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Stets gut besucht: der Biergarten am Neuen See.

© Paul Zinken/dpa

Die volle Härte: „Gebt mir Kissen!“

Das Standardmobiliar in der Draußen-Gastronomie ist die Bierbank. Eine Bierbank ist ein Brett mit Füßen – und altersdiskriminierend. Eine Polemik.

Nun nähern sich die langen Sommernächte dem Ende, 20 Uhr hat die Dämmerung eingesetzt, demnächst wird es auch mit den Sommertemperaturen vorbei sein – und darüber freut sich vor allem einer: mein Hintern. Der nämlich hat das Sundowner-Herumhocken auf Bierbänken satt.

Bierbänke sind Holzbretter mit Füßen. Holzbretter sind hart. Auf ihnen sitzen ist unangenehm. Nicht sofort, aber spätestens bei der Hälfte vom zweiten Bier. Weshalb man sich dann hin- und herwiegt, um die Belastungspunkte und Druckstellen zu egalisieren. Bierbänke sind zum Schnell-hin-und-wieder-weg-Stellen. Klappmöbel für Leute, die man nicht auf Dauer bei sich herumsitzen haben möchte. Leider sind Bierbänke aber auch: Standardmobiliar für Berliner Draußensitzgelegenheiten.

Können wir irgendwo hingehen, wo sie Stühle haben?

Nun denkt vielleicht der Berlin-Kneipier: Die Gäste kommen ja nur einen Abend, da können sie sich schon mal auf ein Brett setzen. Aber er vergisst dabei, dass sie vielleicht am nächsten oder übernächsten Tag bei anderen Wirten ebenfalls auf Brettern sitzen. Ja, in besonders geselligen Wochen hockt so ein Gast womöglich an vier von sieben Abenden auf Holzbänken. Da kann ihn bei der Aussicht auf einen so zu verbringenden fünften schon das Flehen anfallen: Bitte, können wir irgendwo hingehen, wo sie Stühle haben?

Natürlich haben Bierbänke auch Charme. Ihr Klappcharakter vermittelt eine Leichtigkeit, die zur luftigen Sommerlichkeit passt. Weil sie in der Zwei-Meter-zwanzig-Ausgabe Menschen nebeneinanderzwingen, die unter anderen Umständen nie in Kontakt gekommen wären, haben sie eine sozialistische Gleichmacherattitüde, die an Abenden, an denen alle schwitzen und alle durstig sind, auf alle Fälle passt. Und es will sich ja auch niemand bei 29 Grad in einem Polstersessel versenken. Aber wie wäre es mit Kissen? Und sei es als generöse Inklusionsgeste an diejenigen, deren Sitzteil durch vieler Jahre Nutzung etwas mitgenommen und ausgeleiert ist?

Es wäre ein Zeichen des Mitgefühls

Denn, liebe Bierbankgastronomen, ein bisschen altersdiskriminierend ist Ihre brettharte Draußen-Einrichtung schon. Die älteren Semester, das darf man nicht vergessen, beschließen mit dem Bier oder dem Wein zur Abendstunde in der Regel ihren Tag. Die wollen dort – und ich scheue mich nicht, dieses Wort zu benutzen – gemütlich sitzen. Für gemütliches Sitzen ist eine gewisse körperliche Zufriedenheit unerlässlich.

Es ist wahrscheinlich, dass die jüngeren Gäste andere Anforderungen an die Trinktreffmöblierung haben, weil sie von dort aus noch weiterziehen, hinaus in die Nacht. Für die fängt mit dem Hocken auf der harten Bank eher etwas an, als dass etwas zu Ende geht. Die könnten einen schmerzenden Bierbankhintern als Hinweis darauf nehmen, dass es Zeit ist, aufzubrechen.

Für diese Saison ist die Bitte um Kissen nun zu spät. Aber es kommt ein nächstes Jahr. Vielleicht dann. Wenigstens dünne und wenigstens für jede zweite Bank? Es wäre ein Zeichen des Mitgefühls denen gegenüber, die in der Härte des Holzes die Härte des Lebens wiedererkennen.

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