zum Hauptinhalt
Der Mann auf dem Shirt. Seit 37 Jahren betreibt Necip Cakir mit seiner Frau die Kupferkanne in Schöneberg.

©  Jens Lewandowski / promo

Die Kupferkanne in Schöneberg: Wie Stammgäste ihre Lieblingskneipe retten wollen

Mit einer T-Shirt-Aktion wollen junge Kneipengänger der Kneipe Kupferkanne helfen. Nach 40 Jahren war sie von der Schließung bedroht.

„Freundliche Gesellschaft statt Trübsinn und Einsamkeit“ heißt es auf der Getränkekarte der Kupferkanne der Schöneberger Steinmetzstraße. Alte Familienfotos und Momentaufnahmen aus vielen Jahren Kneipengeschichte zieren die holzvertäfelten Wände. Ein Dartautomat in der Ecke lädt zum Kneipensport. Von der Decke hängen blau-weiße Vereinswimpel, die verraten, für welchen Fußballclub das Herz der Kupferkanne schlägt.

Seit 37 Jahren betreibt Gastronom Necip Cakir die Kupferkanne, die er mit seiner Frau von den Schwiegereltern übernommen hat. „Erst wollten wir nur für ein paar Jahre aushelfen, aber dann sind wir bis heute geblieben.“ Im multikulturellen Steinmetzkiez fühlte sich das deutsch-türkische Paar auf Anhieb wohl.

In den vergangenen knapp vier Jahrzehnten haben Necip und Rose Cakir einiges erlebt. „Der Boxweltmeister Graciano Rocchigiani saß zwei Tage vor seinem Tod 2018 noch hier am Tresen und hat mit mir getrunken“, erinnert sich Cakir. Persönlichkeiten aus ganz verschiedenen Milieus kommen in der Kneipe miteinander ins Gespräch. Während in den umliegenden Hauptstraßen die Gentrifizierung voranschreitet, trotzt die Eckkneipe der Veränderung.

„Jeder ist willkommen und das Bier kostet immer noch 2,80 Euro“, sagt Cakir. Auch nach 40 Jahren Betrieb bleibt sich das kultige Trink-Biotop als ein Ort des Austauschs und der Freundschaft treu. Doch fast wäre alles vorbei gewesen – wegen Corona mussten auch die Cakirs ihren Laden für zehn Wochen dichtmachen. „Wären die Jungs nicht mit ihrer tollen Idee auf mich zugekommen, würde es die Kupferkanne vielleicht gar nicht mehr geben“.

Mit den Jungs meint Cakir das selbsternannte Kupferkannen-Kollektiv, eine Gruppe von jungen Stammgästen, die schon seit Jahren auf Bier und Korn in die Kneipe kommen. „Die Kanne ist quasi unser Wohnzimmer. Zuerst haben wir eigentlich nur was zum Fußballgucken gesucht, aber dann sind wir immer öfter hergekommen“, erzählen Constantin Weyermann und Dustin Paul. Beide arbeiten als Projektmanager in einer Eventagentur und gehören zu den Initiatoren der Soli-Aktion „Alle für die Kanne“.

Das T-Shirt mit dem „Kupferkanne“-Logo.
Das T-Shirt mit dem „Kupferkanne“-Logo.

© Jens Lewandowski/promo

Der Schriftzug „Schultheiss“ ist durch „Kupferkanne“ ersetzt

Gegenstand der Aktion ist ein T-Shirt, das die Gruppe selbst designt und produziert hat – erhältlich für eine Spende von 25 Euro. Für das Design des Shirts hat der Berliner Bierbrauer Schultheiss sein Markenlogo freigegeben. Das Gesicht im Schultheiss-Emblem ist ausgetauscht worden, nun lächelt Necip Cakir vom Shirt, in der Hand ein großes Bier.

Den Schriftzug „Schultheiss“ hat das Kollektiv durch „Kupferkanne“ ersetzt. „Mit den T-Shirts wollten wir Necip und Rose einfach mal was zurückgeben“, erklärt Paul. „Dass die Aktion so gut ankommt, hätten wir niemals gedacht.“ Anfangs hatte die Gruppe Zweifel, ob sie die 100 Stück aus der ersten Produktion überhaupt verkaufen würde. Mittlerweile sind mehr als 320 Shirts verkauft, zwei davon wurden sogar aus den USA bestellt –der Erlös geht vollständig an Necip und Rose Cakir.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Eine schöne Erinnerung an den Zusammenhalt in Zeiten der Krise, findet Necip Cakir. „Die Idee, statt einem Spendenaufruf Shirts zu verkaufen, hat mich direkt überzeugt. So kann ich den Leuten auch was zurückgeben.“ Eine super Idee, findet auch Horst Beldig, einer von Cakirs ältesten Stammgästen. Der 74-jährige ehemalige Elektriker wohnt um die Ecke in der Bülowstraße. Dass in der Kupferkanne junge und alte Menschen zusammen am Tresen sitzen, sei etwas Besonderes. „Die steigenden Mieten bedrohen die Existenz der Alt-Berliner Kiezkneipen. Wenn die Kiezkneipen aussterben, geht auch eine alte Tradition verloren. Schön zu sehen, dass sich die jungen Leute mit den Shirts für den Erhalt der Kneipenkultur einsetzen“, findet Beldig.

„Zusammen sind wir stärker“, meint Necip Cakir. So sehen das viele andere auch – und zwar nicht nur die Jungs von der Shirt-Initiative. Die hauptsächlich über Instagram gelaufene Aktion wurde von vielen Freunden der Kupferkanne geteilt, darunter auch von Lokalgrößen aus der Berliner Rapszene wie Shacke One oder den Saftboys.

Zwei Wochen vor der Wiedereröffnung der Kupferkanne Anfang Juni lief die T-Shirt-Aktion an, viele holten ihre Shirts direkt in der Kneipe ab. Die älteren Stammgäste bestellten direkt vor Ort. Weil die Nachfrage bestehen blieb, wurde nun nachproduziert. „Schon erstaunlich wie die Leute auf die Shirts abgegangen sind. Wir haben aber auch 'ne Menge Arbeit in die Aktion gesteckt“, sagt Weyermann.

Die Arbeit hat sich gelohnt – vor allem für die Kupferkanne. Zur Freude von Necip Cakir kam mit der Wiedereröffnung auch direkt die Kundschaft zurück. Startschwierigkeiten gab es keine, die Tische waren ab dem ersten Tag wieder voll. Draußen konnten weitere Sitzgelegenheiten aufgebaut werden. Dass der Einstieg so problemlos lief, sei bestimmt nicht nur auf den großen Durst seiner Gäste zurückzuführen. „Ich sehe viele, die das T-Shirt tragen“, sagt Cakir. Wenn die Beschränkungen wieder aufgehoben sind, will er eine große Party feiern. Mit allen zusammen, ohne Abstand.

Shirts gibt es in der Kupferkanne, Steinmetzstraße 18. Täglich geöffnet ab 10 Uhr morgens bis open end. Weiteres zur Aktion: instagram/alle_fuer_die_kanne.

Bruno Gaigl

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false