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Frank Henkel, CDU.

© dapd

Drei Stunden vor dem Innenausschuss: Innensenator Henkel unter Druck

Innensenator Henkel bestreitet nicht, Informationen über den NSU-nahen V-Mann Thomas S. zurückgehalten zu haben - aber Vertuschung soll das nicht gewesen sein. Aus damaliger Sicht sei das richtig gewesen, verteidigt er sich. Wie er solche Irritationen in Zukunft verhindern wolle? Die Antwort bleibt Henkel schuldig.

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Am Ende wippt Frank Henkel mit beiden Füßen. Er hat es bald überstanden. Diese Etappe. Mehr als drei Stunden musste er sich am Dienstagnachmittag dem Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses stellen. Drei Stunden, in denen die Abgeordneten wissen wollten, warum er Informationen über den NSU-nahen V-Mann Thomas S. den Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages nicht informiert hatte und warum er am Donnerstag, als der Vorfall öffentlich wurde, im Plenum noch davon sprach, dass er "heute damit konfrontiert" worden sei.

Henkel fährt bei seiner Verteidigung zweigleisig: Er gibt Fehler zu, um gleichzeitig zu sagen, dass trotzdem vieles richtig war. „Ich bedauere ausdrücklich, dass es dadurch zu Irritationen gekommen ist“, sagte Henkel.

Möglicherweise hätte man im Nachhinein in der Kommunikation etwas anders machen können. Aber aus damaliger Sicht sei es aus Gründen des Quellenschutzes nicht zu verantworten gewesen, die Informationen öffentlich mitzuteilen. Andernfalls habe die Gefahr bestanden, dass das Leben des Informanten gefährdet, weitere Ermittlungen gegen andere Personen aus dem Umfeld der NSU-Unterstützer behindert und wichtiges Beweismaterial unter Umständen vernichtet worden wäre.

Das Vorgehen der Berliner Behörden sei eng mit der Generalbundesanwaltschaft abgestimmt worden. „Nach rechtlicher und fachlicher Beratung habe ich mich an dieses Vorgehen gebunden gefühlt“, sagte Henkel. Nur Vertuschung will er sich nicht vorwerfen lassen: „Welches Interesse sollte ich haben, Dinge zu verschleiern, die lange vor meinem Amtsantritt lagen.“

Henkel steht unter Druck. Vergangene Woche war bekannt geworden, dass ein mutmaßlicher NSU-Helfer mehr als zehn Jahre als V-Mann des Berliner Landeskriminalamtes tätig war und 2002 zumindest indirekte Hinweise auf den Aufenthaltsort der Rechtsterroristen gegeben hat. Henkel selbst sagt, dass er am 9. März davon erfahren habe - von der amtierenden Polizeipräsidentin Margarete Koppers, die auch im Innenausschuss war.

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Von der bekam Henkel auch Unterstützung. Es wäre zum damaligen Zeitpunkt unverantwortlich gewesen, wenn die Berliner Sicherheitsbehörden einseitig die Informationen weitergetragen hätte. Für die Weitergabe sei die Generalbundesanwaltschaft zuständig, weil sie dort zentral die Ermittlungen führten und alleine den vollständigen Überblick habe. Alle Informationen seien Karlsruhe zur Verfügung gestellt worden, sagte sie. „Deshalb weise ich alle erhobenen Vorwürfe entschieden zurück“. Nach ihrer Darstellung wurden die Erkenntnisse zwischen Dezember 2011 und Mai 2012 intensiv schriftlich und in persönlichen Gesprächen ausgetauscht.

Am stärksten wird Henkel auch von den SPD-Abgeordneten im Ausschuss verteidigt. SPD-Innenexperte Thomas Kleineidam sagte, dass der NUS-Fall bundesweit zwar einer der größten Skandale sei, bezogen auf Berlin gelte das aber in keinem Fall. Die Opposition, so verlautete es aus der SPD-Fraktion, betreibe unnötige Skandalisierung.

Kritik kam dagegen von der Opposition. Henkel habe mit keinem Wort gesagt, wie er in Zukunft ähnliche Irritationen vermeiden wolle, kritisierte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Benedikt Lux. Und Udo Wolf (Linke) sah weiterhin dringenden Aufklärungsbedarf.

Am Mittag um 13 Uhr gingen die Akten des LKA zum V-Mann-Fall in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages ein. Auch die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses sollen Einblick erhalten.

Am Morgen wurde ein weiteres Detail bekannt. Demnach hätte das Landeskriminalamt (LKA) Berlin das Bundeskriminalamt schon Ende 2011 über den NSU-nahen V-Mann Thomas S. informieren können. Denn am 14. Dezember, also nur gut einen Monat, nachdem die Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) aufgeflogen war, wollte das BKA nach Tagesspiegel-Informationen von allen Landeskriminalämtern Informationen über Thomas S. haben.

Auch das Berliner Landeskriminalamt erhielt die Anfrage. Dass der NSU-nahe Thomas S. aus der rechten Szene mehr als zehn Jahre V-Mann des Berliner LKA war, wurde dem BKA nicht mitgeteilt. Hintergrund dafür sei, dass im LKA nicht die Fachdienststelle für "Vertrauenspersonen" mit der BKA-Anfrage konfrontiert wurde, da in dem Gesuch des BKA von allgemeinen Erkenntnissen zu Thomas S. die Rede war.

Erst als es eine weitere BKA-Anfrage am 7. März 2012 gezielt auch zu V-Mann-Tätigkeiten gegeben hatte, wurde polizeiintern und damit auch bei der Senatsverwaltung für Inneres bekannt, dass Thomas S. als V-Mann für das Berliner LKA gearbeitet hatte. Nach eigener Aussage wurde Innensenator Frank Henkel (CDU) am 9. März von der amtierenden Polizeipräsidentin Margarete Koppers über den V-Mann-Fall informiert.

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