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Berlin: Die Unterhändler

SPDFür die Koalitionsverhandlungen von SPD, FDP und Grünen braucht der Regierende Bürgermeister einen großen Tisch und viele, viele Stühle. Die SPD rückt allein mit 13 Spitzenunterhändlern an, davon vier aus dem Osten und einige, die es lieber mit Rot-Rot versucht hätten.

SPD

Für die Koalitionsverhandlungen von SPD, FDP und Grünen braucht der Regierende Bürgermeister einen großen Tisch und viele, viele Stühle. Die SPD rückt allein mit 13 Spitzenunterhändlern an, davon vier aus dem Osten und einige, die es lieber mit Rot-Rot versucht hätten. Tonangebend ist natürlich das Dreigestirn Klaus Wowereit, Parteichef Peter Strieder und Fraktionschef Michael Müller. Es kommt auf das glasklare Ausverhandeln der dicken Brocken an, die sich um die Wirtschaftsförderung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik als Teile der Haushaltssanierung ranken. "Sonst funktioniert eine Dreier-Koalition nicht", heißt es.

Zum Thema Online Spezial: Berlin hat gewählt Wer sind die Hardliner, wer sind die Weichmacher? Taktiker Wowereit ist ein netter Plauderer, pflegt aber nicht viel zu sagen. Er verrät gerne seine Kochrezepte und Kunstgriffe beim Golf, lässt sich aber nie in die politischen Karten gucken. Er ist in der SPD der "Entscheidende", Dauerjogger Strieder der "Verbindende", der gern mal zur Auflockerung einen Witz reißt und Testballons für Kompromisse steigen lässt. Sie beherrschen das Spiel mit verteilten Rollen, der kommunikative Schweiger und sein fröhlicher Rhetoriker. Michael Müller arbeitet Wowereit zu, indem er unauffällig, aber bestimmt die Wünsche der Fraktion ins Spiel bringt. Für Hobbys hat der Fraktionschef, Wirtschaftspolitiker und Vater von zwei kleinen Kindern keine Zeit. Als Juniorchef einer kleinen Familiendruckerei weiß er, was der Mittelstand braucht.

Schulsenator Klaus Böger gilt als streng - je nervöser, um so strenger, reine Nervensache. Zur Ablenkung darf man sich mit ihm über seine Ferieninsel Sylt und seinen Hund unterhalten. Und dann ist noch der geballte Wirtschafts- und Finanzsachverstand da, auf dessen Durchsetzungswillen sich Wowereit hundertprozentig verlassen kann: Finanzsenatorin Christiane Krajewski, die andere wie die liebe Sonne zu wärmen versteht, und ihre Vor-Vorgängerin Annette Fugmann-Heesing, die als imponierender Eisberg gilt und jetzt mehr für die Wissenschaftspolitik steht. Sozialsenatorin und Hobbygärtnerin Gabriele Schöttler verteidigt zäh ihre Domäne. Fraktionsgeschäftsführer und Verkehrspolitiker Christian Gaebler ist zielbewusst bis zur Sturheit. In seinem Kirchenchor übt er gerade die Bach-Kantate: "Was frag ich nach der Welt". Für seine Vernunft ist Bezirksbürgermeister Klaus Ulbricht (Treptow-Köpenick) bekannt. Dafür war ihm schon die CDU bei Koalitionsgesprächen dankbar. Gru

FDP

Sondiert wurde zu dritt, verhandelt wird zu fünft. Die Kerngruppe der Liberalen, die aus dem Landes- und Fraktionschef Günter Rexrodt, dem Vize-Fraktionsvorsitzenden Marin Lindner und dem stellvertretenden Landesvorsitzenden Markus Löning besteht, wird nun erweitert, um die kommenden Herausforderungen zu bestehen. Schon an dem Kennenlern-Gespräch mit den Grünen, das heute stattfindet, nehmen auch der FDP-Sicherheitsexperte Alexander Ritzmann und der Vize-Landeschef Hans-Joachim Josewski teil. Damit ist das Team der FDP-Unterhändler für die Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen komplett.

Den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Rexrodt muss man nicht vorstellen. Lindner (37) ist Rechtsanwalt, Löning (41) betreibt eine Werbeagentur, Ritzmann (29) arbeitet in einer Personalberatung und Josewski (49) leitet die Filiale eines großen Leasing-Unternehmens. FDP-Laufbahnen aus dem Bilderbuch. Von dem Treffen, zu dem die Grünen die Freien Demokraten einluden, erwartet Josewski, "dass es der athmosphärischen Aufhellung dient". Es gehe darum alte Zerrbilder verschwinden zu lassen, sagt Lindner. "Wir sind nicht die bösen Neoliberalen und die Grünen nicht die zotteligen Alt-Ökos". Es gehe darum, ein vernünftiges persönliches Verhältnis zueinander aufzubauen.

