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Berlin: Der Mann ist nicht nur fürs Politische da Christina Rau über Würde und Bürde einer Präsidentenfrau

Meist ist es für eine arbeitende Frau schrecklich, mit nicht-berufstätigen Gattinnen bedeutsamer Männer zusammenzutreffen. Die Makellosigkeit hoch empfindlicher Pastellkostüme, der perfekte Sitz jeder einzelnen Locke wirken immer einschüchternd.

Meist ist es für eine arbeitende Frau schrecklich, mit nicht-berufstätigen Gattinnen bedeutsamer Männer zusammenzutreffen. Die Makellosigkeit hoch empfindlicher Pastellkostüme, der perfekte Sitz jeder einzelnen Locke wirken immer einschüchternd. Bei Christina Rau ist das anders, vielleicht, weil sie einen sportlich-eleganten Stil pflegt, vielleicht, weil sie sich dezent schminkt, vielleicht auch, weil sie als Frau des Bundespräsidenten Johannes Rau einen längeren Arbeitstag hat, als manche berufstätige Frau.

Zum Thema „First Lady – Würde oder Bürde“ hatten die Mitglieder des Diplomatenclubs „Willkommen in Berlin“ am Montagmorgen zum Jour Fixe eingeladen, der mit knapp 200 Gästen, darunter Sabine Christiansen, Anne Momper, Monika Diepgen, so gut besucht war wie selten. Auch die Frau des rumänischen Ministerpräsidenten, Daniela Nastase, stieß hinzu; während ihr Mann zu einem inoffiziellen Besuch in Berlin weilt, wird sie von Christina Rau betreut.

Die Frau des Bundespräsidenten redet frei, abwechselnd auf deutsch und auf englisch. Gelegentlich wirft sie ein fröhliches „Hat jemand Fragen?“ in die Runde. Sie gibt zu, nervös zu sein, trinkt dagegen einen Schluck Wasser, sucht in beiden Sprachen manchmal nach Worten, was die sympathische Wirkung auf die Zuhörerinnen sofort erhöht. Anfangs erläutert sie ihr Engagement für Kinder. Bei Staatsbesuchen macht sie zwar gern das Hauptprogramm mit, besucht aber auch Hilfsprojekte, um zu Hause davon zu berichten. Die Menschen interessieren sich schließlich dafür, was aus ihren Spenden wird. Das Wort „Damenprogramm“ hat sie abgeschafft und in „Sonderprogramm“ umgewandelt.

Christina Rau war 25 Jahre alt, als sie mit ihrem Ja-Wort an den damaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten in der Westminster City Hall in London von der Doktorandin zur „ersten Dame“ wurde. Das ist sie in ihrer 20-jährigen Ehe fast ununterbrochen geblieben. Die Enkelin von Gustav Heinemann konzentrierte sich darauf, ihren drei Kindern eine unbeschwerte Jugend jenseits des Rampenlichts zu ermöglichen.

Beim Jour Fixe beschreibt sie, wie sie ganz am Anfang, als Kameras vor der Dahlemer Villa warteten, um Privatsphäre für die Kinder gebeten hat, worauf die Teams sofort abzogen. Den Eindruck, dass sie verpassten beruflichen Chancen nachtrauert, hat die Politologin nie erweckt. In einem Interview deutete sie einmal an, dass ihr Ehrenamt sicher nicht weniger erfüllend ist, als das Verfassen von Nato-Papieren es wäre. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass man als Gastgeberin für Kofi Annan oder Michail Gorbatschow mindestens so spannende Gespräche führt, wie unter Politologen in einem Brüsseler Büro. Wenn sie ihrem Mann durch ein reiches politisches Leben hindurch geholfen hat, so ist nichts davon nach außen gedrungen. So deutlich, wie gestern vor den Diplomatenfrauen, ist sie selten geworden: „Wir haben in unserer Familie nicht die Aufgabentrennung, dass der Mann nur fürs Politische, die Frau nur fürs Soziale zuständig ist.“

Allerdings denkt sie oft lange darüber nach, ob sie zu einem Thema öffentlich etwas sagen darf oder nicht. Brücken darf sie immer schlagen: „Wir können uns unser Selbstwertgefühl nicht nur über bezahlte Arbeit holen." Sie erinnert daran, dass Frauen den Löwenanteil ehrenamtlicher Arbeit leisten. Was ist nun mit dem ehrenamtlichen Einsatz von Botschafterfrauen? Der Staat profitiert davon. Aber: „Da wird sich etwas ändern.“ Männer an der Seite von Amtsträgerinnen sind oft fordernder. Und auf präsidialer Ebene? Hier antwortet sie lieber auf englisch und mit einem Augenzwinkern. Vielleicht sei ja irgendwann eine geteilte Präsidentschaft denkbar. Frauen preschen nicht so schnell vor, deshalb sind am Ende einige Fragen offen geblieben. Wie groß ihre Freiräume sind, hätte eine Bahreinerin interessiert. Eine Afrikanerin wüsste gern, wie sie die Freizeit mit ihrem Mann verbringt: Ob er sie auch mal in eine Bar einlädt?

Eine Frage hat der Auftritt ganz gewiss beantwortet. Unverwüstliche Natürlichkeit ist, wie es scheint, die beste Ausrüstung für Würden und Bürden des First-Lady-Daseins.

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