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Berlin: Die Rapperin mit „dit Tuch in ihrem Haar“

Muslimin Sahira singt gegen Vorurteile – und macht sich ganz eigene Gedanken zu Terror und Koran

„Ick versteh nicht, warum die dit bloß mag, dit Tuch in ihrem Haar.“ So singt, rappt Sahira, 24, Berlinerin aus palästinensischer Familie. Acht Geschwister hat sie, einen Sohn, keinen Mann, keine Arbeit und ein Kopftuch, das Probleme macht.

Eine dieser Situationen: Als sie sich bei Woolworth beworben hatte, in Wedding, um einen Aushilfsjob, sagte man ihr: Kopftuch oder Job. Erstens: In Wedding! Wo so viele Muslime wohnen. Zweitens: „Soll ich mich etwa entscheiden zwischen Gott und einem Kassenjob?“ Und überhaupt: Kopftuch. Das Wort mag sie nicht. Sie sagt Haartuch.

Sahira sitzt vor einem kleinen Eiscafé und blinzelt in die Sonne. Sie mag den Besitzer, einen älteren Türken. Sie sagt „tesekür“, als er den Kaffee bringt, „danke“ auf Türkisch, und lacht: „Voll international.“

Eine Kopftuch tragende Rapperin, eine Berliner Palästinenserin, eine alleinerziehende Muslimin – man könnte das für unvereinbar halten, Sahira sieht das anders. Die junge Frau, die so hübsch und freundlich ist und gerne lacht, hat sich für einen eigenen Weg entschieden. Ein Spruch, der ihr gefällt, ist: „Freiheit heißt in Ketten tanzen.“

Nach dem 11. September fing sie an, sich für den Islam zu interessieren. Denn als Muslimin wurde sie geboren. In Charlottenburg. Ihre Eltern waren Anfang der 70er zum Studieren nach Berlin gekommen. „Meine Schwester schenkte mir einen Koran in einer guten Übersetzung“, sagt Sahira. Arabisch lesen kann sie nicht. Das lernt sie jetzt. Sie hatte Angst, im Koran etwas zu finden, das bedeuten könne, nehmt Flugzeuge und fliegt ins Hochhaus.

„Was, ich höre, dass ich störe?! Mal wieder nicht zum Inventar gehöre?! Ich schwöre, du hast nur Angst vor ’nem Blutbad.“

Die Angst vor religiösen Symbolen sei inzwischen überall, die sei sogar unter Muslimen. Neulich habe sie, die Kopftuchträgerin, im Café eine Frau, Türkin, am Nachbartisch gebeten, kurz auf ihre Tasche aufzupassen, die habe abgelehnt.

Das sei alles nicht normal, findet Sahira. Die islamistischen Terroristen hält sie nicht für Muslime. Richtige Muslime würden so etwas nicht tun. Als Sahira anfing, im Koran zu lesen, war ihr Sohn schon geboren und ihre kurze Ehe schon vorbei. Ihr gefiel, was sie las. Sie fing an zu beten. Für sich allein, nicht in der Moschee. Und irgendwann wollte sie auch den Kopf bedecken. Als Konsequenz aus der Lektüre. Aber auch als Reaktion auf das, was sie auf der Straße sah. Zu leicht bekleidete Mädchen, Tangas, die aus der Hose gucken, Push-up-BHs für Kinderbusen, alles so, wie die Werbung es vorgab: „Hey Girlie, du bist genau so, wie man dich haben will.“

Im November 2003 geht sie das erste Mal mit Haartuch aus dem Haus. Sie hat lange überlegt, ob sie stark genug dafür ist. Denn losgehen mit dem Tuch und es dann ablegen in der großen Pause, weil die anderen lästern, das hätte sie sich nicht verziehen. Das Tuch war auberginefarben. Alle fanden es gut, sagt sie. Auch die Mutter, die kein Tuch trägt.

„Bloß mein Mann sieht mich ganz wie ich bin, (...) weil ich ich ich’s so will.“

Dass die muslimische Frau grundsätzlich unterdrückt sein soll, regt sie auf, weil es so falsch ist. Sie gibt den Medien Schuld. „Es kann doch nicht sein, dass es keine vernünftigen Muslime gibt“, sagt sie, und ihre Stimme wird dabei laut und streng. Sie sieht sich auch um Vorbilder betrogen. Frauen mit Kopftuch tauchten im Fernsehen immer nur auf, wenn es um das Kopftuch geht. Nie, sagt sie, werde ein Kopftuch-Mädchen zu „Verlieben, Blumen oder Sex“ befragt. „Das gibt es halt nicht in Deutschland.“ Stattdessen: Ehrenmord, Islamismus, Terrorgefahr.

Sahira ist gebildet, darauf legten die Eltern Wert. Sie hat sich unabhängig gemacht, ein eigenes Label gegründet: Imanimusic. Imani heißt Glaube. Seit 15 Jahren macht sie Musik. Ihr ältester Bruder hat ihr Ice-T, Public Enemy, Mary J. Blige nahe gebracht. Sahira hat einen Computer mit Soundkarte und ihre Stimme. Damit macht sie Lieder, deren Texte oft treffen. Sie will sich nicht bevormunden lassen und selber entscheiden, wo und was sie singt. Nicht im selben Label erscheinen wie Gewalt liebende Gangstarapper.

„Jetzt mal zu euch Arabern. Möchtegern Gimmick alles Blablabla.(...) Ich bin nicht von euch. Alhamdoulilah (Gott sei Dank).“

Sie hat mal mit Bushido ein Lied aufgenommen. Da trug sie Kopftuch. Sie werde dafür nicht angemacht, sagt sie. Es sei eher Respekt gebietend. Inzwischen kann sie sich nicht mehr vorstellen, unbedeckt raus zu gehen.

Sie sagt: „Berlin ist mein Zuhause.“ Sie hat Familie im Libanon. Menschen, die Angst haben vor Bomben aus Israel, dem Land, dem Deutschland so tief verpflichtet ist. Das hält Sahira für die größte Schizophrenie ihres Lebens.

Mehr zu Sahira unter

www.imanimusic.de

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