Über Sachthemen wird heute selbstverständlich noch nicht geredet. Jedenfalls nicht im Detail. Weder FDP noch Grüne wollen den großen Koalitionspartner in spe, die Sozialdemokraten, verärgern. Verhandelt wird erst, wenn die Grünen auf einem Landesparteitag ihre Bereitschaft dazu erklären. Aber die FDP-Führung geht frohgemut davon aus, dass es zu Koalitionsgesprächen zwischen den drei Parteien kommt. Am Montag, im Landesvorstand und -ausschuss der Liberalen, war die Stimmung ausgesprohen gut. Wie schon lange nicht mehr. Landesausschuss-Sprecher Detlev Fricke sorgte für zusätzliche Heiterkeit, indem er das ausgesprochen traurige Protokoll einer FDP-Gremiensitzung von 1995 verlas, als Rexrodt nach dem Wahldesaster für die Freien Demokraten seinen Rücktritt als FDP-Landeschef erklärte.

Die Unterhändler der FDP hoffen darauf, dass die Koalitionsverhandlungen Mitte Dezember abgeschlossen werden können, um noch in diesem Jahr einen Ampel-Senat zu wählen. Sie wollen flexibel verhandeln, aber: "Wir sind keine Schacherbrüder, die alles preisgeben", sagte Lindner. za

Grüne

Formal haben die Grünen noch keine Kommission für die Koalitionsverhandlungen gebildet: Die Landesdelegierten werden erst am kommenden Mittwoch auf einer Konferenz darüber abstimmen. Die Liste der Verhandlungsführer wird vermutlich identisch mit den Grünen-Politikern sein, die bisher die Sondierungsgespräche geführt haben. Die Parteivorsitzenden Regina Michalik und Till Heyer-Stuffer werden diese Kommission leiten. Zum "harten Kern" gehören Justizsenator Wolfgang Wieland und Fraktionschefin Sibyll Klotz. Daneben wollen die Grünen folgende Experten in das Gremium berufen: Michael Cramer (Verkehr), Jochen Esser (Haushalt, Wirtschaft), Adrienne Goehler (Kultur, Wissenschaft), Claudia Hämmerling (Umwelt), Volker Ratzmann (Inneres, Justiz) und Elisabeth Ziemer (Bezirkspolitik).

Wer von der Kernmannschaft welche Rolle in den Verhandlungsrunden übernehmen soll, machen die Grünen natürlich unter sich aus. "Das Wechselspiel zwischen Gut und Böse funktioniert bei uns sehr gut", sagt Regina Michalik. Mit Wolfgang Wieland haben die Grünen einen erfahrenen Politiker mit den Sachgebieten Inneres und Justiz, der die gesamte Palette der Gesprächsführung und Diplomatie beherrscht und zwischen moderaten Tönen, scharfen, ironischen Spitzen und festen Positionen schnell wechseln kann. Fraktionschefin Sibyll Klotz dagegen ist die Spontanere, die sich richtig aufregen und ihrem Ärger dann auch Luft machen kann. Klotz ist Expertin für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Während des Wahlkampfs hat sie deutlich an Souveränität und Rhetorik hinzugewonnen.

Till Heyer-Stuffer wirkt gegen Klotz und Wieland sehr ruhig, aber integrativ. Der frühere Vize-Präsident der TU Berlin ist Hochschulexperte und hat jede Menge Gremienerfahrung. 1999 arbeitete er bei den Grünen in der Wahlprogramm-Kommission der Partei mit. Er gehört als Berliner Delegierter des Hochschulbereichs zum Länderrat.

Migrations-, Integrations- und Frauenpolitik sind die Schwerpunkte von Regina Michalik, die neben ihrem Amt als Redakteurin bei einer Frauenzeitschrift arbeitet. Die frühere Bundesvorstandssprecherin hat ebenfalls Gremienerfahrung. Sie hat in der Erwachsenenbildung Kurse über Moderationstechniken geleitet. Und eines prädestiniert sie ganz besonders als Verhandlungsführerin der Grünen: Die gelernte Psychologin hat eine Zusatzausbildung für die Therapieform: Psychodrama. sib

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