zum Hauptinhalt

Berlin: Der Senat muß endlich die Perspektiven der Stadt bestimmen

Innensenator Jörg Schönbohm: Scheitern der Bezirksreform würde politische Glaubwürdigkeit in Frage stellen / Plädoyer für Mentalitätswechsel im öffentlichen Dienst VON AXEL BAHR BERLIN.Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) hat an den Senat und alle politisch Verantwortlichen in der Stadt appelliert, im kommenden Jahr endlich die Perspektiven der Stadt und die künftige Rolle Berlins im zusammenwachsenden Deutschland und in Europa zu bestimmen.

Innensenator Jörg Schönbohm: Scheitern der Bezirksreform würde politische Glaubwürdigkeit in Frage stellen / Plädoyer für Mentalitätswechsel im öffentlichen Dienst VON AXEL BAHR

BERLIN.Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) hat an den Senat und alle politisch Verantwortlichen in der Stadt appelliert, im kommenden Jahr endlich die Perspektiven der Stadt und die künftige Rolle Berlins im zusammenwachsenden Deutschland und in Europa zu bestimmen.Im Gespräch mit dem Tagesspiegel sagte Schönbohm, zwar habe man mit dem Haushaltsstrukturgesetz einen wichtigen Schritt gemacht.Es sei aber nicht deutlich genug gemacht worden, "daß wir damit die Voraussetzung geschaffen haben, um die finanziellen Schwierigkeiten künftig zu beherrschen".Schönbohm: "Das Jahr 1996 hat gezeigt, wie schwer es ist, in einer Großen Koalition wichtige Projekte durchzusetzen.Alle Handelnden müssen sich die Frage stellen, ob wir so weitermachen können". Auch habe der Senat es nicht geschafft, die Zukunftsperspektiven aufzuzeigen."Es reicht nicht allein aus zu sagen: Wenn die Bundesregierung umzieht, wird alles besser.Der Umzug ist wichtig, aber noch keine Positionsbestimmung", so Schönbohm.Was in der politischen Diskussion fehle, sei die interne Ortsbestimmung, wie Berlin seine künftigen Aufgaben als Hauptstadt verstehe.Es mache ihm große Sorgen, wie stark die Bezirke mit ihrer Sicht wichtige Debatten und Themen in der Stadt beeinflussen.Als ein Beispiel nannte Schönbohm die Querelen um das Gelöbnis vor dem Charlottenburger Schloß.Berlin müsse mehr zu einer ganzheitlichen Betrachtung kommen und sein Verhältnis zu den osteuropäischen Staaten klären.Auch im Parlament würden derart wichtige Debatten nicht geführt. Der Senat hat sich nach Auffassung des Innensenators zu lange mit der Frage aufgehalten, wie der Haushalt zu sanieren sei und zuwenig darüber nachgedacht, zu welchem Zweck man überhaupt die Landesfinanzen konsolidieren wolle.Die Spardebatte des ablaufenden Jahres habe nach innen und nach außen den Eindruck vermittelt, Berlin sei nicht mehr handlungsfähig.Während in der Vergangenheit die Lage der Stadt von außerhalb stets positiver als von innen beurteilt wurde, sieht Schönbohm in den letzten Monaten eine "gewisse Akzentverschiebung".Berlin könne zwar noch immer auf das reichhaltigste Kulturangebot aller europäischen Hauptstädte verweisen.Da sich durch die Haushaltsdebatte der Eindruck ergeben habe, Sparen sei das einzige Thema, laufe Berlin Gefahr, auch auf dem Kultursektor an Renommee zu verlieren. Wenn im kommenden Jahr im Senat wie auf allen politischen Ebenen nicht Einzelinteressen hinter Gemeinschaftsinteressen der Stadt zurückstünden, bestünde die Gefahr, daß der Senat "weiter so wurschtelt wie bisher".Als die zentrale Frage, ob Berlin strukturellen Veränderungen offen gegenüberstehe, bezeichnet Schönbohm die Durchsetzung der Bezirksgebietsreform."Wenn diese Reform scheitert, wenn am Ende der Diskussion nur ein Mäuslein geboren wird, sind wir alle beschädigt und die politische Glaubwürdigkeit in Frage gestellt.Das betrifft den Ruf der Stadt wie ihre Fähigkeit, wichtige Maßnahmen aus eigener Kraft durchzusetzen", so Schönbohm. Einen durchgreifenden Mentalitätswechseln und mehr eigenverantwortliches Denken und Handeln fordert Schönbohm auch von den Mitarbeitern im öffentlichen Dienst Berlins.Das Land könne seine Rolle als größter Arbeitgeber weder durchhalten noch bestehe dafür aufgrund der Aufgabenstellung eine Notwendigkeit.Durch die Verwaltungsreform und die dezentrale Verlagerung der Verantwortung vor Ort müßten die Mitarbeiter ihre Aufgabe mehr als Dienst am Bürger verstehen.Hierbei müßten sich insbesondere die Personalräte die Frage stellen, ob sie durch ihre teilweise harte Verweigerungshaltung, beispielsweise bei Öffnungszeiten der Behörden, mehr Bürgerfreundlichkeit verhindern und dem Ansehen des öffentlichen Dienstes weiter schadeten.Schönbohm: "Die Bürger werden sich das auf Dauer nicht gefallen lassen." Der Prozeß, daß sich der öffentliche Dienst als Dienstleister begreife, werde nicht über Nacht abgeschlossen sein.Die Personalvertreter müßten aber gewillt sein, diesen Weg mitzugehen.Dann würden spürbare Ergebnisse in den nächsten fünf Jahren folgen.Zwar seien erste Ansätze für eine größere Flexibilisierung erkennbar, die gesamte Diskussion werde aber vom notwendigen Stellenabbau überlagert.Betriebsbedingte Kündigungen schließt Schönbohm für 1997 aus.In den Folgejahren werde es aber davon abhängen, wieviele Mitarbeiter von den Angeboten zum Ausstieg aus dem Staatsdienst Gebrauch machten."Wie das 1998 und 1999 aussieht, vermag ich im Augenblick nicht einzuschätzen.Wenn wir die Sparziele nicht erreichen und die Haushaltslage wirklich dramatisch ist, hoffe ich auf dieses Mittel nicht zurückgreifen zu müssen." Eine Nullrunde im öffentlichen Dienst Berlins, abseits der Bundesregelungen, wird vom Innensenator strikt abgelehnt.Nach dem Ausschluß aus der Tarifgemeinschaft der Länder - wegen der 100prozentigen Lohnangleichung im Ost-Teil - seien Sonderregelungen zu Gunsten oder zu Lasten der Mitarbeiter in keiner Weise zu rechtfertigen.Auch sei es geboten, nach der Einigung über den Haushalt das Beförderungsverbot in Land Berlin aufzuheben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false