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Berlin: Der Brunnencop

Der Neuköllner Körnerpark ist seine Leidenschaft: Hans Georg Loew achtet darauf, dass die Anlage nicht verkommt

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Hans Georg Loew zieht einen Bund verrosteter Drähte aus seiner Hosentasche. „Irgendjemand hat mir das Schloss mit Holz verstopft“, sagt er. Loew steht vor dem kleinen Eisentor am Eingang des Körnerparks in Neukölln und versucht, Holzkrümel aus dem Schloss zu stochern. Er trägt eine bequeme dunkelblaue Stoffjacke und eine schwarze Ledermütze. Aus seinem Küchenfenster gegenüber sieht Loew auf den Park. Er sieht, wer dort Essensreste liegen lässt oder Büchsen. Tagsüber, wenn Loew durch den Park geht, spricht er die Leute an. „Wollen Sie hier irgendwann nur noch durch den Müll laufen“. sagt er. Überzeugen, das ist sein Job. Loew ist der „Brunnencop“.

Den Namen gaben ihm die Leute vom Neuköllner Grünflächenamt. Vor zwei Jahren, als der neue Brunnen des Parks eingeweiht wurde, meldete sich Loew freiwillig für einen Aufpasserjob. „Es geht doch nicht, dass niemand mehr auf den Park achtet“, sagt Loew. Das Gefühl für seine Umwelt hat er von seinem Vater. „Der erzählte uns immer, wie das Leben auf der Erde entstand“. Jetzt erzählt es der Sohn im Körnerpark weiter. Früher war er Meister der Bewag, heute besteht seine Arbeit darin zu überzeugen. Eine Gruppe Kinder, die ein paar Zweige von einem frisch gepflegten Strauch abbricht, erhält von Loew Biologieunterricht. Er geht dann auf den Rasen und streicht über den Strauch. „Pflanzen sind auch nur Lebewesen. Sie leben und brauchen Pflege. So funktioniert eben ein Park“. Die Kinder hören Loew aufmerksam zu. Dann gehen sie schweigend weiter. Und Loew auch.

Bei seinem Rundgang durch den neobarocken Park trifft er nicht immer auf freundliche Zuhörer. „Zeigen Sie mal Ihren Ausweis“, forderte eine Frau, die dort mit dem Kind auf der Stange Fahrrad fuhr. „Sind Sie etwa der Bekloppte, der abends immer abschließt?“ Loew ärgert das, aber er regt sich nicht auf. Denn viele Leute unterstützen ihn. „Du bist zu spät gekommen, sagen sie manchmal, so wie damals bei den Graffitis“. Einige Tage nach der Restauration waren die Umfassungsmauern im Park schon wieder beschmiert. Loew stellte sich mit einer Dose Anti-Graffiti-Spray selbst hin und begann sie zu schrubben. Einen halben Tag lang. „Aber die Umrisse bleiben trotzdem“, sagt er. „Ich bekam auch nicht genug Geld für Schutzwachs gegen die Sprühfarbe“.

2,1 Millionen Euro gab das Neuköllner Bezirksamt im letzten Jahr für die Pflege der Grünflächen aus - ohne Personalmittel. In diesem Jahr sind es 120000 Euro weniger. „Damit können wir gerade alles so halten, wie es ist“, sagt Stefanie Vogelsang, Bezirksstadträtin für Bauwesen (CDU). Im letzten Herbst steckten Bürger für einen schöneren Kiez 80000 Blumenzwiebeln in die Erde. „Ich hoffe, dass im Frühling alles blüht“, sagt Vogelsang. Dann muss Loew vielleicht auch weniger Leute überzeugen.

Manchmal findet er es müßig, täglich vor Ort sein zu müssen. „Wenn ich gerade bei dem Geburtstag eines Freundes sitze“. Aber für ihn ist es selbstverständlich, sich zu kümmern. Um den Park und um die Nachbarn. „Bei uns ist alles noch gut bürgerlich. Wir stehen vor der Tür und halten Plausch“. Einmal im Jahr taucht Loew ab in eine andere Welt, er fährt mit seiner Frau nach Kuba. Wegen der Leute und der Musik. „Wenn sie die spanische Gitarre hört, werden meiner Frau auch immer die Augen feucht“, sagt er. Sie ist Loews zweite große Liebe. Mit ihr hat er seine Ruhe gefunden.

Wenn im Sommer wieder Familien ihren Müll vom Grillen auf dem Rasen lassen und Punks leere Bierflaschen, wird Loew wieder viele Worte verlieren. Aber jetzt muss er sich beeilen. Im Schloss des Eisentors steckt noch etwas Holz.

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