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Schulen

© Kitty Kleist-Heinrich

Schulen: Das Talent bleibt auf der Strecke

Die BVG-Verbindung entscheidet: Trotz aller Proteste bleibt die Wohnortnähe entscheidend für die Schulplatzvergabe. Die Eignung der Schüler für bestimmte Schwerpunkte an den Schulen spielt keine Rolle.

Die rot-rote Koalition hält dieses Jahr an der umstrittenen Zuweisung von Oberschülern anhand der BVG-Verbindung zwischen Wohnort und Schule fest. Die entsprechende Regelung werde „frühestens“ zum Schuljahr 2010/11 geändert, teilte Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) den Grünen jetzt in einer Stellungnahme mit. Der Handlungsdruck sei nicht so groß, weil neben der Erreichbarkeit ja noch weitere Kriterien für die Schulplatzvergabe existierten.

Tatsächlich hat laut Gesetz bei stark nachgefragten Schulen Vorrang, wer das Profil der jeweiligen Schule akzeptiert. Dieses Kriterium spielt aber de facto keine Rolle, weil fast alle Eltern bei der Anmeldung hier ihr Kreuzchen setzen. Ähnliches gilt für das Kriterium der Sprachenfolge: Da fast alle Kinder zuerst Englisch lernen, taugt auch dies nicht dazu, viele Kinder „auszusortieren“. Was somit als hieb- und stichfestes Auswahlkriterium bleibt, ist nur die Erreichbarkeit der Schule, die von den Bezirken mittels BVG-Portal ermittelt wird: Je länger der Fahrweg, desto geringer die Chancen.

Die Bildungsverwaltung gibt zu bedenken, dass es ja noch ein weiteres Kriterium gebe, bevor die BVG-Verbindung greife: Im Schulgesetz steht nämlich, dass an Oberschulen mit Sport- oder Musikprofil jene Schüler Vorrang haben, die bereits in der Grundschule musik- und sportbetonte Klassen besucht haben.

In der Praxis führt auch dies allerdings zu absurden Entscheidungen: „Es gibt Kinder, die aus musikbetonten Grundschulen kommen und gerade mal Triangel spielen können. Aber ein Kind, das seit Jahren Klavierunterricht hat oder bei den Schöneberger Sängerknaben ist, hat keine Chance, wenn es weiter entfernt wohnt“, berichtet Lutz Kreklau von der Spandauer Martin-Buber-Gesamtschule.

Die Erfahrung, dass die Bezirke ohne Rücksicht auf die Eignung des Kindes stur nach BVG-Portal vorgehen, macht auch das Rosa-Luxemburg-Gymnasium in Pankow: Obwohl es auf Hochbegabtenförderung spezialisiert ist, kann es keine hochbegabten Siebtklässler aufnehmen, die etwas weiter entfernt wohnen.

„Selbst wenn der schulpsychologische Dienst einen Intelligenzquotienten von über 130 bescheinigt, wird das vom Bezirk nicht akzeptiert“, berichtet Direkor Ralf Treptow von der Vereinigung der Oberstudiendirektoren. Er weist darauf hin, wie ungerecht die Regelung für Schüler ist, die beispielsweise an der Pankower Peripherie wohnen: Obwohl für sie die Luxemburg-Schule die nächstgelegene ist, darf Direktor Treptow sie nicht aufnehmen, weil ihr Fahrweg etwa 40 Minuten beträgt. Konsequenz: Sie müssen zu weniger nachgefragten Schulen ausweichen und sind dann noch länger unterwegs. Es ist für Treptow „völlig unverständlich“, dass Zöllner diese Konsequenzen der BVG-Regelung in seiner Stellungnahme für die Grünen praktisch ausblendet.

Der Grünen-Bildungspolitiker Özcan Mutlu hatte wiederholt auf die negativen Folgen der Gesetzesregelung hingewiesen, die letztlich nur dazu führe, dass Eltern sich mit Scheinadressen behülfen. Sein Vorschlag lautet, die Wohnortnähe ganz aus dem Schulgesetz zu streichen und die knappen Plätze auszulosen.

„Das schafft neue Ungerechtigkeiten“, warnt allerdings Wolfgang Harnischfeger von der Vereinigung der GEW-Schulleiter. Er schlägt vor, dass die Direktoren die Kinder aussuchen können und zwar nach ihrer tatsächlichen Eignung für das betreffende Profil. Das sei beispielsweise auch in Brandenburg üblich. „Dafür fehlt der Berliner Politik der Mut“, glaubt allerdings Harald Mier, Direktor des Schadow-Gymnasiums. Und Neuköllns Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD) weiß auch, warum: „Wo bleibt dann ein Kind, das keine Schule will?“

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