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Berlin: Die Schwarzarbeit nimmt zu – auf Baustellen, in Kneipen, im Haushalt

Die Schattenwirtschaft verlagert sich in den privaten Bereich und in den Einzelhandel/Die Ermittler sprechen immer öfter von „organisierter Kriminalität“

Als die Ermittler des Arbeitsamtes an diesem Tag loszogen, einige Bäckereien Berlins zu überprüfen, hatten sie mit so einer Ausbeute nicht gerechnet: Von den 33 Beschäftigten in elf überprüften Läden hatten fünf nichtdeutsche Ladenhilfen gar keine Aufenthaltsgenehmigung, einer war ohne Arbeitsgenehmigung und mehr als 10 weitere besserten ihre Sozial- oder Arbeitslosenhilfe mit dem Bäckerslohn auf. Über fünfzig Prozent Schwarzarbeit – die Bilanz dieses kleinen Kontrollgangs im Jahr 2002.

Während in den 90er Jahren die Großbaustellen der Hauptstadt das Zentrum der Schwarzarbeit waren, haben sich jetzt die Gastronomie, der Einzelhandel, die Haushaltshilfen und kleinere, häufig private Baustellen zum Hauptproblem entwickelt. In Gaststätten etwa arbeitet wohl jeder dritte Beschäftigte illegal. Mehr und mehr beobachten die Ermittler Entwicklungen ähnlich der „organisierten Kriminalität“.

Allen groß angelegten Kontrollen zum Trotz ist Schwarzarbeit ein wachsender Wirtschaftszweig. Das Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg konstatiert in seinen jüngsten Zahlen für 2002: Berlin bleibt die Hochburg der Schwarzarbeit, Tendenz mit zweistelligen Zuwachsraten steigend. Insgesamt leiteten die Ermittler in der Region in 30 600 Fällen ein Verfahren wegen Schwarzarbeit ein. Auf 14 800 Fälle und damit um zwölf Prozent stieg die Zahl in Berlin, auf 15 800 Fälle und um sechs Prozent in Brandenburg.

Ein Fall, der bereits 2001 nach verdeckten Ermittlungen aufgespürt, aber erst im vergangenen Jahr in seinem ganzen Ausmaß bekannt wurde, zeigt die Entwicklung exemplarisch: Das Oberhaupt einer türkisch-kurdischen Familie hatte deutsche Männer aus dem „Alkoholiker- und Drogenmilieu“, wie es beim Arbeitsamt heißt, gegen Prämien angeworben. Diese gründeten fünf kleinere Strohmännerfirmen in der Baubranche, über die wiederum 68 illegale nichtdeutsche Arbeitskräfte beschäftigt wurden. Der Schaden betrug umgerechnet rund 700000 Euro.

Die Großbaustellen werden weniger und die Unternehmen achten eher auf Legalität. Deshalb hat das Arbeitsamt seine – verstärkten – Kontrollen jetzt auf andere Bereiche konzentriert und stellt branchenübergreifend Schwarzarbeit fest. Zur Schwarzarbeit zählt die Beschäftigung von Bauarbeitern unterhalb des Mindestlohns, die Beschäftigung von Ausländern ohne Aufenthaltsgenehmigung oder ohne Arbeitserlaubnis und Arbeit ohne Abgabenleistung allgemein. Ebenfalls als Schwarzarbeit gilt der Missbrauch von staatlichen Leistungen – das Aufbessern von Arbeitslosengeld oder -hilfe mit einem unangemeldeten Job. In allen Branchen rechnet das Arbeitsamt mit einem Leistungsmissbrauch von etwa 30 Prozent. Insgesamt wurden im 2002 in der Region mindestens 15,6 Millionen Euro zu viel an Leistungen gezahlt. Beim Missbrauch sind vorwiegend deutsche Beschäftigte ertappt worden – in Autowerkstätten, in Bäckereien, in Lebensmittelgeschäften und allgemein im Einzelhandel.

In der Baubranche werden hauptsächlich Männer aus der Ukraine, aus Weißrussland und aus Polen illegal beschäftigt; in Berlin zumeist bei Altbausanierungen oder Ladenrenovierungen, in Brandenburg häufig beim Eigenheimbau. In der Gastronomie sind die Ermittler in China-Restaurants fündig geworden, auch in deutschen Küchen und bei Italienern, die arabische Arbeitskräfte beschäftigen. Ermittlungserfolge erzielte das Arbeitsamt durch veränderte Arbeitszeiten: bei Kontrollen am Wochenende oder in der Nacht.

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