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Sicher feiern. Wegen der Vielzahl von Events, hier die Loveparade 2000, hat Berlin große Erfahrungen mit Massenveranstaltungen. Auch während der Fußball-WM gab es keine Probleme – mehrfach wurde die Fanmeile an der Siegessäule wegen Überfüllung gesperrt. Foto: ddp

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Nach Loveparade-Katastrophe: Der Tiergarten ist der beste Fluchtweg

Nach der Loveparade-Katastrophe von Duisburg überprüfen die Behörden, Polizei und Veranstalter das Berliner Sicherheitskonzept bei Großveranstaltungen. Die Zeichen stehen auf Entwarnung.

Die Zeichen stehen auf Entwarnung in Berlin. Angesichts der Katastrophe auf der Loveparade in Duisburg, bei der am Wochenende 20 Menschen starben und 511 Menschen zum Teil schwer verletzt wurden, beruhigt Wilfried Gräfling, Leiter der Berliner Feuerwehr: „Man kann Duisburg überhaupt nicht mit Berlin vergleichen, wir haben hier optimale Bedingungen für Großveranstaltungen.“

Dazu zähle an oberster Stelle der Veranstaltungsort: Auf der Straße des 17. Juni, wo Events mit mehreren hunderttausend Besuchern fast ausschließlich stattfinden, können die Menschenmassen im Bedarfsfall leicht in den Tiergarten entweichen. „Deshalb benutzen wir Zäune, die niedrig und leicht auszuheben oder umzuwerfen sind“, sagt Willy Kausch, seit 17 Jahren Veranstalter der Silvesterfeier am Brandenburger Tor sowie Organisator der Fanmeile. „Und deshalb nehmen wir es auch in Kauf, wenn die fliehenden Menschenmassen im Notfall den Tiergarten zertrampeln würden, um sich in Sicherheit zu bringen“, sagt Stephan von Dassel (Grüne), Sozialstadtrat von Mitte.

Doch natürlich werde jedes bestehende Sicherheitskonzept jetzt erneut besonders sorgfältig von Veranstaltern, Bezirken, der Feuerwehr und Polizei geprüft, so von Dassel. Und Gräfling schlägt vor: „Sinnvoll wäre es, Einsicht in das Duisburger Sicherheitskonzept zu bekommen, um aus möglichen Fehlern lernen zu können.“ Doch da die dortige Staatsanwaltschaft die Ermittlungen übernommen hat, ist mit dieser Möglichkeit zunächst nicht zu rechnen.

„Das Wichtigste, um eine Massenpanik zu verhindern, ist immer Prävention”, betont Veranstaltungsprofi Kausch. Außerdem sei langjährige Erfahrung unbezahlbar, wenn man, anders als in Duisburg, eine Veranstaltung stets am gleichen Ort organisieren könne. Ähnlich argumentieren auch der Geschäftsführer der Max-Schmeling-Halle und des Velodroms, Sally Julian Rothholz, sowie Joachim E. Thomas, Geschäftsführer des Olympiastadions. Der lobt das ausgefeilte Sicherheitskonzept bei Fußballspielen und Konzerten: „Dank Fluchtbrücken und Treppenanlagen können 70 000 Menschen in zwölf Minuten komplett das Stadion verlassen”, so Thomas. Zur Prävention gehören außerdem mehrere Zu- und Abgangsmöglichkeiten für die Menschenströme, ausreichend Fluchtwege, eine möglichst flächendeckende Videoüberwachung und Teams aus Polizei, Feuerwehr und veranstaltereigenen Sicherheitskräften, die im Bedarfsfall gut und schnell zusammenarbeiten. Und die den Veranstaltungsbereich rechtzeitig sperren, wenn es darin zu voll wird. „Wir nutzen auch die Möglichkeit, volle S-Bahnen an einem bereits überfüllten Bahnhof nicht halten zu lassen“, sagt Kausch. Natürlich gebe es immer Besucher, die sich über solche als Willkür empfundenen vorbeugenden Maßnahmen aufregten, zu denen auch das Verbot von Feuerwerkskörpern auf der Silvesterfeier gehört. Sicherheit gehe aber eben immer vor, so Kausch.

Die ging auch vor, als sich der Bezirk Mitte zusammen mit der Berliner Feuerwehr nach langen Auseinandersetzungen am Ende erfolgreich gegen die Pläne des Senats wehrte, die WM-Fanmeile 2006 auf einer neu angelegten Wiese im Spreebogenpark zu veranstalten. Ganze 25 000 Menschen hätten hier Platz gehabt, wo es an den Abbruchkanten zur Spree mehrere Meter steil in die Tiefe ging. „Das wäre reiner Wahnsinn gewesen“, so von Dassel. Auch vehement Nein gesagt haben Feuerwehr und Polizei zu dem Konzept, das die zuletzt 2006 in Berlin von einer Millionen Menschen besuchte Loveparade wegen der Verwüstung des Tiergartens in die Häuserschluchten der Stadt verlegen wollte.

Angesichts dieser Entscheidung und der Duisburger Tragödie stellt sich die Frage, ob nur Zufall und Glück bei manchen Veranstaltungen auf Berliner Straßen bisher Schlimmes verhindert haben. Wer voriges Jahr bei der Zwanzigjahrfeier zum Mauerfall in der Menge eingequetscht den Riesen-Marionetten zugesehen oder die zeitweise beklemmende Enge auf dem Kreuzberger „Myfest” erlebt hat, mag die Bedenken teilen.

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