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Warten auf die Spiele. Ein wenig Olympia ist ja schon da in Berlin – auch wenn es nur die Ringe und das Stadion sind.

© Mike Wolff

Der Stand der Ringe: Ist Berlin bereit für die Olympischen Spiele?

Die letzte Olympia-Bewerbung endete mit einem Fiasko, ist aber auch schon ewig her. Jetzt fordern einige Berliner einen neuen Anlauf. Ein Pro & Contra.

Dem Olympiastadion hätte man zum 75. Geburtstag in diesem Jahr kein schöneres Geschenk machen können als dieses: Olympische Spiele für Berlin zu fordern. Darin sind sich die Parteien in Berlin fast einig, und an der Spitze formuliert der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit: „Berlin ist bereit für Olympische Spiele.“

Auf den ersten Blick ist es schon erstaunlich, dass die Spiele für Berlin überhaupt noch einmal ein Thema geworden sind. Denn die Bewerbung um die Sommerspiele 2000 gehört zu den peinlichsten Geschichten, die in der Stadt seit dem Mauerfall passiert sind. Sie ist zum Sinnbild geworden für Filz, Korruption und Selbstbedienungsmentalität.

Nur einige Auszüge: prominente Sportler wie Steffi Graf, Boris Becker oder Franz Beckenbauer sollten für die Bewerbung als Botschafter auftreten. Bloß hatten einige von ihrem Auftrag gar nichts erfahren. Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) wurden in Berlin bewirtet, beherbergt und beschenkt – ihre Ehefrauen gleich noch dazu. Auch sich selbst und befreundeten Agenturen machten die Berliner Bewerbungschefs die Taschen voll. Damit nicht genug: Die Bewerbungsgesellschaft ließ geheime Dossiers mit den sexuellen Vorlieben der IOC-Mitglieder anlegen. Pech für die Bewerbung, dass die Öffentlichkeit davon erfuhr.

Nicht zu vergessen die militanten Olympiagegner, die an Autos und Gebäuden zündelten und einigen Sachschaden anrichteten. „NOlympia“ war fast so gut organisiert wie die Bewerbungsgesellschaft. Und am Sitz des Internationalen Olympischen Komitees in Lausanne wurden nicht nur die offiziellen Bewerbungsunterlagen Berlins abgegeben, sondern auch auch ein Video der Olympiagegner. Am Ende des Videos verspricht ein vermummter Punk mit Pflasterstein in der Hand den IOC-Mitgliedern: „We will wait for you.“

Was als Vereinigungsspiele gedacht war, als Maßnahme, um die Stadt vor den Augen der Weltöffentlichkeit zusammenzuführen, endete in einem Desaster. Als es im September 1993 in Monte Carlo zur Abstimmung kam, erhielt Berlin nur neun von 89 Stimmen. Die Spiele 2000 fanden schließlich in Sydney statt und gingen als besonders fröhlich in die olympische Geschichte ein.

Berlin arbeitete dagegen über Jahre sein Debakel auf. Klaus Wowereit erzählte, dass die Olympiapleite zu seinen ersten parlamentarischen Erfahrungen gehörte: „ Da musste ich als Neuling im Parlament sprechen, weil keiner von den Altvorderen sich traute. Bei den Festivitäten davor waren sie aber alle dabei.“ Sein Auftritt vor dem Parlament sei ihm nicht leichtgefallen. „Ich war immer ein Olympiabefürworter. Aber als ich den Untersuchungsbericht gelesen hatte, hatte ich Schwierigkeiten, diese Bewerbung zu verteidigen.“

Als in Deutschland wieder der Willen zu einer Bewerbung um Sommerspiele aufkam, für das Jahr 2012, überboten sich deutsche Städte mit ihrem Interesse: Hamburg, Düsseldorf, Stuttgart, Frankfurt am Main, Leipzig – nur Berlin wollte nicht. Zu tief hatten sich die Erinnerungen an das Scheitern eingegraben und zu hoch waren die Schulden der Stadt.

Die Schulden sind geblieben, dennoch hat sich die Einstellung zu Olympischen Spielen gewandelt. Das hat mehrere Gründe. Zum einen kann Berlin mit Sportstätten antreten, die nach der Bewerbung von 1993 bereits verwirklicht wurden: die Max- Schmeling-Halle, das Velodrom und die Schwimmhalle. Zum anderen sind Olympische Spiele immer auch ein Ereignis zur Verbesserung der städtischen Infrastruktur, und ein olympisches Dorf könnte nach den Spielen in erschwinglichen Wohnraum umgewandelt werden. Auch das Selbstverständnis der Stadt als Ereignismetropole trägt wohl seinen Teil dazu bei.

