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Seltener mit dem Flugzeug reisen? Das täte dem Klima sicher gut.

© Sebastian Kahnert/dpa

Der private Kampf fürs Klima: Wie jeder Berliner bis zu zwei Tonnen CO2 im Jahr einsparen kann

Wie klimafreundlich leben die Berliner? Sehr, sagt die Statistik. Doch die hat Tücken. Ein Überblick, wie ein grünerer Alltag trotzdem funktioniert kann.

Das Klima ist aufgeheizt, wenn es ums Klima geht. Die Debatte bestimmt den Alltag, die Bereitschaft zum Handeln wächst.

Nur hängt man als gutwilliger Durchschnittsberliner etwas ratlos zwischen Büromontagsblues und Fridays for Future, zwischen Herbstniesel draußen und Heizperiode drinnen: Wie kann man klimaverträglicher leben, ohne sich den Winter über nur von Kraut und Rüben zu ernähren und als Jahresurlaub maximal ins Tarifgebiet C zu radeln? Wo stecken die großen Brocken in der persönlichen CO2-Bilanz?

Es lohnt sich, die Bestandsaufnahme mit einem Blick in die Statistik zu beginnen. Derzufolge sind die Berliner mit ihrer Jahresemission von 5,7 Tonnen CO2 pro Kopf (Stand 2016, neuere Daten liegen nicht vor) schon relativ „grün“: Der Durchschnittsdeutsche kommt auf knapp 10 Tonnen, ein Brandenburger sogar aufs Doppelte.

Auch im Vergleich zu den anderen Stadtstaaten schneidet Berlin gut ab. Die Erklärung liegt allerdings weniger im vorbildlichen Lebenswandel der Berliner als vielmehr in der weitgehenden Abwesenheit großer Häfen und energieintensiver Industrie: „Verarbeitendes Gewerbe“ verursacht in Brandenburg fast zehnmal so viele Emissionen wie in Berlin – was angesichts von Stahl- und Zementwerken sowie Chemie- und Papierfabriken kein Wunder ist.

Im Alltag leben Berliner und Brandenburger ähnlich klima(un)freundlich

Hinzu kommen die dreckigen Braunkohlekraftwerke, deren Emissionen das Statistikamt nur eingeschränkt den realen Verbrauchern – also auch den Stromkunden in Berlin – zuordnen kann.

Wenn diese viel höheren Emissionen auf zweieinhalb Millionen Brandenburger umgelegt werden, ergibt sich zwangsläufig eine schlechtere Pro-Kopf- Bilanz als bei gut dreieinhalb Millionen Berlinern. In den für Privatleute relevanteren Bereichen wie Verkehr, Handel, Dienstleistungen und Haushalt sind die Verhältnisse ausgeglichener. Nur noch beim Straßenverkehr schneiden die Brandenburger mit ihren längeren Wegen auffallend schlechter ab als die Berliner.

Thermostate durch programmierbare Geräte tauschen? Auch nicht schlecht.
Thermostate durch programmierbare Geräte tauschen? Auch nicht schlecht.

© Friso Gentsch/dpa

Die Hauptstädter belasten übrigens das Klimakonto der Brandenburger auch, wenn sie von Schönefeld fliegen: Das dort getankte Kerosin wird vom Statistikamt auf die Brandenburger CO2-Rechnung gebucht. Und Flüge werden bekanntlich ganz schnell zum größten Posten in der privaten Klimabilanz. Deshalb stehen sie auch ganz oben in der Tabelle, die die gemeinnützige Beratungsgesellschaft CO2Online zusammengestellt hat: Ein einziger Überseeflug verursacht demnach gut dreieinhalb Tonnen CO2 – also das Doppelt von dem, was als verträglich gilt.

Die Möglichkeiten des Mieters sind beschränkt

Ähnliche Dimensionen erreicht sonst nur die Gebäudeheizung. Die kann man als Mieter nur eingeschränkt beeinflussen – etwa indem man richtig lüftet, also kurz und kräftig statt mit ständig gekipptem Fenster (minus 170 Kilo CO2 pro Jahr und Person) und programmierbare Thermostate auf die Heizungsventile schraubt (130 Kilo).

