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Berlin: Die Last der Republik

Nach 13 Jahren ist der asbestsanierte Palast erstmals wieder für Besucher zugänglich – und das Interesse der Berliner ist riesengroß

Der graubärtige Mann parkt seinen alten Mercedes direkt am Bauzaun und drängelt sich lächelnd zwischen den Wartenden zum Eingang durch. Irgendwie scheint die Schlange dem Ort angemessen: Es ist der Palast der Republik, vor dem die Menschen warten. Anlässlich der „Schaustelle Berlin“ ist der ausgeweidete Koloss in diesem Monat zum ersten Mal seit 13 Jahren wieder öffentlich zugänglich – zumindest für diejenigen, die sich rechtzeitig Karten für eine der begehrten Führungen sichern. Der Mann, der sich soeben durchgedrängelt hat, ist Manfred Prasser, 70 Jahre alt und Architekt des Großen Saales.

Prasser hat nicht geglaubt, dass er je wieder das Foyer betreten würde. Früher hingen hier die vielen Kugelleuchter, die dem Palast den Namen „Erichs Lampenladen“ einbrachten. Jetzt müssen ein paar Neonröhren reichen. Und das Tageslicht, das gar nicht so braun ankommt, wie es die verspiegelten Fenster von außen vermuten lassen. Es schimmert eher türkis durch die ungeputzten Scheiben. Mit jeder Treppenstufe aufwärts wird es heller. Oft reicht der Blick zu allen vier Fensterfronten. Viel Innenleben hat die gerade beendete Asbestsanierung dem Palast nicht gelassen. Nur die Betondecken und ein Gerüst aus mächtigen Stahlträgern sind geblieben. Wie Scherenschnitte erscheinen die Besucher vor den Fenstern, ihre Schritte hallen durch das riesige Skelett. Jemand hat das Wort „Liebe“ auf ein Fenster gepinselt. Gegenüber hat einer „Scheiß Bayern!“ ans Glas gesprüht – zum Spaß, mit herzförmigem Ausrufezeichen.

In der zweiten Etage bleibt Prasser stehen, um den Umriss der riesigen Bienenwabe zu betrachten, die er vor 30 Jahren zwischen all die rechten Winkel gepflanzt hat. Eine Wabe mit Platz für 5000 Personen. „Das Sechseck war eine Art Kuckucksei, denn eigentlich sollte der Große Saal eine rechteckige Kiste werden“, sagt Prasser. Sie hatten ihn erst nach Baubeginn dazugeholt, und als er sagte, dass er mit dieser „müden Kiste“ nichts anfangen könne, haben sie nach heftiger Diskussion alles umgeworfen und ihn das Sechseck bauen lassen – mit Hubbühne und Wänden, die in der Decke verschwinden konnten und einer technischen Ausstattung, die von Hochseilartistik bis zum internationalen Kongress praktisch alles erlaubte.

„Eine Wagner-Oper in dieser Arena wäre fantastisch“, sagt Prasser über die Pläne des Vereins „Zwischen-Palast-Nutzung“, der dem Skelett noch einmal kulturelles Leben einhauchen will und dafür Sponsoren sucht, weil Bund und Land nichts beisteuern wollen. Für eine provisorische Nutzung müssten mindestens 1,2 Millionen Euro aufgetrieben werden. Interessenten gebe es zuhauf; weit oben auf der Liste stünden etwa die Staatsoper und der Club WMF. Allein die Leere macht das Gebäude zum Ereignis. Aber ob genug Geld für einen provisorischen Betrieb zusammenkommt, ist ungewiss.

Friedrich-Leopold von Stechow vom Schaustellen-Veranstalter „Partner für Berlin“ hofft, dass die Führungen eine Initialzündung für die Wiederbelebung des Palastes sein könnten. „Alle wollen rein“, sagt er. Manfred Prasser findet, man könne „die Hauptstadt nicht immer nur mit Beachvolleyball beglücken“. Bis zum Abriss solle der Palast „vor allem denjenigen zur Verfügung stehen, mit deren Geld er gebaut wurde“. Von weitem hallen Schritte herüber: Eine Besucherin eilt mit leuchtenden Augen zu einem stählernen Stumpf, der aus der betonierten Weite ragt. Die Frau hat den Sockel der einstigen Glasblume im Foyer wiedergefunden.

Wegen der großen Nachfrage gibt es zusätzliche Führungstermine jeweils donnerstags und sonntags nachmittags. Karten kosten 5 Euro und sind an CTS-Theaterkassen und unter www.schaustelle.de zu bekommen.

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