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Berlin: Den hilflosen Zeugen der Gewalt wird geholfen

Polizei arbeitet jetzt mit Jugendämtern zusammen, um Kinder bei häuslichen Konflikten zu unterstützen

Eine Frau wird von ihrem Mann in der Wohnung verprügelt. Wenn die Polizei zu einem solchen Einsatz von häuslicher Gewalt fährt, befinden sich häufig auch Kinder mit in der Wohnung: Fast immer haben sie den meist lautstarken Streit der Eltern mitanhören, und die Schläge mitansehen müssen. Das sind Erfahrungen, die oftmals für das weitere Leben prägend sind. „Die Gewalttäter, die wir kennen, haben in der übergroßen Mehrzahl selbst häusliche Gewalt in ihrer Familie erlebt“, sagt Martina Linke, zuständig für Opferschutz und Häusliche Gewalt beim Landeskriminalamt.

Die Polizei kümmert sich deswegen seit einiger Zeit intensiver auch um diese Kinder, die indirekten Opfer. „Bei jedem Einsatz zu häuslicher Gewalt, wo Kinder mittelbar betroffen sind, füllen die Beamten einen Vordruck aus und leiten ihn an das Jugendamt weiter“, sagt Tanja Engel, Koordinatorin für Häusliche Gewalt in der Polizeidirektion 3 in Mitte. Ihre Direktion hat nun einen „Kooperationsvertrag“ mit dem Jugendamt Mitte unterzeichnet, „um den Kinder- und Jugendschutz zu intensivieren“, wie es heißt. Künftig soll die bereits vorhandene Zusammenarbeit noch verbessert werden, „indem sich die Polizisten und Sozialarbeiter auch zu Gesprächsrunden treffen zum Thema Gewalt in Familien“, sagt Engel.

Die Beamten des Großbezirks Mitte hatten nach Engels Angaben im vergangenen Jahr 1479 Einsätze zu häuslicher Gewalt – in 230 Fällen waren auch Kinder Leidtragende. Insgesamt wurden 2004 in Berlin 12800 Fälle häuslicher Gewalt angezeigt. Wie oft Kinder diese Gewalttaten mitansehen mussten, ist nicht erfasst. Wird ein Kind von den Eltern geschlagen und misshandelt, ist es Opfer einer Straftat. Doch Kinder, die „nur“ zusehen müssen, wie ein Elternteil verprügelt wird, werden nicht beim Landeskriminalamt registriert.

Durch die Meldung beim Jugendamt soll nun auch diesen Kindern geholfen werden. „Sobald wir von der Polizei erfahren, dass Kinder in einer Familie Gewalt miterleben mussten, bitten wir die Familie um ein Gespräch“, sagt Dietmar Schmidt, Leiter des Jugendamts Mitte. In Extremfällen, in denen aufgrund des Polizeiberichtes deutlich wird, dass das Wohl des Kindes gefährdet ist, „reagieren wir sofort und statten diesen Familien einen Hausbesuch ab“, so Schmidt. Dann könne man das Kind auch aus der Familie nehmen. Doch in der Regel hätten die Sozialarbeiter es mit weniger dramatischen Fällen zu tun. Es gäbe genügend Situationen, so Schmidt, in denen das Kind zwar versorgt ist, aber dennoch unter den Gewaltausbrüchen zwischen den Eltern leide. „Den betroffenen Familien wird dann Hilfe angeboten, beispielsweise durch Familienhelfer.“ Zwingen könne man die Familien aber nicht. Ist das Wohl des Kindes nicht unmittelbar gefährdet, können die Sozialarbeiter nur darauf hoffen, dass die Familien sich freiwillig zu einer Beratung entschließen.

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