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Berlin: Den Mutigen auf der Spur

Das Netzwerk „Schule ohne Rassismus“ feiert sein 15-jähriges Bestehen am Sonntag im Jüdischen Museum

Courage zeigten die Schüler des Manfred-von-Ardenne-Gymnasiums selbst, als sie im vergangenen September an den herausragenden Mut von Elsa und Otto Hildebrandt erinnerten. Das Hohenschönhauser Ehepaar hatte seit 1941 im Keller seiner Bäckerei in der heutigen Simon-Bolivar-Straße 51 insgesamt 13 Juden vor den Nazis gerettet. Wenn die Gestapo oder anderer ungebetener Besuch kam, versteckten sich die Verfolgten hinter einer Wand aus Mehlsäcken. Über dieses besondere Beispiel von Mitmenschlichkeit informierten neun Schüler der 11B im Herbst vor Ort die Anwohner, selbst in Bäckerschürzen gehüllt. „Als wir ankamen, wurden wir aus dem Hinterhof erst einmal mit rechtsradikaler Musik beschallt“, berichten Laura Starck und Hannah Mulac. Erinnerung an Naziverbrechen unerwünscht, sollte das offenbar heißen. Sie hätten die Störenfriede dann um Ruhe gebeten, so die Schülerinnen – und damit Erfolg gehabt.

An diesem Sonntag werden die Ardenne-Schüler noch einmal an die Hildebrandts erinnern: beim Festakt zum 15-jährigen Bestehen des Netzwerkes „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ (SOR-SMC) ab 11 Uhr im Glashof des Jüdischen Museums.

Nach der Welle fremdenfeindlicher Gewalt zu Beginn der 90er Jahre initiierte der Verein „Aktion Courage“ das Netzwerk als Plattform für Schulen, die sich gegen jede Form von Diskriminierung engagieren. Bundesweit machten mittlerweile 730 Schulen mit, berichtet Eberhard Seidel, Geschäftsführer der Bundeskoordination SOR-SMC. Etwa 300 Schüler aus 84 Schulen sind seit Freitag auf einem Kongress in der Stadt versammelt. Allein das Beispiel der 18 vertretenen Schulen aus Berlin offenbart ein vielfältiges Spektrum: Die Kurt-Schwitters-Gesamtschule setzte sich dieses Jahr mit rechtsextremen Codes auseinander, Schüler des Hermann-Hesse-Gymnasiums mit dem „Gazakrieg im Klassenzimmer“. Die Oberstufenzentren Lotis und Handel 1 tragen den SOR-SMC-Titel ebenso wie Carl-von-Linné-Schule für Körperbehinderte. Immer mehr Schulen schließen sich dem Netzwerk an. Am 16. Juni kommt die Friedensburg-Gesamtschule hinzu, für die Innensenator Ehrhart Körting (SPD) die Patenschaft übernimmt. Stellvertretend für alle diese Projekte werden die Schüler aus Lichtenberg präsentieren, was sie über das Ehepaar Hildebrandt herausgefunden haben. Ihre Informationen sammelten sie bei der bezirklich geförderten Netzwerkstelle Licht-Blicke und in Gesprächen mit der Zeitzeugin Brigitte Hennemuth, die als Pflegekind bei den Bäckersleuten aufwuchs. „Es ist sehr bewegend, dass bei uns um die Ecke damals Menschen für andere ihr Leben riskiert haben“, sagt Laura. Mitschülerin Karina Halm ergänzt: „Zeugen Jehovas durften bei den Hildebrandts Messen abhalten, armen Nachbarn haben sie regelmäßig Kuchenreste geschenkt.“

Ihr Engagement ende erst, wenn an der Simon-Bolivar-Straße 51 eine Gedenktafel an die Bäckerfamilie erinnere, sagen die Schüler. Gut 1000 Euro koste das, 800 Euro hätten sie schon beisammen – auch dank einer großzügigen Spende des Architekten Thomas Weber, berichten Felix Nozon und Martin Heinz. Ein Drittel davon kam alleine an jenem Herbsttag zusammen, als sie interessierte Bürger durch das einstige Kellerversteck führten. Fast alle Passanten hätten ihr Anliegen unterstützt, sagen die Schüler. Die kurze Rechtsrock-Dröhnung blieb die einzige Störung. Werner Kurzlechner

Spender können die Schülergruppe über die E-Mail-Adresse hildebrandts.stillehelden@googlemail.com kontaktieren.

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