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Der Sound der Politik.Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hat verraten, dass er auf die Musik von Maurice, Robin und Barry Gibb (von links nach rechts) steht. Die legendären Bee Gees feierten ja Comebacks während musikalisch völlig unterschiedlicher Epochen – was vielleicht ein gutes Beispiel für Politiker ist, die immer auf der Höhe der Zeit sein wollen. Fotos: Stephens & Carstensen/dpa

© picture-alliance / dpa

Die Lieblingsbands des Berliner Senats: Das ist Musik in Müllers Ohren

Der Regierende liebt die Bee Gees der Disco-Zeit, Frank Henkel ist eher für Howard Carpendale: Was Musik mit Politik zu tun hat? Auf jeden Fall: "Stayin' alive"

Wenn Notärzte einem Laien den richtigen Rhythmus für eine Notfall-Herzmassage nahe bringen wollen, dann sagen sie: „Singen Sie sich einfach ’Stayin alive‘ von den Bee Gees vor.“ Nicht wegen des inhaltlich nahe liegenden Titels, sondern weil absolut jeder das genaue Tempo dieses Songs kennt: Ah, ah, ah, ah, stayin’ alive…

Auch Michael Müller, unser Regierender Bürgermeister, schätzt diesen Titel, aber natürlich in einem ganz anderen Zusammenhang, als typische Tanz- und Schmusenummer seiner Generation. Kaum ein Interview persönlicher Art vergeht in letzter Zeit, ohne dass er „Stayin’ alive“ oder den noch anstrengenderen Bee Gees-Titel „How deep is your love“ als Lieblingsmusik nennt.

Aber bevor nun die Geschmackspolizei kommt und über flachsinnigen Geschmack lästert, wollen wir feststellen: Müller war um die 13, als diese Disco-Kracher herauskamen, und in dem Alter ist so gut wie alles erlaubt. Im Radio-Gespräch mit Bettina Rust hat er zudem ein erheblich breiteres Spektrum angedeutet und „Schwarz zu blau“ (Peter Fox – hey, Berlin!) sowie das amerikanisch retro-coole Duett „Creepin’in“ von Norah Jones und Dolly Parton genannt, bitte, damit ist er auf der sicheren Seite.

Musikgeschmack ist eine heikle persönliche Offenbarung

Nun kann das natürlich auch das Ergebnis einer langen Beratung in der Senatskanzlei gewesen sein. Denn Musikgeschmack ist eine heikle persönliche Offenbarung, gerade, wenn man als Regierungschef populär, aber nicht doof erscheinen will. Hätte Müller darauf beharrt, er höre am liebsten Streichquartette von Anton Webern sowie avantgardistischen Jazz, dann hätte man ihn als Angeber und Snob verlacht. Ein Bekenntnis zu, sagen wir, Hansi Hinterseer und Andrea Berg andererseits hätte den Hohn der Kulturmafia herausgefordert, mit der Müller ohnehin gerade im Clinch liegt.

Also ist der Bezug auf prägende Jugenderlebnisse auf jeden Fall ein guter Ausweg, zumal er notfalls verdeckt, dass der Betreffende seitdem gar keine andere Musik mehr gehört hat. Müllers Vorgänger Klaus Wowereit hat es ähnlich gehalten: Auch die „Nights in white satin“ von den Moody Blues müssen ihn mitten in der Pubertät erwischt haben, da sieht man notfalls darüber hinweg, dass es sich dabei um die schmalzigste Nummer der gesamten Pop-Geschichte handelt.

Innensenator Henkel bekennt sich hemmungslos zum Schlager

Wir haben ein wenig in den höheren Regionen der Berliner Politik herumgefragt, haben aber nur wenige Antworten bekommen, was an den erwähnten Gründen liegen mag. Immerhin: Innensenator Frank Henkel (CDU) bekennt sich hemmungslos zum Schlager – und das, obwohl er doch gerade Hören lernte, als die Beatles und Stones ihre ersten Hits hatten.

Interessanterweise bringt er zwei Musiker zusammen, deren Fanclubs sich eher feindlich gegenüber stehen dürften: Udo Lindenberg und Howard Carpendale. Zwei Lieder Carpendales gibt er als Lieblinge preis: „Ti amo“ und „Deine Spuren im Sand“. Parteifreunde wissen zu berichten, er trage Heuler wie diese gelegentlich in abendlicher Runde selbst vor… Sozialsenatorin Dilek Kolat (SPD) ist als Sängerin bislang nicht aufgefallen, als Hörerin schwärmt sie aber gerade für Helene Fischer und „Atemlos durch die Nacht“ – echt? Nein, nur ein Scherz. Lieber größer, viel größer: Barbra Streisand, „Woman in love“, das wär was für sie. 

Katrin Lompscher, auch schon einmal Senatorin und nun Vize-Fraktionschefin der Linken, hält sich hingegen mit einem Bekenntnis zu Bach, Händel und Mozart in einem alle Parteien und Generationen überwölbenden Geschmacksraum auf. Ja, hat denn keiner mehr was mit Karat und den Puhdys zu laufen?

Martin Delius, Fraktionschef der Piraten, jedenfalls auch nicht. Seine Jugend, sagt er, wurde maßgeblich geprägt von „Advanced Chemistry“ und deren Titel „Fremd im eigenen Land“. Das Lied habe ihn früh in seiner Jugend an Politik und deutschen Hip Hop herangeführt – beides auf einmal. Sage also keiner, es sei unwichtig, was Politiker so hören in ihrem Leben.

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