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Berlin: Der gefallene Engel ist zurück

Lang verschollene Skulptur vom Hohenzollern-Schloss in Kleingarten in Ahrensfelde gefunden Der Förderverein hofft auf Rückgabe weiterer Kunstwerke und zahlt auch Finderlohn.

Die Nase ist schon wieder dran. So hat der hart gefallene Engel wieder ein Gesicht. Irgendwann wird er wieder schweben, mit vollen Schwingen, wie einst hoch über dem Innenhof des Schlosses. Den Ruhm des Kurfürsten zu verkünden, war früher die Aufgabe des Engels am Portal III des Eosanderhofes, bevor die Sprengung des Schlosses im Herbst 1950 ihn zu Boden schmetterte. Jahrzehntelang war er verschollen – und ist nun auf wundersame Weise wiedergekehrt.

Von seinen Flügeln ist nur noch der Schulteransatz geblieben. Wilhelm von Boddien, Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss, ist dennoch begeistert über den Fund des steinernen „Genius“, der zusammen mit seinem Gegenstück, dem Friedensverkünder, am Portal von Ruhm und Größe des Kurfürsten zeugte. „Das ist ein ganz besonders wertvolles Stück, weil es gut erhalten ist und die vorhandene Federstruktur der Flügel den Bildhauern die Arbeit erleichtert“, sagt von Boddien. Mehr als einen Meter hoch ist der Engel, der noch den Posaunenschaft am Mund hat, und fünfhundert Kilo schwer. In einigen Jahren soll er wieder an seinem alten Platz hängen – denn der Entwurf des Architekten Stella sieht die originalgetreue Rekonstruktion des Eosanderhofes vor. Für von Boddien, den Jäger der verlorenen Skulpturen, wäre dann eine abenteuerliche Geschichte an ihr Ende gekommen.

Zuletzt waren im Sommer 2009 im Garten eines Einfamilienhauses in Köpenick einige Originalteile des Berliner Schlosses aufgetaucht. Über 50 Jahre lang hatten die historischen Fragmente dort gelagert – darunter waren zwei Widderköpfe, ein Löwenkopf und eine Königskrone. Ein Architekt, der in den fünfziger Jahren für den Wiederaufbau des Zeughauses Unter den Linden verantwortlich war, hatte die Skulpturen in seinen Garten geschafft und damit gerettet.

Wilhelm von Boddien, der Initiator der Kampagne für den Wiederaufbau des Hohenzollern-Schlosses, sucht seit mehr als 20 Jahren nach Resten des Schlosses, das auf Befehl von SED-Chef Walter Ulbricht gesprengt wurde. Dabei zeigen zeitgenössische Fotos, dass die massiv gebaute Fassade trotz schwerer Kriegsschäden im Inneren in erstaunlich gutem Zustand war: so gut, dass nach dem Krieg im „Weißen Saal“ noch Kunstausstellungen präsentiert und auch andere Räume genutzt wurden.

Hunderttausende Tonnen Gestein und Schutt landeten nach der Sprengung auf verschiedenen Deponien im Berliner Umland oder wurden als Füllmasse für den Bunkerberg Friedrichshain verwendet. Nur einige Skulpturen und anderer Fassadenschmuck wurden aufgehoben. Manches davon lagerte jahrzehntelang unter den S-Bahn-Bögen an der Museumsinsel. Auch der Engel vom Eosanderhof war unter diesen Skulpturen – bis die DDR-Regierung sie in den achtziger Jahren im Zuge von Sanierungsarbeiten am Pergamonmuseum an den Stadtrand auf ein offenes Feld bei Ahrensfelde schaffen ließ.

Dort spürte von Boddien die wertvollen Skulpturen und Steinmetzarbeiten auf – im Winter 1991 nach einem telefonischen Hinweis eines Mitarbeiters des Märkischen Museums. Ungeschützt vor Schnee und Regen lagerten dort die Kunstwerke – zerschlagene Flaschen zeugten von Vandalismus. Auf dem Acker lagen etwa sogenannte „Pilasterkapitelle“ – Halbpfeiler mit aufgesetzten menschlichen Figuren – die einst am Portal V den Frühling und den Sommer versinnbildlichten. Und auch den ruhmverkündenden Engel fand von Boddien dort.

Doch als das Denkmalamt nach fast einem Jahr nach vielen Drängeleien endlich die Kunstwerke sichern und abtransportieren ließ, war der Engel schon wieder verschwunden. Während der großen Schloss-Simulation im Sommer 1994 hatte von Boddien sogar einen Steckbrief mit dem Foto des Engels inklusive Belohnung aufhängen lassen – erfolglos. Erst 15 Jahre später hörte der jetzt beim Förderverein Schloss beschäftigte Bildhauer Carlo Wloch in der Sauna zufällig von einem Engel auf einem Ahrensfelder Kleingartengrundstück: das Ende der Jagd nach dem verschwundenen Schatz.

Einen Finderlohn von 2500 Euro erhielt der Grundstückseigentümer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Finderlohn sollen auch alle Menschen erhalten, die noch Fundstücke besitzen und nun zugunsten des Schloss-Aufbaus darauf verzichten. „Wir wollen die Menschen ermutigen, diese Stücke herauszugeben“, sagt Wilhelm von Boddien: „Alle diese Teile werden wir wieder einbauen.“ Damit in einigen Jahren nicht nur der Engel wieder hoch oben am Portal schwebt und zwar nicht vom Ruhm, aber zumindest von einer wunderbaren Wiederkehr des Schlosses zeugt.

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