Dennoch könnte es noch etwas dauern, bis Berlin überhaupt wieder in die Nähe einer Olympiabewerbung kommt. Für die Sommerspiele 2020 sei die Zeit zu knapp, erklärte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und verwies auf eine ablaufende Frist Ende Juli. Auch 2024 könnte es aussichtslos sein, falls für 2020 eine europäische Stadt den Zuschlag erhalten sollte. Und außerdem muss der deutsche Sport erst einmal beraten, ob er sich tatsächlich wieder um Sommerspiele bewirbt oder lieber nicht doch noch einmal die gerade gescheiterten Münchner ins Rennen um Winterspiele schickt.

München hat sich Bedenkzeit für die Entscheidung um eine weitere Bewerbung für Winterspiele erbeten. Das Präsidium des DOSB will auch nicht so schnell über weitere Pläne befinden. Berlin hätte also noch einige Wochen und Monate Zeit, dem deutschen Sport zu zeigen, wie ernst es die Stadt mit Olympischen Spielen meint.

PRO: Warum Olympische Spiele Berlin gut tun würden lesen Sie auf Seite 2.

Wer den Olympia-Spirit auch nur einmal live erfahren hat, weiß, dass der Sport Unglaubliches für Stadt und Land bewegen kann. Olympische und Paralympische Spiele bergen für Berlin und Brandenburg ungeahnte Chancen, und die sollte sich die Region nicht entgehen lassen. Diese Stadt konnte das zuletzt bei beiden Fußball-Weltmeisterschaften spüren, als Berliner jeglicher Herkunft gemeinsam feierten und ihr Land der Welt locker und lebensfroh präsentierten. Schon 2006 eroberte sich die Sportnation die Deutschlandfahne von den Rechten zurück.

Berlin hat bewiesen, dass es anders als 2000 jetzt reif für Olympia ist. Die Voraussetzungen sind bestens: Viele Sportstätten sind vorhanden, es wären Spiele der kurzen Wege, und dass die Berliner die Hauptdisziplin Leichtathletik lieben, zeigen sie beim gut besuchten Istaf im Olympiastadion. Wenn auf dem stillgelegten Flughafen Tegel das Olympische und Paralympische Dorf entstünden, würde das zudem dem angespannten Wohnungsmarkt helfen.

Berlin sollte für seine Bewerbung offensiv auf die „Nolympics“-Fraktion in Politik und Gesellschaft zugehen. Bund und Länder wissen doch längst, dass Deutschland nur mit Berlin eine Olympia-Chance hat. Damit es heißt: And the winner is ... Berlin! Annette Kögel

CONTRA: Was gegen das Megaevent spricht lesen Sie auf Seite 3.

Bei der Abstimmung im Internationalen Olympischen Komitee für Berlin als Austragungsort Olympischer Spiele bekam die Stadt beim letzten Versuch von 89 abgegebenen Stimmen gerade mal neun – eine krachende Niederlage. Und eine teure dazu. Die reine Bewerbung kostete 25 Millionen Euro, und nach ihrem Scheitern wurden weiter die für nötig gehaltenen Anlagen errichtet, was noch mal 400 Millionen Euro kostete. Die wir nicht hatten. Wenn man nun sicher sein könnte, dass man beim nächsten Mal gewinnt und die Spiele per Saldo mit Profit abschließt, dann könnte man über eine neuerliche Bewerbung reden. Aber das Gegenteil ist der Fall. Zu dilettantisch, zu wenig überzeugend, die Konkurrenz zu stark: Berlin würde wieder gepumptes Geld in die Bewerbung pumpen und womöglich scheitern. München hat es gerade gezeigt. Die Bewerbungsgesellschaft hat 6,8 Millionen Euro Miese gemacht. Fast kann man sagen: zum Glück, denn für die Organisation der Spiele hatte sie 1,3 Milliarden veranschlagt. Milliarden! Auch wenn der Bund einen Teil trägt: So lange es Staatsgeld ist, kommt es vom Steuerzahler. Das soll kein Plädoyer gegen Olympia sein, aber eins gegen die Finanzierung unsicherer Großprojekte in einer Zeit der Haushaltsnot. Denn für die meisten Austragungsorte war Olympia ein Verlustgeschäft. Fatina Keilani

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