Als Eigentümer kann der Wechsel zu einem Biogastarif – sofern die Gasherkunft zertifiziert ist – mit 1,5 Tonnen pro Jahr und Person einen großen Beitrag leisten. Eine Solarstromanlage auf dem Dach kann je nach Objekt weitere 1,2 Tonnen vermeiden – pro Person! Hinzu kommen Heizungsoptimierung (160 Kilo) sowie Dämmung von Fassade (290), Dach (110) und Heizungsrohren (350). Die inzwischen weithin üblichen Sparduschköpfe bringen ohne Einbuße beim Komfort weitere 200 Kilo.

Auf Fleisch verzichten? Könnte dem Klima ebenfalls nutzen.
Auf Fleisch verzichten? Könnte dem Klima ebenfalls nutzen.

© Rainer Jensen/dpa

Komplettieren lässt sich das klimafreundliche Wohnpaket durch einen Ökostromtarif – wobei der Strom wiederum (mit Labeln wie OK Power oder Grüner Strom) zertifiziert sein sollte, weil sonst „Luftbuchungen“ etwa mit ohnehin erzeugtem norwegischen Wasserkraftstrom möglich sind. Die Mehrkosten für echten Ökostrom sind minimal, der Effekt bei einem halben Kilo CO2 pro Kilowattstunde und einem Jahresverbrauch von etwa 1400 kWh pro Person ist beachtlich.

Der größte Einzelverbraucher in den meisten Haushalten ist übrigens der Kühlschrank. Bei dem lohnt es sich dank technischer Fortschritte auch deutlich mehr als bei anderen Großgeräten, ein altes Modell auszurangieren.

Vegetarische Ernährung bringt bekanntlich ebenfalls viel, weil es nun mal effektiver ist, die pflanzliche Kost vor dem Verzehr nicht erst durch ein Tier (das schlimmstenfalls auf gerodetem brasilianischen Regenwald grast oder sein Futter von dort bekommt) zu befördern. Rindfleisch zählt – nach Butter – zu den klimaschädlichsten Nahrungsmitteln, gefolgt von Käse, Rohwurst und Sahne. Geflügel und Schweinefleisch schneiden besser ab, aber wirklich klimafreundlich wird die Ernährung erst, wenn sie vegan ist: Rein pflanzliche Kost, sofern halbwegs saisonal, vermeidet etwa eine Tonne CO2 pro Jahr und Person.

Auch Solaranlagen auf dem Dach verbessern die private CO2-Bilanz spürbar.
Auch Solaranlagen auf dem Dach verbessern die private CO2-Bilanz spürbar.

© Kai-Uwe Heinrich

Bleibt das Auto als letzter großer Posten auf der Liste. Ein Kleinwagen mit sechs Litern Benzinverbrauch bläst pro Kilometer 140 Gramm CO2 in die Luft, ein Diesel mit gleichem Verbrauch 160 Gramm. Macht bei 10.000 Kilometern im Jahr 1,4 beziehungsweise 1,6 Tonnen CO2. Real ist es wegen der sogenannten Vorketten für die Herstellung von Auto und Kraftstoff noch deutlich mehr.

Klimaneutral kann man nicht werden

Diese Vorketten sind die große Unbekannte – und Unberücksichtigte – in der Statistik: Handy aus Korea, Computer aus China, Kleidung aus Indien, Tomaten aus Spanien: In diesen Dingen steckt CO2, das in der hiesigen Verursacherbilanz nicht berücksichtigt wird.

So kommt es, dass die 5,7 Jahrestonnen des Berliners nur die halbe Wahrheit sind oder vielleicht zwei Drittel. Klimaneutral kann man hier nicht werden. Aber ein, zwei Tonnen CO2 lassen sich – je nach bisheriger Lebensweise – bei einer Klimadiät ohne große Schmerzen abspecken.

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