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Berlin: Die Musik siegt mit anderen Bildern aus Berlin - Ein europäisches Ereignis in der Philharmonie

Kultur und Chaos, das waren lange die Markenzeichen der Stadt; wobei Kultur immer schon für beide Teile galt und Chaos, besonders am 1. Mai, zur anscheinend unvermeidlichen Folklore zunächst des westlichen und dann des ganzen Berlin gehörte.

Kultur und Chaos, das waren lange die Markenzeichen der Stadt; wobei Kultur immer schon für beide Teile galt und Chaos, besonders am 1. Mai, zur anscheinend unvermeidlichen Folklore zunächst des westlichen und dann des ganzen Berlin gehörte. Ob es nun die Völker der Welt waren oder die Honoratioren der Bundesrepublik - wer in den ersten Frühlingstagen auf diese Stadt schaute, gruselte sich unweigerlich angesichts der martialischen Szenen ritualisierter Straßenschlachten. Für die Bonner lieferten solche Bilder immer beliebte Gegenargumente gegen den neuen Regierungssitz. Das ist längst ausgestanden. Nun mehren sich die Anlässe, zu denen die Stadt zeigen kann, wie erwachsen und gesellschaftsfähig sie ist. Die Fernsehbilder, die von diesem 1. Mai aus Berlin übertragen werden, wecken nicht mehr nur Grusel, sondern auch den Wunsch, dabeigewesen zu sein.

DaimlerChrysler und die Berliner Philharmoniker hatten sich zusammengetan, um zehn Jahre Europakonzerte zu zelebrieren. Die letzten fanden statt unter anderem in Prag, Florenz, Versailles und Krakau. Diesmal hatte man sich auch aus diesem Grund in Berlin versammelt: Es galt den 188. Geburtstag des Orchesters zu feiern. Dazu gratulierte Debis-Chef Klaus Mangold, der dann auch noch Bill Clinton zitierte: "Berlin ist alles, was Europa werden will." Der Vorstandsvorsitzende von DaimlerChrysler, Jürgen Schrempp, begründete die Ortswahl damit, dass Berlin "wie keine andere Stadt in Europa für den Zusammenschluss einer Nation, für die Überwindung der Grenzen zwischen Ost und West" stehe.

Zu großen Worten und grenzüberschreitendem Anlass zur Freude passt große Musik, besonders gut Beethoven. Hingerissen lauschten die Gäste dem Zweiten Klavierkonzert und dann der Neunten Sinfonie, beide aufgeführt mit herausragenden Solisten, wie dem Pianisten Mikhail Pletnev, der Sopranistin Karita Mattila und der Mezzosopranistin Violeta Urmana. Unter den Zuhörern waren nicht nur viele Vorstandsmitglieder von DaimlerChrysler und andere Top-Manager. Auch etwa zwanzig Botschafter und die chinesischen Minister Zhongxiong Cao (Eisenbahnen) und Jiagui Chen (Academy of Social Sciences) waren zum Konzert geladen. Hinzu kamen etliche Pfeiler des kulturellen Berlin wie Staatsminister Michael Naumann, Kultursenator Christoph Stölzl, Peter Raue, die Leiter der Europäischen Akademie, Eckart Stratenschulte, und der American Academy, Gary Smith, außerdem Ann-Kathrin Bauknecht, Klaus Bölling und Verteidigungsstaatssekretär Walther Stützle.

Man kann ja nicht oft genug in Dankbarkeit zurückschauen. Gegen das Chaos, das die Ewig-Gestrigen in anderen Teilen der Stadt anzetteln, steht ein festlich gestimmtes, hoch gebildetes Publikum, das schon vor den Türen der Philharmonie eingestimmt wurde von einem Bläser-Quintett aus St. Petersburg. Vielleicht ließe sich das am besten in einem Film darstellen. Dem berühmten Aufruf "Schaut auf diese Stadt", dem mit großem zeitlichem Abstand so viele Bilder von einem fortgesetzten Happy Ending folgen könnten.

Etwa eine Milliarde Zuschauer in aller Welt werden nach Schätzungen der Veranstalter die Übertragung dieses Konzerts im Fernsehen sehen. Auch das ist eine Art Sieg über das inzwischen etwas in die Jahre gekommene und entsprechend verspießerte Randale-Berlin.

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