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Berlin: Die schlimmste Panne seit Jahren: Fernzüge und S-Bahn lahmgelegt

Stromausfall mit Folgen: Zehntausende Fahrgäste saßen auf der Strecke fest.

Ein nur Sekunden dauernder Stromausfall um 13.35 Uhr hat gestern stundenlang weite Teile des Berliner S-Bahn- und Fernbahnnetzes lahmgelegt. Die Computer in drei elektronischen Stellwerken stürzten gleichzeitig ab. Zweieinhalb Stunden lang fielen bis 16 Uhr alle Fernzüge zwischen Zoo und Ostbahnhof aus, zehntausende Reisende kamen zu spät. Etwa 60 Züge endeten am Stadtrand oder wurden weiträumig um Berlin geleitet. Gleichzeitig blieben nach dem Stromausfall um 13.35 Uhr etwa 100 S-Bahn-Züge mehrerer Linien auf freier Strecke stehen. 12 000 Fahrgäste waren von der teilweise 90minütigen Unterbrechung betroffen .

So strandeten beispielsweise die Fahrgäste des IC 2100 aus Frankfurt/Main gegen 16.15 Uhr in Karlshorst – planmäßig sollte der IC um 15.52 Uhr am Bahnhof Zoo sein.„Es gab Durchsagen, dass der Zug nicht über die Stadtbahn fährt“, sagte ein Fahrgast des Intercity 2100 . Eine Begründung hätten die Schaffner nicht parat gehabt. Gestanden habe der Zug zwar nur zehn Minuten bei Michendorf, letztlich habe die Verspätung für fast alle Reisenden aber mehr als eine Stunde betragen, weil sie mit der S-Bahn Richtung West-Berlin weiterfahren mussten. Geschimpft wurde deshalb überall. „Die Stimmung war ganz schlecht“, so ein Bahnmitarbeiter.

Spezialisten der Bahn forschten gestern Abend nach der Ursache. Klar war, dass ein Bauteil nicht funktionierte, das die Versorgung der elektronischen Stellwerke auch bei einem Stromausfall sichern sollte. „Das ist nicht zu erklären“, sagte Eberhard Lorenz, Betriebsleiter der S-Bahn, dem Tagesspiegel. „Es ist der Fluch der Elektronik.“ Der Ausfall sei die größte Störung in den letzten zehn Jahren gewesen, sagte Lorenz. „Einen Ausfall von drei Stellwerken auf einmal hatten wir noch nie.“

Für die Fernbahn war nach dem Ende des Stromausfalls und dem Wiederhochfahren der Computer noch längst nicht alles in Ordnung. Denn viele Züge, die in Berlin starten sollten, fuhren zu spät los, weil die Waggons und Lokomotiven zu anderen Bahnhöfen umgeleitet worden waren und deshalb nicht pünktlich zur Abfahrt bereit gestellt werden konnten. Die Verspätungen wirkten sich im gesamten Bundesgebiet aus. Am Bahnhof Zoo waren Regionalzüge noch am Abend bis zu 30 Minuten verspätet, Fernzüge bis zu zehn Minuten.

Rätselraten herrscht weiter über die Ursache der Panne. Es handele sich um einen „schwerwiegenden Fehler“, sagte ein Sprecher lediglich. Da beim Elektronischen Stellwerk Fern- und S-Bahn bei der Stromversorgung zusammenhängen, waren durch den Stromausfall beide – sonst streng getrennte – Systeme betroffen. Bei einem Absturz der Stellwerksrechner springen alle Signale an den Strecken auf Rot – dies geschieht aus Sicherheitsgründen und automatisch. Nach 20 Minuten konnte auf den ersten S-Bahn-Strecken der Betrieb wieder aufgenommen werden. Bis 14.35 Uhr waren die Strecken von Westkreuz nach Spandau und der Nordring zwischen Westend und Greifswalder Straße lahm gelegt. Bis 15 Uhr war die Strecke Gesundbrunnen – Schönholz gesperrt – immerhin funktionierte in den Zügen die Heizung, es musste niemand frieren. (Siehe Kasten). Derzeit gibt es bei der S-Bahn neun Elektronische Stellwerke, die eine oder mehrere Abschnitte steuern. Das zehnte Stellwerk soll im Februar dieses Jahres auf der Wannseebahn in Betrieb genommen werden.

Für die Deutsche Bahn ist die zweieinhalbstündige Totalsperrung der Stadtbahn die größte Panne seit dem 24. Mai 1998. An diesem Tag sollte die Stadtbahn nach mehrjähriger Sanierung in Betrieb genommen werden – durch Computerpannen hatten Fernzüge bis zu fünf Stunden Verspätung.

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