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Gefährlicher Einsatz. 17 Brandsätze an verschiedenen Fundorten mussten Techniker schon entschärfen. Foto: dapd

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Berlin: Die Polizei macht den Fahrplan

Immer wieder wird der Zugverkehr wegen Brandsätzen an den Gleisen unterbrochen. Die Bahnkunden sind wütend

Der Donnerstag war der vierte Tag in Folge, an dem Kriminaltechniker ausrückten, um einen Brandsatz entlang von Bahngleisen zu untersuchen: Gegen kurz vor elf Uhr hatten Mitarbeiter eines Sicherheitsteams der Deutschen Bahn bei gezielten Kontrollgängen zwischen den S-Bahnhöfen Priesterweg und Südkreuz einen Brandsatz gefunden. Er soll in einem aufgedeckten Kabelschacht gelegen haben. Der S-Bahnverkehr war erneut beeinträchtigt.

Die Nerven vieler Fahrgäste am Südkreuz lagen blank, einige ließen ihre Wut offen an Mitarbeitern der Bahn aus. „Ich muss zur Arbeit! Bisher ist doch noch nichts wirklich passiert und wir lassen uns hier seit Tagen von diesen Idioten erpressen“, schimpft ein älterer Herr auf dem Bahnsteig. „Die Polizei entscheidet, wann die Züge wieder fahren, nicht wir“, wehrt sich der Mitarbeiter. „Glauben Sie, mir macht das Spaß? Ich wurde deshalb aus dem Urlaub zurückgeholt.“

Der Bahnverkehr auf den Linien S2 und S25 musste bis 13 Uhr unterbrochen werden. Die ICE-Strecke nach Leipzig war nicht beeinträchtigt, der Fernverkehr fuhr – allerdings mit einigen Einschränkungen. Auf der ICE-Strecke zwischen Berlin und Hamburg behob die Bahn immer noch die Schäden, die durch den Anschlag am Montag nahe Finkenkrug entstanden sind. Am Freitag soll der Verkehr auf dieser Strecke allerdings wieder normal fließen, in der Nacht von Donnerstag auf Freitag will die Bahn die nötigen Reparaturarbeiten endgültig abschließen. Die ICE-Strecke Berlin-Hannover wird bereits seit Donnerstagmittag wieder voll befahren.

Auch im Regionalverkehr rechnet die Bahn damit, dass es am Freitag kaum noch zu Einschränkungen kommt. Zwischen Nauen und Falkensee sollen wieder Züge fahren. Es sei zwar noch mit kleineren Verspätungen zu rechnen, sagte ein Sprecher der Bahn, ein Schienenersatzverkehr sei aber bereits nicht mehr geplant.

Zu dem am Donnerstag gefundenen Brandsatz wollte ein Sprecher der Polizei nicht sagen, ob es sich wie in den übrigen Fällen um eine mit Benzin gefüllte Plastikflasche handelte. Laut Generalbundesanwaltschaft, die die Ermittlungen wegen „Verdachts der verfassungsfeindlichen Sabotage“ führt, sind seit Montag 17 Brandsätze an mehreren Fundstellen in Berlin entdeckt worden. In der Nähe des Hauptbahnhofs gab es sowohl am Montag als auch am Dienstag Funde; in Schöneberg, in der Nähe des Südkreuzes, wurden am Mittwoch zweimal Brandsätze gefunden. Ob der bisher letzte Brandsatz vom Donnerstag bereits vor einigen Tagen abgelegt worden war, sei Gegenstand der Ermittlungen.

Die meisten Brandsätze konnten unschädlich gemacht werden, zwei nahe Finkenkrug zündeten aber. Ein ebenfalls gezündeter Brandsatz Nahe Staaken richtete kaum Schaden an.

Die Deutsche Bahn hat inzwischen 100 000 Euro für Hinweise ausgelobt, die zur Ergreifung der Täter führen. Wie ein Bahnsprecher sagte, dient diese ungewöhnlich hohe Summe dazu, „einen deutlichen Anreiz“ zu bieten, Kenntnisse zu den Anschlägen mitzuteilen. Der Sprecher betonte, dass die Bahn eingehende Hinweise umgehend an die Ermittlungsbehörden weiterleiten würde. Bei Kapitalverbrechen wie beispielsweise Mord setzt die Landespolizei in der Regel Belohnungen von 5000 Euro aus. Das Bundeskriminalamt, das im Fall der Brandanschläge ermittelt, wollte sich zur Höhe von Belohnungen und den Kriterien, die dafür gelten, am Donnerstag nicht äußern. Von Seiten der Deutschen Bahn hieß es, man habe schon mehrere Hinweise bekommen. Genaueres werde dazu aber aus ermittlungstaktischen Gründen nicht mitgeteilt.

Auch Inge Wiebling aus Pankow war am Südkreuz betroffen. „Ich weiß nicht, wie es einem politischen Kampf helfen soll, dass wir hier rumstehen“, sagte sie. „Ich musste hier gestern auch schon ewig warten, es nervt langsam“, pflichtete eine junge Frau ihr bei. tabu/csh/ses

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