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Berlin: Der Lehrer Lutz Robrecht protestiert täglich vor dem Roten Rathaus gegen die Schulmisere

Wie fühlt sich ein Mensch, der mutterseelenallein - nur mit einem Plakat bewaffnet - vor dem Roten Rathaus demonstriert? Bei Wind und Wetter.

Wie fühlt sich ein Mensch, der mutterseelenallein - nur mit einem Plakat bewaffnet - vor dem Roten Rathaus demonstriert? Bei Wind und Wetter. Jeden Tag 30 Minuten. "Gut", sagt Lutz Robrecht. Er habe es "nicht mehr ertragen können, nichts zu tun".

Was Lutz Robrecht, Studiendirektor des Weddinger Lessing-Gymnasiums, umtreibt, ist die Situation an Berlins Schulen, die Finanzmisere der Stadt, die Gehaltsentwicklung der Beamten. Als er am 4. April bei der Polizei die tägliche "Demonstration unter freien Himmel" beantragte, brachte er sein Thema so auf den Punkt: "Berliner Lehrer gegen die Schulpolitik des Senats."

Was man sich unter Berlins Schulpolitik vorzustellen hat, beschreibt Robrecht so: veraltete Technik, volle Schulklassen, überarbeitete Lehrer. Und jetzt noch die Anhebung der Arbeitszeit. "Es wird zunehmend Kollegen geben, die der Belastung nicht mehr gewachsen sind", prophezeit er.

Dieser Entwicklung will Robrecht nicht tatenlos zusehen. Und da er die Einsicht gewonnen hat, dass "Politiker sich nur kontinuierlichem Druck beugen", kam er auf die Idee mit dem Dauerprotest.

Die Resonanz war bisher aber eher kläglich. Kollegen seiner Schule gesellten sich zu ihm. Auch sein Politik-Leistungskurs. Aber das reicht natürlich nicht, um "Druck" auszuüben. Jetzt hat Robrecht einen neuen Plan. Zu seiner täglichen Kundgebung soll einmal wöchentlich eine größere Demonstration hinzu kommen. Deshalb hat Robrecht die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Landeseltern- und Landesschülerausschuss angeschrieben und um Unterstützung gebeten. Vom 11. Mai an soll es richtig los gehen.

Noch gibt es kaum Reaktionen. GEW-Chef Ulrich Thöne findet, erstmal sei der Senat am Zuge "und soll ein Verhandlungsangebot machen". Als Gewerkschaft könne man nicht "jeder spontanen Idee gleich folgen" und müsse mit den Kräften haushalten. Robrecht sieht das anders. Er rechnet vor, dass bereits 10 000 Menschen auf der Straße wären, wenn von jeder der 1000 Schulen nur zehn Lehrer, Eltern oder Schüler kämen.

Das klingt ganz einfach. Ist es aber nicht. Das dämmert Robrecht inzwischen. Ihm mangelt es an Ansprechpartnern, Adressen. Wie mühsam er als "Einzelkämpfer" um Gehör ringen muss, hat er schon gemerkt, als er brieflich Senat und Abgeordnetenhaus vorschlug, die Gehälter der 100 000 Beamten nicht mehr im Voraus sondern erst in der Monatsmitte auszuzahlen. Er rechnete vor, dass der Senat auf einen Schlag 250 Millionen Mark liquide hätte, wenn er die Auszahlung der halben Monatsgehälter - die Robrecht im Schnitt mit 2500 Mark brutto angesetzt hat - vor sich herschöbe.

Obwohl er den Brief auch den Bundestagsfraktionen und Verbänden zur Kenntnis gab, blieb die erhoffte Reaktion aus. Lediglich der Beamtenbund ließ wissen, sein Vorschlag sei der "Besoldungskommission" zugeleitet worden. Dem Tagesspiegel sagte der Vorsitzende des Beamtenbundes, Joachim Jetschmann, er habe zu Robrechts Vorschlag viele Anrufe bekommen. Allerdings müsse er "an die kleinen Beamten denken", denen eine Umstellung der Zahlungsweise nicht zuzumuten sei. Robrecht will aber nicht locker lassen. Will bei Jetschmann anrufen, beim Landesschulbeirat und noch in der ersten Ferienwoche weiter demonstrieren, bevor er sich eine kleine Auszeit auf Mallorca gönnt.

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