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Oberstaatsanwältin Petra Leister in ihrem Büro im Berliner Landgericht.

© Kai-Uwe Heinrich

Oberstaatsanwältin Leister: Diese Frau kämpft gegen Berlins kriminelle Clans

Berlin geht neue Wege gegen kriminelle Großfamilien. Petra Leister, im Landgericht zuständig für organisierte Kriminalität, spielt dabei eine wichtige Rolle.

Wochenende? Von wegen. Petra Leister steht neben ihrem Schreibtisch, auf dem Computer hat sie einen Schriftsatz aufgerufen. Natürlich arbeite sie auch Sonnabend und Sonntag, das sei ja nichts Neues. „Ich komme auf 70 bis 80 Stunden in der Woche“, sagt sie. Außer im Urlaub.

Der Kampf gegen kriminelle arabische Clans wird auch in einem Büro mit Amtsstuben-Atmosphäre geführt, im letzten Winkel des Landgerichts Moabit. Oberstaatsanwältin Petra Leister, zuständig für Organisierte Kriminalität, hat hier einen Schreibtisch, einen Tisch für Besucher und ein paar Bilder an der Wand. Dadurch wirkt das Ganze nicht ganz so trist.

In den Akten, die hier lagern, geht’s um Zwangsprostitution und Autoschiebereien, Bereiche, um die sich die 54-Jährige auch kümmert. Aber in vielen Unterlagen stehen zudem die Namen arabischer Großfamilien, Clans, deren Mitglieder durch immer neue Straftaten auffallen. Acht Clans gibt es alleine in Neukölln, sie haben rund 1000 Mitglieder. Viele von ihnen halten sich an Recht und Gesetz. Um die anderen kümmert sich Petra Leister.

Sie ist mitverantwortlich dafür, dass der einschlägig bekannten Großfamilie R. plötzlich 77 Immobilien im Wert von 9,3 Millionen Euro fehlen. Vorübergehend jedenfalls, beschlagnahmt vor ein paar Monaten bei einer Razzia. Die Millionen für den Kauf dieser Häuser könnten aus kriminellen Geschäften kommen, vermuten die Ankläger. Und dass libanesische Stohmänner beim Kauf dazwischengeschaltet waren.

„50 Prozent der hochkarätigen Fälle haben mit arabischstämmigen Großfamilien zu tun“

Ob und wenn ja, wie viele Immobilien zurückgegeben werden müssen, wird gerade geprüft. „Es ist kompliziert, die finanzielle Vergangenheit von Personen zu prüfen“, sagt Petra Leister. Aber dass Staatsanwaltschaft und Richter härter durchgreifen, das ist auf jeden Fall schon mal ein Signal. Die rechtliche Möglichkeit, Vermögen abzuschöpfen, ist größer geworden, endlich reagiert auch der Berliner Senat einigermaßen energisch. Am 26. November treffen sich Vertreter der Ressorts Innen, Justiz und Finanzen mit Staatsanwälten, um eine Strategie gegen arabischstämmige Großfamilien weiterzuentwickeln.

Petra Leister und die Polizei haben ihre Strategie bereits vor rund einem Jahr geändert. Sie hatten es satt, für den Papierkorb zu arbeiten. „Die Polizei hatte gesagt: Wenn wir zum 50. Mal sicher waren, wer eine Tat begangen hat, der Verdächtige aber mangels Beweisen nicht verurteilt wird, müssen wir eine andere Methode entwickeln“, erzählt Leister.

