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Berlin: Der Müll des Angeklagten

Neuköllns Bürgermeister ärgert sich schon lange über einen 15-Jährigen, der ab 2. Mai vor Gericht steht

Gut 400 Intensivtäter zählt die Staatsanwaltschaft, um einen von ihnen kümmert sich Heinz Buschkowsky persönlich. Aber nicht wegen der Vielzahl der Straftaten, die auf das Konto des erst 15-jährigen Mohamed A. gehen. Von denen wusste der Neuköllner SPD-Bezirksbürgermeister nichts, als sein Ordnungsamt an Mohamed A. verzweifelte. Dem war der Junge im vergangenen Jahr als unbelehrbarer Müllsünder aufgefallen.

Ein Mieter des Hauses in der Emser Straße hatte schließlich die Polizei geholt, weil der Jugendliche immer wieder Müll aus dem Fenster warf, der auf der Straße oder dem Balkon darunter landete. Als die Polizei an der Tür der Familie A. klingelte, hörten die Beamten Mohamed rufen: „Ich mach’ das immer so, räum’ das nicht weg. Schreiben Sie eine Anzeige, die wird ja doch eingestellt.“

Und genau das geschah dann auch. Als sich Mohameds Mutter weigerte, die 20 Euro Bußgeld zu zahlen, ging die Sache zum Amtsgericht. Ergebnis: Einstellung wegen „Geringfügigkeit“. Die 20 Euro wurden nicht eingetrieben, die Prozesskosten trägt der Steuerzahler. Da schaltete sich der Bezirksbürgermeister ein. Denn darüber ärgerte er sich. „Der lacht uns doch aus“, sagte Buschkowsky dem Tagesspiegel. „Solche Entscheidungen sind Botschaften, die tödlich für uns sind“ – weil sie als Schwäche der Justiz ausgelegt würden. „Dem Flegel müssen knallhart die Grenzen aufgezeigt werden“, sagt Buschkowsky.

Er schrieb daraufhin zwei Briefe, an Innensenator Ehrhart Körting und an Justizsenatorin Karin Schubert, beide SPD. Während Körting Verständnis zeigte, ärgert sich Buschkowsky über Schuberts Antwort immer noch: „Ich sei ja kein Jurist, könne das nicht beurteilen und das sei alles schon in Ordnung“, sagt der Bezirksbürgermeister. Beide Antworten hängen seitdem im Ordnungsamt aus.

Dass Mohamed A. auch jenseits der Müllfrage wenig Neigung zeigt, sich an Vorschriften und Gesetze zu halten, zeigt sein Abstieg zum Intensivtäter. Am 2. Mai ab 9 Uhr 15 steht der 15-Jährige erneut vor Gericht wegen 16 Straftaten, die er zwischen Juli und November begangen haben soll. Darunter ein Überfall auf die 90-jährige Hilde S., den er mit seinem Kumpel Oktay A. verübt hatte. Die beiden 15-Jährigen hatten sich der alten Frau, die in der Sterkrader Straße in Reinickendorf unterwegs war, von hinten genähert, ihr einen Stoffbeutel mit Einkäufen entrissen und waren damit geflüchtet. Hilde S. stürzte zu Boden, sie kugelte sich den Arm aus, schlug sich den Kopf blutig, ihre Brille zerbrach. Später im Krankenhaus erlitt sie einen Herzinfarkt vor Aufregung. Die Beute: 20 Euro und einige Lebensmittel.

Zwei Tage nach diesem 14. November wurden die beiden festgenommen – seitdem sitzt Mohamed A. tatsächlich in Untersuchungshaft. Denn einen Haftbefehl hatte A. bereits im April 2005 erhalten, nachdem er versucht haben soll, einer Frau mit vorgehaltenem Messer die Handtasche zu rauben. Doch ein Richter schickte ihn in ein Heim zur Vermeidung von Untersuchungshaft, obwohl aus den Monaten davor bereits 15 weitere Tatvorwürfe aktenkundig waren. Im Heim verabredete sich A. mit Oktay zum nächsten Raubzug. Oktay ist bereits im März zu drei Jahren Haft verurteilt worden.

Unklar blieb, ob das Amtsgericht im Müll-Verfahren überhaupt wusste, dass Mohamed als Intensivtäter registriert ist. Akten, die diese Tätergruppe betreffen, müssen eigentlich alle über die Spezialabteilung 47 der Staatsanwaltschaft laufen .

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