sie wollen ein Theaterstück entwickeln, in dem sie die Stadt Berlin mit vielen Gesten und wenigen Worten präsentieren. Denn mit dem Stück stellen die Jugendlichen ihre Heimatstadt in Japan vor. „Das Jahr 2005 ist das so genannte Deutschland-Jahr in Japan“, sagt Katrin Josko, Japanisch-Lehrerin an der Sophie-Scholl- Schule. Das ganze Jahr über werden Künstler, Literaten, Musiker – und eben auch Schüler aus Deutschland etwa in Tokio und Kyoto auftreten. Die Theatertruppe aus Schöneberg reist voraussichtlich im Herbst nach Japan.

„Die meisten Schüler haben wenig Theatererfahrung“, sagt Katrin Josko, „doch das, was sie hier zeigen, ist sagenhaft“. Hinter den meisten liegt schon ein Siebenstundentag, und dennoch kommen sie abends zu den Proben. Die Lehrerinnen sind von der Senatsschulverwaltung stundenweise fürs Theaterprojekt freigestellt worden. Viele der Jugendlichen seien leistungsstarke Schüler, sagt Japanisch-Lehrerin Ina Wilhelm von der Leonard-Bernstein-Schule. Denn schließlich müssen die Jugendlichen nicht nur Vokabeln, sondern auch die Schriftzeichen erlernen. Und sich mit der fremden Kultur auseinandersetzen. Dass es in Japan teils noch sehr traditionell zugeht, haben einige der Schüler schon hautnah erfahren: Weil sie japanische Freunde haben oder Gastschüler aus dem Land bei sich Zuhause aufnahmen. Wie die Jugendlichen darauf kamen? Sarah-Julie, 14, hat schon an der Volkshochschule einen Japanisch-Kursus belegt, „auch deshalb, weil ich die Manga-Comics so toll finde“. Marena, 16 Jahre alt, von der Gustav-Heinemann-Schule hat vorher Russisch belegt, „ich interessiere mich für Sprachen“. Sie diskutieren jetzt auch mit Karim, Stella, Elisabeth, Maria und Clara, welche Szenen auf Japanisch übersetzt werden sollten. Ob und wie ausgiebig traditionelle Bräuche wie Weihnachten später in Japan auf der Bühne dargestellt werden.

Wie auch immer das Stück letztlich aussieht – eines haben die Schüler schon jetzt durchs Theaterspielen gelernt: „Man wird selbstbewußter und traut sich auch sonst mehr zu, wenn man schon mal auf einer Bühne war“, sagt Romy-Ronja.

Die Sophie-Scholl-Oberschule sucht noch Förderer, die helfen, die Reisekosten der Schüler zu senken. Interessierte wenden sich an Telefon 9918008 oder schicken eine E-Mail an kjosko@hotmail.com.

Annette Kögel

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