Bei Serieneinbrüchen war naheliegend, auf welche Gruppe sich die Ermittlungen konzentrieren mussten. „50 Prozent der hochkarätigen Fälle haben mit arabischstämmigen Großfamilien zu tun“, sagt die Oberstaatsanwältin. Seit 1995 bearbeitet sie bei der Staatsanwaltschaft Akten im Bereich Organisierte Kriminalität. Ihr erging es ja nicht anders als der Polizei. Wie oft hatte sie Videos von Tatorten betrachtet, wie oft hatte sie Täter gesehen, bei denen sie sicher war, wer da gerade lief. Sie hatte den Gang erkannt oder andere Merkmale identifiziert. „Aber das reichte nicht für einen dringenden Tatverdacht.“

Die frühere Strategie lautete: „Man ermittelt lange, am Tag X schlägt man zu, durchsucht 20 Objekte und nimmt zehn Leute fest.“ Nur war das bloß bedingt erfolgreich. Die Täter hatten sich vermummt, sie wussten, dass man ihre DNA hatte, wenn ihnen Haare am Tatort ausfielen, sie kannten die Polizisten, die sie überwachten, sie redeten belanglos am Telefon, weil sie mit einer Überwachung rechneten. „Die kannten unsere Methoden“, sagt Leister.

„Wir müssen die Möglichkeiten der Polizei verbessern“

Also musste man die Methode ändern. Jetzt ist das wichtigste Ziel: erstmal eine Verurteilung. „Dann habe ich den Fuß drin“, sagt Leister. „Da reicht eine Bewährung. Dann kann ich Vermögen abschöpfen, wenn das rechtlich möglich ist.“ Auch mit einem Haftbefehl könne sie einen Antrag auf Vermögensabschöpfung stellen. „Und wenn der Haftbefehl vollstreckt wird, kann ich auch abschöpfen.“ Jetzt wird der einzelne Fall auch tiefgreifend analysiert. Jetzt schaut sich der Staatsanwalt frühere Ermittlungsverfahren des Verdächtigen an.

„Vielleicht redet ein Zeuge, der damals nicht ausgesagt hat, jetzt“, sagt Leister. Vor allem aber befassen sich jetzt nicht mehr mehrere Staatsanwälte in jedem Einzelfall mit einem Beschuldigten. So hatte niemand einen Gesamtüberblick. Jetzt arbeitet sich nur ein Staatsanwalt durch die Akten. Mit Erfolg: „Wir haben einige Anklageerhebungen, Festnahmen und Vermögensabschöpfungen“, sagt Leister.

An Problemen mangelt’s Petra Leister trotzdem nicht. Es fehlt an Geld und damit an Personal und Technik. „Wir müssen die Möglichkeiten der Polizei verbessern.“ Effektive Observationen? Zu wenig Leute. Umfangreiche Auswertung von Telefonprotokollen? Personal fehlt. Sie kann natürlich auch direkt vor ihrer Bürotür mit der Problemsuche beginnen. Da wird sie ganz schnell fündig. Vier Abteilungen mit 20 Staatsanwälten kümmern sich um die Organisierte Kriminalität. Für eine effektive Verfolgung reicht das nicht. Leister hätte gern mehr Personal. Andererseits stieße sie dann ja schon aufs nächste Problem. „Im Landgericht fehlen Räume. Hier müssen Leute, die schon lange dabei sind, immer noch in einem Doppelzimmer arbeiten.“ Vor Gericht trifft sie dann Angeklagte, die Sozialhilfe beziehen, aber teure Anwälte verpflichtet haben.

Aber der Gerichtssaal ist zugleich Stätte ihrer größten Triumphe. Hohe Strafen, abschreckende Urteile, das ist ihre Genugtuung. Ein Täter aus einer der berüchtigten arabischen Großfamilien, 2014 am spektakulären Bankraub in Mariendorf beteiligt: acht Jahre Gefängnis. Ein Menschenhändler: sieben Jahre. Ein besonders krimineller Hehler: zwölf Jahre. Bei diesem Urteil war Petra Leister „sogar selber überrascht“.

Richter hatten ihr indirekt damit wieder bestätigt, dass sie im richtigen Bereich arbeitet, trotz 80 Wochenstunden. Richterin? Wollte sie nie sein. „Das wäre für mich sterbenslangweilig.“

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