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Berlin: Der Bade-Meister

Top-Köche schwören auf eine neue Methode, um Fleisch, Fisch, Gemüse schonend zuzubereiten: Niedrigtemperaturgaren. Berlins derzeit modernster Sternekoch ist einer, der weiß, wie's geht.

Die Potsdamer „Ufergaststätte“ ist längst durch ein Seniorenheim ersetzt worden. Ein Lehrling aber hält die Erinnerung an diese Restaurant-Legende wach, allerdings auch nur, weil er einst dort seinen Berufsweg begonnen hat: Marco Müller, der vielfach ausgezeichnete und einfach besternte Küchenchef der Weinbar Rutz in Mitte. Allerdings hat er es wohl vor allem deshalb zu etwas gebracht, weil er nach der Wende rasch nach Höherem strebte und beispielsweise Johannes King im „Grand Slam“ in die Töpfe schaute; als experimentierfreudiger Küchenchef im „Harlekin“ des Grand Hotels Esplanade fiel er erstmals einem größeren Gästekreis auf. Dem Restaurant nützte es nichts mehr, aber für Müller war es das Sprungbrett ins „Rutz“, wo er Ralf Zacherl nachfolgte.

Dort kocht er das genaue Gegenteil von Ufergaststätte: riskant, modebewusst, aufwendig. Sein Stil ist sicher in Berlin derzeit der modernste, bestimmt von Zutaten und Kombinationen, die auch gestandene Gäste gelegentlich vor Rätsel stellen: „Macadamianuss, Königskrabbe & Vichygurke, Vanillepaprika, Sylter Royal & Roter Mangold, Beurre Blanc“ heißt ein aktuelles Gericht.

Doch die Dinge sind bei Müller nicht provokativ aus Prinzip, sondern fügen sich immer in ein harmonisches Gesamtkonzept, dem der sympathisch hyperaktive Sommelier Billy Wagner mit seinen Rebellen-Weinen gern noch eins draufsetzt. Keine Angst, das ist keine „Molekularküche“ im vordergründigen Sinn. Müller ist ein Koch, bei dem die Vertrautheit mit modernen Zubereitungsmethoden zum Berufsverständnis gehört, aber er stellt dieses Können nicht offensiv zur Schau, lässt es lieber beiläufig einfließen. Deshalb ist er genau der Richtige für einen Workshop, der den Teilnehmern eine völlig neue Welt eröffnet: Sie lernen, was es mit den Fachbegriffen „sous vide“ und „Niedrigtemperaturgaren“ auf sich hat – wie also Top-Köche heute Aroma, Saft, Konsistenz auf der Grundlage einfacher physikalischer Erkenntnisse bewahren können. Dies ist die lautlose Revolution der Kochkunst, ein Fachgebiet, das es vor 20 Jahren praktisch noch nicht gegeben hat. Bernd Matthies

Rutz, Chausseestr. 8, Mitte, Tel. 24 62 87 60, geöffnet Di-Sa ab 18.30 Uhr, Weinbar mit einfacheren Gerichten ab 16 Uhr, Menüs 105/180 Euro

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