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Berlin: Die Modeguerilla

Plötzlich aufgetaucht und schnell wieder weg: Der temporäre Laden, in dem Jungdesigner ihre Arbeiten präsentieren

Glänzende Augen hat Kerstin Geffert bekommen, als die Chefin des Buchladens „pro qm“ sie fragte, ob sie nicht ihr Geschäft in der Alten Schönhauser Straße für zwei Monate mieten wolle. „Endlich ein eigener Laden“, dachte die PR-Frau von der Agentur Silk Relations. Die organisiert für einen norddeutschen Bierhersteller seit Januar 2004 einmal im Jahr in Berlin parallel eine Modenschau, auf der sieben junge deutsche Designer ihre Entwürfe zeigen dürfen. Und diese Entwürfe kann Kerstin Geffert nun endlich nicht nur präsentieren, sondern auch unter die Leute bringen.

Also noch ein Guerillashop: Der vom japanischen Designerlabel Comme des Garçons, sozusagen die Mutter aller Guerillashops, hat sich nach dreimaligem Ortswechsel in Berlin dazu entschlossen, sesshaft zu werden und ein richtiger, leicht zu findender Laden zu werden. Weil es inzwischen sogar Bücher über die Guerillataktik gibt, ist das Konzept ja auch ein wenig langweilig geworden.

Aber im Falle von „Beck’s Fashion Experience“ müsste man wohl auch eher von der berlintypischen „Zwischennutzung“ sprechen. Und die findet nicht etwa in einer Neuköllner Randlage zur Entschärfung eines Problemkiezes statt, sondern eben in der Alten Schönhauser Straße nahe dem Hackeschen Markt. Aber an dieser Stelle von Mitte kann man inzwischen schon wieder von einer kreativen Randlage sprechen. Denn wo noch vor kurzem individuell gestaltete Läden existierten, können sich jetzt nur noch große Firmen die immer weiter steigenden Mieten leisten: zum Beispiel Buffalo, Lee-Jeans und die Schuhmarke Vans, die die Räume nach der Zwischennutzung durch den Beck’s-Shop beziehen wird.

Nun wird also noch einmal an dieser Stelle für gut zwei Monate Mode verkauft, die vor allem eines ist: anspruchsvoll, und kommerziell gesehen, etwas sperrig. Zum Beispiel der Mantel aus grün-weiß gemustertem Fleecestoff mit neongelbem Kunststoff-Futter, Sultan-Ärmeln und barocken Schößchen an den Seiten, den Kerstin Geffert irgendwo ganz nach oben an die Decke hängen wird. „Da sieht er schön aus, und kaufen will den sowieso niemand. Zu viel Avantgarde für Berliner Straßen.“ Der Mantel ist ein Einzelstück von Nadine Möllenkamp, Absolventin der Antwerpener Königlichen Akademie, die berühmt ist für die comichafte Interpretation von Mode. Deshalb sei an dieser Stelle allen Manga-Mädchen gesagt: Hier werdet ihr fündig.

Im Shop geht es genau wie bei den Beck’s-Modenschauen nicht um Verkäuflichkeit, sondern um möglichst viel Kreativität. Die suchen die Juroren an den besten Modeschulen in Europa. Oft zeigen die ausgewählten Jungdesigner ihre Diplomkollektionen zum ersten Mal vor einem großen amüsierwütigen Publikum, das es nach einem Messetag voll mit tragbaren Kleidern etwas bunter haben möchte. Und natürlich vor allerlei Berliner Prominenz wie der begeisterten Barbara Becker, die im Januar direkt nach der letzten Show im E-Werk eines der verstörenden Patchwork-Strickkleider von Marie-Louise Vogt erstand. Diese wild gestrickten, aber ganz zauberhaften Gewänder gibt es auch im Beck’s-Shop zu bewundern. Um Ärger mit den Einzelhändlern zu vermeiden, hat sich Kerstin Geffert quasi mit ganz Mitte abgesprochen, um keine Doubletten zu verkaufen. Deshalb ist die auf den Schauen von Beck’s herrschende Dominanz der Berliner Designer, von den insgesamt 35 bisherigen Teilnehmern arbeiten oder leben immerhin elf hier in der Stadt, nicht ganz so sichtbar. Einige von ihnen haben es gar nicht mehr nötig, in einem Guerillashop zu verkaufen: Marken wie Kaviar Gauche oder C. Neeon haben längst den Status von Berliner Frischlingen hinter sich gelassen, sie werden weltweit verkauft und gehypt. Aus Berlin dabei ist das Quartett Pulver. Wenn es nach den vier Designerinnen ginge, bekommen wir einen Korsagen-Sommer.

Beck’s Fashion Experience Shop bis 31. Mai 2007, Alte Schönhauser Str. 48, Mitte. Öffnungszeiten: Mo.–Fr. 12–20 Uhr, Sa. 12–18 Uhr

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