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Berlin: Die Apokalypse lauert überall

Vom Alten Testament bis zu Ernst JüngerIngo Bach "Und in denselben Tagen werden die Menschen den Tod suchen und nicht finden, werden begehren zu sterben und der Tod wird vor ihnen fliehen." Die Offenbarung des Johannes in der Bibel ist eine der eindrücklichsten und schrecklichsten Prophezeiungen des Endes der Welt - und des Beginns einer neuen Zeit, in der Gott auf der Erde herrscht.

Vom Alten Testament bis zu Ernst JüngerIngo Bach

"Und in denselben Tagen werden die Menschen den Tod suchen und nicht finden, werden begehren zu sterben und der Tod wird vor ihnen fliehen." Die Offenbarung des Johannes in der Bibel ist eine der eindrücklichsten und schrecklichsten Prophezeiungen des Endes der Welt - und des Beginns einer neuen Zeit, in der Gott auf der Erde herrscht. Wahrscheinlich ist es diese Mischung aus grausamsten Untergangsschilderungen und dem Neuanfang einer herrlichen Ewigkeit, der solch apokalyptischen Schriften zu allen Zeiten eine so große Popularität bescherte.

Der bevorstehende Jahrtausendwechsel beschert Untergangspropheten eine Hochkunjunktur. Die Weissagungen des Nostradamus über den bevorstehende Untergang werden in Rekordauflagen gedruckt und allein im deutschsprachigen Bereich des Internet finden sich knapp 10 000 Einträge zu den Stichworten Apokalypse und Endzeit. In einer Ringvorlesung nimmt sich nun auch die Freie Universität dieses Themas an. Unter dem Thema "Endzeit" soll die Angst vor und die Sucht nach dem menschlichen Finale in verschiedenen Kulturen von der Antike bis in die Gegenwart beleuchtet werden.

"Seitdem sich die Menschen mit Geschichte beschäftigen, dachten sie auch über ihr Ende nach," sagte Alexander Demandt, Althistoriker an der FU, in seiner Einführungsvorlesung. Dabei ging es wesentlich öfter um pessimistische Aussichten, als um optimistische Erwartungen. Auch die Griechen hatten ein Faible fürs Klagen, in was für schlechten Zeiten man lebe. Der Dichter Hesiod jammerte um 700 v. Chr., Gesetz und Recht seien der Gewalt gewichen.

Diese pessimistische Grundhaltung änderte sich mit dem Aufstieg des Römischen Reiches ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. Die Zeitgenossen sahen ein goldenes Zeitalter heranbrechen. "Die gesamte Mittelmeerwelt war von Rom zu einem organischen Ganzen verbunden worden, dessen Gedeihen in Frieden bevorstand", so Demandt. Für den griechischen Historiker Polybios war mit dem Imperium Romanum die letzte Stufe der Geschichte erreicht. Doch war er weit davon entfernt, nun einen Stillstand zu vermuten. "Überall, wo Freiheit und Macht lange zugleich bestehen, werden Menschen nach dem Gesetz der Natur der herrschenden Verhältnisse überdrüssig. Sie suchen sich einen Herrn (der dann die Lage ändert) und wundern sich dann, welch schlechten Tausch sie gemacht haben", schreibt er.

Untergangsprophetien, ja geradezu eine Untergangssehnsucht, schaffte sich mit der Verbreitung des Christentums erneut Bahn im Denken der Menschen. Sehnsucht deshalb, weil dem "Jüngsten Gericht" das Reich Gottes folgen sollte. Die Ölbergpredigt (Matthäus 24) und besonders die Johannes-Apokalypse sind die grundlegenden Schriften zu dieser Thematik. Wenn Jesus ein zweites Mal erscheine, sei es Zeit für das Weltgericht. Bis dahin sollte die Welt missioniert werden. Erst wenn die vorausbestimmte Zahl der 144 000 Frommen für das Himmelreich erfüllt sei, käme das Ende.

Kein Wunder also, dass es im Mittelalter Überlegungen gab, das Weltgericht selbst herbeizuführen und damit früher in das Gottesreich zu kommen. Papst Pius II. schrieb 1461 an den türkischen Sultan Mohammed II., doch zum christlichen Glauben überzuwechseln, dann werde das Goldene Zeitalter zurückkehren.

Nach der französischen Revolution von 1789 wurde die Idee des Endes aller Zeiten auch für aufgeklärtere Gemüter drängender. Eine der einflussreichsten Endzeitprophetien des 19. Jahrhunderts, so Demandt, sei die von Marx und Engels in die Welt gesetzte Idee des Kommunismus gewesen. In ihrem Gedankengebäude gibt es durchaus Parallelen zur christlichen Heilsgeschichte. Marx schlüpfte - wider Willen - in die Rolle des Messias, Propheten wie Friedrich Engels oder Ferdinand Lasalle tauchten auf. Die Zeitenwende heißt nicht Apokalypse, sondern Weltrevolution. Und der Kommunismus, das ist natürlich das Paradies.

In den 20er Jahren unseres Jahrhunderts rief Oswald Spengler dann das Ende des Abendlandes aus. Die Weltgeschichte zerfalle in etwa acht 1000jährige Hochkulturen, wobei die letzte, die abendländische, um 2000 enden werde. "Dann lebe man in einer kultur- und geschichtslosen Endphase, die zwar noch lange dauern könne, aber ohne dass die erschöpfte Kulturseele noch neue Blüten bringe", fasst Alexander Demandt das Spenglersche Weltbild zusammen.

Auch der seine Zeit und Generation prägende Schriftsteller Ernst Jünger sah den Jahrtausendwechsel als ein Finale. "Er prophezeit den Weltstaat, nicht jedoch den Weltfrieden", so Demandt. Der Terrorismus werde zunehmen, meint Jünger, doch seine Bekämpfung keine geschichtliche Bedeutung besitze, sondern eher eine kriminaltechnische. Man werde nur noch in den Tag hineinleben, ohne Geschichte - auch eine apokalyptische Vorstellung.

Allerdings feiern neben den Unheilspropheten auch die optimistischen Ausblicke gerade zum Ende des 20. Jahrhunderts vielbeachtete Auftritte. Im Revolutionsjahr 1989 erregte die These des amerikanischen Politologen Francis Fukuyama Aufsehen, dass die Demokratie das Ende der Geschichte sei: freie Marktwirtschaft, soziales Netz und Gewaltenteilung hätten sich nach dem Ende des Kommunismus und damit des beherrschenden großen Weltgegensatzes durchgesetzt. Damit wäre eine Art Paradies - eine für alle wohlgeordneten Lebenswelt - erreicht.

Der Historiker Alexander Demandt allerdings will das Ende der Geschichte noch nicht einläuten - schon aus berufsständischen Gründen nicht. Die Zukunft biete genug Konfliktstoff für Geschichte: der Fundamentalismus als Antwort auf Rationalisierung, der Regionalismus als Gegenbewegung zur Globalisierung oder der demographische Druck der armen menschenreichen Länder auf die reichen, aber menschenarmen. "Und sollten alle diese Kräfte ihre Sprengkraft verloren haben, ist noch immer kein Endzeiten-Sabbat in Sicht. Der allgemein-menschliche Drang zur periodischen großen Veränderung ist zu stark."Die Ringvorlesung findet immer dienstags von 18-20 Uhr statt. Ort: im Henry-Ford-Bau, Hörsaal B, Garystraße 35 © 1999

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