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Berlin: Der 3000 Mitglieder zählende Bürgerverein will den Ausbau verhindern

Der Schlachtplan passt inzwischen in keinen normalen Aktenordner mehr. Viel zu umfangreich sind die Details: Anmieten von Büros, Beschaffen von Geld, Kontakt zu den besten Anwälten und Medizinern, Vervielfältigung von Landschaftskarten, intensive Schulung der Getreuen, heißer Draht zu den Medien.

Der Schlachtplan passt inzwischen in keinen normalen Aktenordner mehr. Viel zu umfangreich sind die Details: Anmieten von Büros, Beschaffen von Geld, Kontakt zu den besten Anwälten und Medizinern, Vervielfältigung von Landschaftskarten, intensive Schulung der Getreuen, heißer Draht zu den Medien. Mit diebischer Freude bereiten die Männer im überwiegend reifen Alter jenseits der 40 mit Unterstützung einiger Frauen ihren großen Coup vor: Die Verhinderung des Ausbaus von Schönefeld zum Großflughafen Berlin-Brandenburg oder zumindest eine deutliche Verkleinerung der bisherigen Pläne.

"Wir sind eine schlagfertige Truppe", sagt Karl-Heinz Lüpke aus Zeuthen. "3000 Mitglieder zählen wir zurzeit. Und es werden immer mehr." Lüpke leitet den Bürgerverein Brandenburg-Berlin (BVBB), dessen Plakat in vielen Gemeinden des südlichen Umlands sowie in den Berliner Südbezirken hängt: "Schönefeld mit uns nicht". Doch mit einer gewöhnlichen Bürgerinitiative wollen sich die emsigen Mitstreiter nicht vergleichen lassen. "Bei uns sind komplette Gemeinden Mitglied", erklärt Bürgermeister Bernd Habermann aus Blankenfelde. "Von unseren 18 Gemeinderatsmitgliedern unterstützen alle den BVBB. Deshalb scheint auch die Finanzierung der vielen Aktionen kein großes Problem zu sein. Neben Spendern beteiligten sich auch Gemeinden mit Haushaltsmitteln am Widerstand gegen die Flughafenpläne.

Das Geld wird für Gutachten und Rechtsanwälte gebraucht. Zwar führt an einem Flughafen in Schönefeld kein Weg mehr vorbei, weil er wegen seiner in en fünfziger Jahren begonnenen Geschichte Bestandsschutz genießt. Doch die Ausbaupläne wollen die Protestler ungeachtet der Querelen um die Ausschreibungen so weit wie möglich stoppen. Das Verfahren lässt da so manchen Spielraum zu. Vor allem während der für März oder April geplanten öffentlichen Auslegung des Planfeststellungsantrages für den Bau des Großflughafens wollen die Mitglieder und ihre Anwälte aktiv werden und Einwände formulieren. Ohne Fachwissen wird das Werk der Projektplanungsgesellschaft Schönefeld (PPS) kaum durchschaubar sein.

Die Einwendungen werden dann im Juni und August vom Brandenburgischen Landesamt für Verkehr und Straßenbau gesichtet und bearbeitet. Etwa im Juni 2001 will das Brandenburger Verkehrsministerium den Planfeststellungsbeschluss auslegen. Gegen ihn sind Klagen nur noch vor dem Bundesverwaltungsgericht möglich. Ab Ende 2002 sollen die Bauarbeiten beginnen, falls spätestens bis dahin die Frage des Betreibers geklärt ist.

"Wir haben jetzt schon einen ganz Sack voller Einwendungen gegen die Ausbaupläne", sagt Ferdi Breidbach, Bürgermeister von Diedersdorf. "Sie betreffen vor allem den zu erwartenden Lärm, die Verschmutzung und die Gefahr durch den Flugbetrieb." Nirgendwo auf der Welt werde ein neuer Großflughafen inmitten eines dicht besiedelten Gebietes gebaut. Denn schließlich seien 85 Prozent der Flugzeugunglücke im vergangenen Jahr innerhalb von zwölf Meilen vor und nach der Landebahn passiert. Rund um Schönefeld lebten aber in dieser Zone zwischen 45 000 und 50 000 Menschen.

Der Bürgerverein trifft mit solchen Szenarien den Nerv der Leute. Deshalb verwundert der Zulauf bei den Versammlungen nicht. So verkündete der Verein jüngst, dass keineswegs nur Diepensee umgesiedelt werden müsse. Der Lärmpegel werde im Gegensatz zu den jetzigen Berechnungen der Projekt-Planungsgesellschaft auch die Einwohner von Hubertus, Selchow, Glasow, Waltersdorf und Blankenfelde extrem stark belasten. "Die Diepenseer kommen obendrein vom Regen in die Traufe", sagt der Diedersdorfer Ferdi Breidbach. "Denn der neue Umsiedlungsort Deutsch Wusterhausen liegt nach unseren Analysen voll im Lärmbogen der nach dem Start nach Westen abdrehenden Maschinen. Das hat ihnen von staatlicher Seite nur noch niemand gesagt."

Bei einer Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht rechnet der Bürgerverein mit einer Verfahrensdauer von mindestens drei Jahren. Das ergebe sich aus Erfahrungen vergangener Jahre. So sei die geplante Inbetriebnahme im Jahre 2007 kaum zu schaffen, orakelt die Vereinsspitze. Nicht nur insgeheim hofft sie mit ihren Argumenten auf eine Abkehr von Schönefeld. "Mit dem Flughafen Sperenberg, den bis 1996 auch Stolpe favorisierte, liegt doch die Alternative auf der Hand", meint Dietrich Lehnert aus Mahlow. Selbst auf die jetzt wieder aufgeflammte Diskussion über eine Länderfusion reagiert der Bürgerverein auf seine Weise: "Wir sind in unserer Gegend nicht der Fußabtreter der Berliner, die unbedingt einen stadtnahen Flughafen wollen", sagt Ferdi Breidbach und stürzt sich wieder in die Akten.

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